Was wäre, wenn heute dein letzter Tag wäre? Was würdest du tun? Wen würdest du küssen? Und wie weit würdest du gehen, um dein Leben zu retten?
Samantha Kingston ist hübsch, beliebt, hat drei enge Freundinnen und den perfekten Freund. Der 12. Februar sollte eigentlich ein Tag werden wie jeder andere in ihrem Leben: mit ihren Freundinnen zur Schule fahren, die sechste Stunde schwänzen, zu Kents Party gehen. Stattdessen ist es ihr letzter Tag. Sie stirbt nach der Party bei einem Autounfall. Und wacht am Morgen desselben Tages wieder auf. Siebenmal ist sie gezwungen, diesen Tag wieder und wieder zu durchleben. Und begreift allmählich, dass es nicht darum geht, ihr Leben zu retten. Zumindest nicht so, wie sie dachte ...
Samantha Kingston ist hübsch, beliebt, hat drei enge Freundinnen und den perfekten Freund. Der 12. Februar sollte eigentlich ein Tag werden wie jeder andere in ihrem Leben: mit ihren Freundinnen zur Schule fahren, die sechste Stunde schwänzen, zu Kents Party gehen. Stattdessen ist es ihr letzter Tag. Sie stirbt nach der Party bei einem Autounfall. Und wacht am Morgen desselben Tages wieder auf. Siebenmal ist sie gezwungen, diesen Tag wieder und wieder zu durchleben. Und begreift allmählich, dass es nicht darum geht, ihr Leben zu retten. Zumindest nicht so, wie sie dachte ...
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 25.09.2010Eine Woche voller Dramen
Lauren Oliver erzählt vom Leben in der Sterbestunde
An der Thomas-Jefferson-Highschool in Ridgeview, Connecticut, sind sie die Stars: Lindsay, Ally, Elody und Samantha, großmäulig, frech und cool, entscheiden, was angesagt ist und wer geschmäht wird. Die verhuschte Juliet zum Beispiel, ihr liebstes Opfer. Und der eigenwillige Kent. Trotzdem erscheinen die vier auf seiner Party am Abend des letzten Schultags vor dem Valentinstag. Morgens hat es Rosen gegeben, ganze Sträuße für die Beliebtesten, mit Spottkarten versehene für die Außenseiter. Abends gibt es Tote. Eine von ihnen ist Samantha. Jedenfalls ist sie das am ersten und ein paar anderen der sieben Tage, die sie in den sieben Kapiteln des Romans erlebt, als wäre sie dazu verdammt, ihren Todestag immer wieder neu zu verbringen. Oder als könnte sie sich aus dieser Zeitschleife befreien, wenn es ihr nur gelänge, Einfluss auf den Verlauf dieses Tages zu nehmen.
Was passiert, wenn die vier nicht mit Lindsays silbernem Range Rover, der von Mary J. Bliges bis zum Anschlag aufgedrehtem Song "No More Drama" erzittert, Richtung Highschool rasen, um der armen Sarah kurz vor Schulbeginn mit einem waghalsigen Manöver den letzten Parkplatz wegzuschnappen? Was, wenn Sam mit Rob Schluss macht, obwohl sie mit ihm nach der Party doch ein erstes Mal ins Bett gehen wollte? Was, wenn sie sich an den Gemeinheiten ihrer Clique nicht beteiligt? Einmal überredet Sam ihre Freundinnen zu einem Abend daheim, einmal verdirbt sie es sich konsequent mit allen, weil sie ja nichts mehr zu verlieren hat. Einmal versucht sie, alles richtig zu machen, und einmal, einfach all die schönen Dinge noch einmal zu erleben, die ihr in Erinnerung und in Reichweite sind.
Sams Verzweiflung wächst mit jedem Morgen, an dem sie durch den Wecker aus dem Traum gerissen wird und ihr Blick auf dasselbe Datum fällt. Dabei wächst ihr Wissen: Sie bemerkt Details, Mehrdeutigkeiten und Ambivalenzen, kommt geheimen Gründen von Häme auf die Spur, findet sich und ihre Clique auf einmal gar nicht mehr toll und den merkwürdigen Kent gar nicht so übel.
Die Kunst der Autorin Lauren Oliver in ihrem Debüt "Wenn du stirbst, zieht dein ganzes Leben an dir vorbei, sagen sie" ist der Balanceakt. Mit jedem Kapitel gewinnen ihre Figuren Statur und Kontur. Und obwohl das Buch bei Sams Blick auf die Welt bleibt, bei den Gefühlen der Ich-Erzählerin, macht Oliver keine der Freundinnen zur Fratze. Selbst als das Großmaul Lindsay schließlich in all ihrer Jämmerlichkeit vor uns steht, bleibt sie mitreißend in ihrem bösen Witz, ihrer Frechheit, ihrer Verzweiflung. Die Autorin muss die moralische Dimension ihrer Geschichte nicht herunterspielen. Sie fängt sie auf mit Tempo und Ton einer jungen Frau, mit ihrem explosiven Gefühlsgemisch aus Kindlichkeit und Erwachsenwerden, Ausgelassenheit und Angst, Wut und Würde.
FRIDTJOF KÜCHEMANN
Lauren Oliver: "Wenn du stirbst, zieht dein ganzes Leben an dir vorbei, sagen sie". Aus dem Englischen von Katharina Diestelmeier. Carlsen Verlag, Hamburg 2010. 448 S., geb., 19,90 [Euro]. Ab 16 J.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Lauren Oliver erzählt vom Leben in der Sterbestunde
An der Thomas-Jefferson-Highschool in Ridgeview, Connecticut, sind sie die Stars: Lindsay, Ally, Elody und Samantha, großmäulig, frech und cool, entscheiden, was angesagt ist und wer geschmäht wird. Die verhuschte Juliet zum Beispiel, ihr liebstes Opfer. Und der eigenwillige Kent. Trotzdem erscheinen die vier auf seiner Party am Abend des letzten Schultags vor dem Valentinstag. Morgens hat es Rosen gegeben, ganze Sträuße für die Beliebtesten, mit Spottkarten versehene für die Außenseiter. Abends gibt es Tote. Eine von ihnen ist Samantha. Jedenfalls ist sie das am ersten und ein paar anderen der sieben Tage, die sie in den sieben Kapiteln des Romans erlebt, als wäre sie dazu verdammt, ihren Todestag immer wieder neu zu verbringen. Oder als könnte sie sich aus dieser Zeitschleife befreien, wenn es ihr nur gelänge, Einfluss auf den Verlauf dieses Tages zu nehmen.
Was passiert, wenn die vier nicht mit Lindsays silbernem Range Rover, der von Mary J. Bliges bis zum Anschlag aufgedrehtem Song "No More Drama" erzittert, Richtung Highschool rasen, um der armen Sarah kurz vor Schulbeginn mit einem waghalsigen Manöver den letzten Parkplatz wegzuschnappen? Was, wenn Sam mit Rob Schluss macht, obwohl sie mit ihm nach der Party doch ein erstes Mal ins Bett gehen wollte? Was, wenn sie sich an den Gemeinheiten ihrer Clique nicht beteiligt? Einmal überredet Sam ihre Freundinnen zu einem Abend daheim, einmal verdirbt sie es sich konsequent mit allen, weil sie ja nichts mehr zu verlieren hat. Einmal versucht sie, alles richtig zu machen, und einmal, einfach all die schönen Dinge noch einmal zu erleben, die ihr in Erinnerung und in Reichweite sind.
Sams Verzweiflung wächst mit jedem Morgen, an dem sie durch den Wecker aus dem Traum gerissen wird und ihr Blick auf dasselbe Datum fällt. Dabei wächst ihr Wissen: Sie bemerkt Details, Mehrdeutigkeiten und Ambivalenzen, kommt geheimen Gründen von Häme auf die Spur, findet sich und ihre Clique auf einmal gar nicht mehr toll und den merkwürdigen Kent gar nicht so übel.
Die Kunst der Autorin Lauren Oliver in ihrem Debüt "Wenn du stirbst, zieht dein ganzes Leben an dir vorbei, sagen sie" ist der Balanceakt. Mit jedem Kapitel gewinnen ihre Figuren Statur und Kontur. Und obwohl das Buch bei Sams Blick auf die Welt bleibt, bei den Gefühlen der Ich-Erzählerin, macht Oliver keine der Freundinnen zur Fratze. Selbst als das Großmaul Lindsay schließlich in all ihrer Jämmerlichkeit vor uns steht, bleibt sie mitreißend in ihrem bösen Witz, ihrer Frechheit, ihrer Verzweiflung. Die Autorin muss die moralische Dimension ihrer Geschichte nicht herunterspielen. Sie fängt sie auf mit Tempo und Ton einer jungen Frau, mit ihrem explosiven Gefühlsgemisch aus Kindlichkeit und Erwachsenwerden, Ausgelassenheit und Angst, Wut und Würde.
FRIDTJOF KÜCHEMANN
Lauren Oliver: "Wenn du stirbst, zieht dein ganzes Leben an dir vorbei, sagen sie". Aus dem Englischen von Katharina Diestelmeier. Carlsen Verlag, Hamburg 2010. 448 S., geb., 19,90 [Euro]. Ab 16 J.
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