Ilse Ritter übersetzte neun ausgewählte Götterlieder neu und entdeckte in den Texten der nord-europäischen Seher eine mythisch-poetische Sicht der Welt. Träume und Sprache sind ur-gestaltende schöpferische Kräfte. Die Energie des Lichtes, die Kräfte der Natur und schließlich die Sprache führen den Menschen an die Quelle der Schöpfung. Der Lebensbaum Ygdrsiln ist Symbol für Wachstum, Blühen, Entfaltung, Frucht und Samen - den Kreislauf des Lebens. Die Sprache der Dichter ist die "Liebesbrücke" zwischen den Formen und ihrer geistigen Entsprechung, die Sprache selber, ganz im Sinne der Poetologie, ein Akt der Schöpfung.Es ist das Licht der Schöpfung (die Liebe, die Vernunft, der Glaube), welches das fragile kunstvolle Gleichgewicht der Natur erschafft. Sie verliert den Kampf gegen das Dunkel: Gier, Lüge, Hass (Vorläufig!). Hier wird die Gier nach Gold erstmals beschrieben als ein Abgrund, ein Irrweg, der das Unheil in die Welt brachte und unsere Lebenswelt verwüstet. In der Folge ist die "Vjöl-uspa" eine Schilderung erschreckender Naturkatastrophen gewaltigen Ausmaßes: Vulkanausbrüche, Erd- und Seebeben, Überflutungen ganzer Länder, Finsternis der Sonne, Erde und der Gestirne.Die Schöpfung erinnert den Menschen daran, dass er ein Teil des schöpferischen Kosmos ist und nicht Herrscher der Natur.
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Rezensentin Irene Bazinger lauscht berauscht den Gesängen der Seherin Adda in der Übersetzung und Vertonung durch die Schauspielerin Ilse Ritter. Ritters sensible Interpretation erschließt ihr den hymnischen, mystischen Charakter der Götteranrufungen, aber auch ihren Gegenwartsbezug, wenn eine Welt im Chaos sichtbar wird, Katastrophen und Not der Menschheit. Trost spenden die Gesänge der Rezensentin gleichwohl auch durch ihre Poesie und Form und durch Ritters "weisem Liebreiz". Dass die Titelnummern nicht einzeln anwählbar sind und der Edition ein Booklet fehlt, bedauert Bazinger umso mehr.
© Perlentaucher Medien GmbH
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