Temeo Kirschstein ist ein afrikanischer Junge, eines von vielen Kindern einer Afrikanerin und eines deutschen Geologen am Tanganjikasee. Es ist immer was los, dort wo Temeo lebt. Eines Tages verunglückt Temeos Vater, der Edelsteinsucher, in seiner Grube. Temeo hatte schon immer viel für Mama Masiti, seine Mutter, arbeiten müssen, doch kommen jetzt ganz neue Aufgaben auf ihn zu: Mama Masiti schickt ihn auf Betteltour, damit sie den Arzt für Papa bezahlen kann. Temeo schwänzt die Schule und macht sich auf den Weg. Beseelt von dem Willen, seinen geliebten Vater zu retten - wächst der Junge über sich hinaus.
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 28.01.2011Süddeutsche Zeitung Junge Bibliothek
Band 18
Temeo auf
Betteltour
„Wenn dich ein Löwe nach der
Uhrzeit fragt“ von Hermann Schulz
„Wenn dich ein Löwe nach der Uhrzeit fragt“ – dann bist du echt in Schwierigkeiten, so sagt man in Tansania. Und in denen steckt der zwölfjährige Temeo pausenlos, seit sein Vater einen schweren Unfall hatte. Der deutsche Geologe Kirschstein buddelte schon seit Jahren nach Edelsteinen oder einer Goldader. Ein Wunder, dass nicht eher eine Mine über ihm zusammengebrochen ist! Nun muss die Familie Geld für Medikamente beschaffen, denn eine Krankenversicherung gibt es hier nicht. Mama Masiti, seine tansanische Ehefrau, steht vor einem riesigen Problem. Sie hält die Familie über Wasser, indem sie mit Hühnchen handelt. Rupfen muss die Hühner natürlich Temeo, die großen Geschwister sind längst erwachsen und seine Schwestern noch viel zu klein. So bleibt alles an ihm hängen, wie Temeo recht respektlos erzählt. Flapsig, wie zwölfjährige Jungen überall auf der Welt über die Erwachsenen reden, berichtet er von seinen Erlebnissen. Mama Masiti schickt ihn „auf Betteltour“ zu allen Leuten, die irgendwie Geld haben könnten: zur evangelischen Missionarsfamilie, zu den katholischen Schwestern, dem einheimischen muslimischen Kaffeepflanzer, dem indischen Händler. Die Familie hat da keinerlei Berührungsängste, auch gegenüber dem traditionellen Heiler Papa Whoopy nicht. Der schafft es immerhin, durch Handauflegen das geschenkte Schweinefleisch in Ziegenfleisch zu verwandeln, damit Temeos muslimische Mutter es auch essen kann.
Die Abenteuer beginnen erst richtig, als zwiespältige europäische Goldsucher in der abgesperrten Mine auftauchen. Doch Temeo lässt sich nicht einschüchtern und führt die beiden Gauner richtig an der Nase herum. Er bestärkt sie in ihrem Glauben, dass sein Vater eine große Goldader entdeckt habe und verkauft die Mine zu einem völlig überhöhten Preis. Doch es gibt kein flaches Happy End. Temeos Vater stirbt an seinen schweren Verletzungen. Vorher jedoch erzählt er dem Jungen die tröstliche Geschichte vom großen Vulkan Namlagira in Ruanda. Wenn der Funkenregen spuckt, dann ist es, als wenn alle Götter gemeinsam auf der Erde ein Fest feiern.
Wenige Jugendbücher über Afrika wagen es, in diesem respektlos lockeren Ton zu erzählen. Treffsicher werden die verschiedenen Charaktere, ob Missionarsfamilie, europäische Goldsucher oder einheimische Würdenträger geschildert. Die existentielle Bedrohung der Familie durch den Unfall des Vaters und die Schwierigkeiten beim Geldbeschaffen werden nicht verniedlicht. Doch es fehlt ein mitleidiger Unterton. Temeo erzählt völlig unsentimental, mit Sinn für Humor, der auch in tragischen Situationen trägt. So hat der Autor Hermann Schulz in diesem Roman das Lebensgefühl vieler Afrikaner eingefangen, die sich mit Witz und scharfer Beobachtungsgabe den Anforderungen des Alltags stellen. Das macht dieses ungewöhnliche Buch über Afrika zu einem Lesevergnügen für Kinder. (ab 9 Jahren) REGINA RIEPE
„Wenn dich ein Löwe nach
der Uhrzeit fragt.“
Illustration: Christiane Pieper
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Band 18
Temeo auf
Betteltour
„Wenn dich ein Löwe nach der
Uhrzeit fragt“ von Hermann Schulz
„Wenn dich ein Löwe nach der Uhrzeit fragt“ – dann bist du echt in Schwierigkeiten, so sagt man in Tansania. Und in denen steckt der zwölfjährige Temeo pausenlos, seit sein Vater einen schweren Unfall hatte. Der deutsche Geologe Kirschstein buddelte schon seit Jahren nach Edelsteinen oder einer Goldader. Ein Wunder, dass nicht eher eine Mine über ihm zusammengebrochen ist! Nun muss die Familie Geld für Medikamente beschaffen, denn eine Krankenversicherung gibt es hier nicht. Mama Masiti, seine tansanische Ehefrau, steht vor einem riesigen Problem. Sie hält die Familie über Wasser, indem sie mit Hühnchen handelt. Rupfen muss die Hühner natürlich Temeo, die großen Geschwister sind längst erwachsen und seine Schwestern noch viel zu klein. So bleibt alles an ihm hängen, wie Temeo recht respektlos erzählt. Flapsig, wie zwölfjährige Jungen überall auf der Welt über die Erwachsenen reden, berichtet er von seinen Erlebnissen. Mama Masiti schickt ihn „auf Betteltour“ zu allen Leuten, die irgendwie Geld haben könnten: zur evangelischen Missionarsfamilie, zu den katholischen Schwestern, dem einheimischen muslimischen Kaffeepflanzer, dem indischen Händler. Die Familie hat da keinerlei Berührungsängste, auch gegenüber dem traditionellen Heiler Papa Whoopy nicht. Der schafft es immerhin, durch Handauflegen das geschenkte Schweinefleisch in Ziegenfleisch zu verwandeln, damit Temeos muslimische Mutter es auch essen kann.
Die Abenteuer beginnen erst richtig, als zwiespältige europäische Goldsucher in der abgesperrten Mine auftauchen. Doch Temeo lässt sich nicht einschüchtern und führt die beiden Gauner richtig an der Nase herum. Er bestärkt sie in ihrem Glauben, dass sein Vater eine große Goldader entdeckt habe und verkauft die Mine zu einem völlig überhöhten Preis. Doch es gibt kein flaches Happy End. Temeos Vater stirbt an seinen schweren Verletzungen. Vorher jedoch erzählt er dem Jungen die tröstliche Geschichte vom großen Vulkan Namlagira in Ruanda. Wenn der Funkenregen spuckt, dann ist es, als wenn alle Götter gemeinsam auf der Erde ein Fest feiern.
Wenige Jugendbücher über Afrika wagen es, in diesem respektlos lockeren Ton zu erzählen. Treffsicher werden die verschiedenen Charaktere, ob Missionarsfamilie, europäische Goldsucher oder einheimische Würdenträger geschildert. Die existentielle Bedrohung der Familie durch den Unfall des Vaters und die Schwierigkeiten beim Geldbeschaffen werden nicht verniedlicht. Doch es fehlt ein mitleidiger Unterton. Temeo erzählt völlig unsentimental, mit Sinn für Humor, der auch in tragischen Situationen trägt. So hat der Autor Hermann Schulz in diesem Roman das Lebensgefühl vieler Afrikaner eingefangen, die sich mit Witz und scharfer Beobachtungsgabe den Anforderungen des Alltags stellen. Das macht dieses ungewöhnliche Buch über Afrika zu einem Lesevergnügen für Kinder. (ab 9 Jahren) REGINA RIEPE
„Wenn dich ein Löwe nach
der Uhrzeit fragt.“
Illustration: Christiane Pieper
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