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Zwischen August und November 1888 wurden in dem Londoner Stadtteil Whitechapel fünf Frauen ermordet. Es war vor allem die Grausamkeit, mit der sie umgebracht wurden, die große Panik unter der Bevölkerung hervorrief. Von da an hatte der Serienmord einen Namen: Jack the Ripper. Seit über hundert Jahren ist die Identität des Serienmörders ungeklärt und eines der größten Geheimnisse der Kriminalgeschichte. Unzählige Theorien entstanden, die verschiedenste Täter präsentierten, unter anderem ein Mitglied des Könighauses, einen Barbier, einen Arzt und einen Künstler. Patricia Cornwell hat ihre…mehr

Produktbeschreibung
Zwischen August und November 1888 wurden in dem Londoner Stadtteil Whitechapel fünf Frauen ermordet. Es war vor allem die Grausamkeit, mit der sie umgebracht wurden, die große Panik unter der Bevölkerung hervorrief. Von da an hatte der Serienmord einen Namen: Jack the Ripper.
Seit über hundert Jahren ist die Identität des Serienmörders ungeklärt und eines der größten Geheimnisse der Kriminalgeschichte. Unzählige Theorien entstanden, die verschiedenste Täter präsentierten, unter anderem ein Mitglied des Könighauses, einen Barbier, einen Arzt und einen Künstler. Patricia Cornwell hat ihre hervorragenden forensischen Kenntnisse und modernste polizeiliche Ermittlungsmethoden mit dem historischen Beweismaterial kombiniert und legt stichhaltige Beweise vor, dass der Täter der Whitechapel-Morde der berühmte Maler Walter Sickert gewesen sein muss.Mit Hilfe neuester Techniken hat sie Walter Sickert als Urheber der berüchtigten Briefe ausgemacht, die der Whitechapel-Mörder einst an die Polizei schickte. Eine genaue Analyse seiner Gemälde zeigt, dass der Künstler darauf regelmäßig die gruselige Verstümmelung seiner Opfer darstellte. Auch die Entwicklungsgeschichte von Sickert, dessen Jugend durch eine angeborene Missbildung beeinträchtigt war, liefert weitere Indizien. Alle Erkenntnisse zusammen ergeben das überzeugende Psychogramm eines Serienmörders.
Die Bestsellerautorin Patricia Cornwell hat ihr Wissen in moderner Kriminalistik auf geniale Weise mit ihren Fähigkeiten als Romanschriftstellerin verbunden und ein packendes Sachbuch geschrieben.
Autorenporträt
Patricia Cornwell, geboren 1956 in Miami, arbeitete als Gerichtsreporterin und Computerspezialistin in der forensischen Medizin, bevor sie mit ihren Thrillern um Kay Scarpetta internationale Erfolge feierte und mit hohen literarischen Auszeichnungen bedacht wurde. Die Autorin lebt derzeit in New York und Florida.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 02.01.2003

Ich sah das Böse in seinen Bildern
Auf dünnem Eis: Patricia Cornwell sucht Jack the Ripper

Das Interesse des Publikums an den Bluttaten jenes Serientäters, der zwischen August und November 1888 fünf oder sechs Prostituierte im Londoner East End ermordete und sich in manchen seiner koketten Schreiben an die Öffentlichkeit "Jack the Ripper" nannte, erlöscht niemals. Diese Mordserie ist in der Geschichte des Verbrechens kanonisch. Die Figur ging schon bald in die Literatur ein - Lulu findet bei Wedekind, Alban Berg und G. W. Pabst ihr Ende durch Jack. Die Affäre hat aber auch viele bizarr-grauenhafte Details, die auratische Atmosphäre der Gaslicht-Metropole ist wie geschaffen für Verfilmungen und Roman-Pastiches, so daß jede neue Variante damit rechnen darf, ihren Markt zu finden.

Die Liste der hypothetischen Täter, die von emsigen Amateuren im Lauf von einhundertfünfzehn Jahren nominiert wurden, ist lang: Freimaurer und Gorilla, Hebamme und koscherer Metzger, Vivisektionist und Schwarzmagier. Unter den historisch klar greifbaren Kandidaten waren ein verrückter russischer Mediziner und der Giftmörder George Chapman. Aleister Crowley bemerkte beiläufig, Madame Blavatsky sei's gewesen. Die geringste Unwahrscheinlichkeit hat vielleicht die Hypothese der Täterschaft des im Dezember 1888 in der Themse ertrunkenen Anwalts und Lehrers Montague Druitt. Aber man zog immer wieder die spektakulären Lösungen vor: der Herzog von Clarence (ein Enkel Victorias) war es - oder der Kronprinz selbst (der spätere Edward VII.). Im Kriminalroman und im Film wurde Sherlock Holmes zuerst in den verschiedensten Szenarien auf die Jagd nach dem Ripper geschickt; Michael Dibdin machte ihn dann 1978 selbst zu dem Mörder ("The Last Sherlock Holmes Story"). Die jüngste Lösungsvariante will nun den Täter in dem Maler Walter Sickert (1860 bis 1942) erkennen, einem Schüler von Whistler und Freund von Degas, dessen Rang sich daran ablesen läßt, daß sieben seiner Bilder in der großen Ausstellung "Englische Kunst im zwanzigsten Jahrhundert" (1987) an den Beginn gestellt wurden. Sein Einfluß reicht vom postimpressionistischen Realismus der "Camden Town Group" bis nach Bloomsbury.

Patricia Cornwell, die Autorin jenes Buches, das Sickert überführen soll, hat eine spektakulär erfolgreiche Serie von Kriminalromanen verfaßt, deren erster, "Postmortem", 1990 erschien. Ihre Serienheldin ist die Pathologin Kay Scarpetta. Die Erfinderin schickt sich nun mit dem - von der erfundenen Figur zurückstrahlenden - Nimbus der Expertin an, das große Rätsel zu lösen. Ihr Buch präsentiert sich nicht als eine weitere Hypothese, sondern, mit aggressivem Gestus, als die Aufdeckung der unzweideutigen historischen Wahrheit. Der Titel des Originals lautet: "Portrait of a Killer. Jack the Ripper: Case Closed." Der Fall soll also abgeschlossen sein, doch auf Grund der Beweise, die von der Autorin vorgelegt werden, würde man keinen Hund hängen wollen.

Neben endlosen Exkursen über die bedauerliche Qualität der gerichtsmedizinischen Praxis der damaligen Zeit - schon richtig, aber gewiß nicht neu - nennt die Autorin, die niemals versäumt, ihr angebliches Expertenwissen hervorzukehren, einige schmale forensische Ergebnisse aus neuen, von ihr veranlaßten Untersuchungen. Hierzu kann der Laie nur sagen: Es fällt überaus schwer, zu glauben, daß bei dem zwangsläufig höchst kontaminierten historischen Material ein Vergleich der DNS von den Briefmarken und Klebelaschen einiger Ripper-Briefe und andererseits von verschiedenen Schreiben und Arbeitskitteln Sickerts auf sinnvolle Weise möglich wird. (Zur methodischen Problematik findet sich kein Wort.) Der Vergleich soll angeblich zwar keine direkte Identifikation ermöglichen, aber das Auftauchen eines bestimmten gemeinsamen DNA-Profils dokumentieren, welches nur bei gerade mal einem Prozent der Bevölkerung vorkommen kann. Daß dieses Trumpf-Argument eher verschämt auf einer halben Seite behandelt wird, ist verblüffend; Näheres wird nicht ausgeführt, wissenschaftliche Details werden nicht mitgeteilt - wie das ganze Buch keinen einzigen wirklichen dokumentarischen Beleg abdruckt, will man diesen Status nicht dem stilistisch absurden Vergleich zwischen einer Kritzelei des Ripper und einem Strichmännchen Sickerts zubilligen. Die Relevanz der Wasserzeichen, die bei den Ripper-Briefen ebenso wie bei Briefen Sickerts auftauchen, ließe sich erst einschätzen, wenn etwas über die Verbreitung des Briefpapiers gesagt würde. Die ganzen herbeigeschleppten "Indizien" scheinen null und nichtig.

Die Autorin, die nach Tätigkeiten als Reporterin, als dankbare Verfasserin einer Biographie von Billy Grahams Gattin (die sich ihrer früh angenommen hatte) und als Computertechnikerin an einem gerichtsmedizinischen Institut den Durchbruch mit ihren Pathologie-Krimis schaffte und nun begonnen hat, sich als forensische Spezialistin zu gerieren (jüngste Ausgaben ihrer Krimis führen als weitere Tätigkeit noch obendrein "voluntary police officer" auf), scheint keinen wirklichen Begriff von wissenschaftlicher Analyse zu haben, trotz aller Gerichtssaalanekdoten, die sie erzählt. Die umständlichen Nachweise, daß Sickert zu den entscheidenden Zeitpunkten wahrscheinlich kein Alibi hatte - oder aber in seiner Korrespondenz angab, irgendwo anders gewesen zu sein, was natürlich sofort den Verdacht erregt, er wolle sich ein falsches Alibi schaffen: all dies ist nur komisch. Das Atemberaubende an dem Buch aber ist die naive Schamlosigkeit, welche einem Maler aus seinem Interesse am Tingeltangel und an der Erotik der Halbwelt einen Strick drehen will.

Sickert war bekannt dafür, daß er lange ein Leben mit den klassischen Zügen der Künstler-Bohème führte und (nach einigen Jahren eigener Schauspieler-Karriere) eine leidenschaftliche Vorliebe für das Varieté hatte - für die billige, erotisch-zwielichtige Music Hall, eine Art englisches Äquivalent der Moulin-Rouge-Sphäre. Diese Neigung teilte er mit zahllosen anderen, mit Wilde und Beerbohm, Arthur Symons und Ernest Dowson. Hier wird sie als kardinales Indiz für die Urheberschaft einer Serie von Lustmorden genommen. Und dann hat der Mann ja auch noch eine große Zahl nackter Frauen gemalt, und einige dieser Bilder sind eigenartig suggestiv. "Mir fielen finstere Bilder bekleideter Männer auf, reflektiert in Spiegeln düsterer Schlafzimmer, in denen nackte Frauen auf eisernen Bettgestellen sitzen. Ich sah drohende Gewalt und Tod. . . . Ich sah eine diabolische kreative Intelligenz, und ich sah das Böse." Und der Leser sieht, wie sich die Dummheit in Ekstase redet. Eines der angesprochenen Bilder ist kunsthistorisch nicht unberühmt: "The Camden Town Affair" (1909). Es zeigt ein karges Zimmer und ein Bett, auf dem reglos eine nackte Frau liegt. Ein Mann steht aufrecht neben dem Bett und schaut mit verschränkten Armen auf sie hinunter. Mehr durch den Titel als das explizit Dargestellte steht das Gemälde in Verbindung mit einem Prostituiertenmord zwei Jahre zuvor; seine Ausstellung löste einen Skandal aus. Sickert hat dieses Bild in mehreren Varianten gemalt, und die Ambiguität des Gemäldes zeigt sich darin, daß parallele Versionen die Titel "What Shall We Do for the Rent?" und "Summer Afternoon" trugen. Das Bild von 1909, von Sickert als Übung in der kontrastierenden Darstellung von bekleidetem und nacktem Fleisch bezeichnet, kaufte Paul Signac.

Virginia Woolf hat von den Bildern Sickerts einmal geschrieben: "Es ist schwer, sie zu betrachten, ohne sich eine Geschichte zu ihnen auszudenken." Geschichten hat sich Patricia Cornwell aufs nachdrücklichste ausgedacht, aber hat sie diese Bilder wirklich betrachtet? Für das reiche und komplexe OEuvre Sickerts interessiert sie sich nicht, ein OEuvre mit düsterer, erdfarbener Palette, das Werk eines Malers, der in den rührenden Glanz des Schäbigen und Billigen verliebt scheint, ein Werk, das viele Bilder umfaßt, in denen man auch solidarische oder fast zärtliche Darstellungen jener ärmlichen Frauen erblicken könnte - Frauen, die jedenfalls als Sujets erscheinen und nicht als Objekte. Ein Interesse hat sie nur an jenen Werkpartikeln, die in ihr törichtes Schema passen - so werden die Skizzen einzelner Körperteile oder Körperpartien, wie sie sich im zeichnerischen Nachlaß fast jedes an der Darstellung des Menschen interessierten Malers finden, zu Indizien für einen Drang zur Verstümmelung. Was jene Darstellungen "düsterer Schlafzimmer" zum Ausdruck bringen - eine sexuelle Machtphantasie oder deren ironische Ausstellung, einen lüsternen Traum oder ein Unbehagen, gar ein Entsetzen an solcher Lüsternheit: das läßt sich nie so genau sagen, wie die Autorin meint, die von der Kunst nichts versteht und gewiß nie begriffe, daß ein Bild eine gewisse Ambiguität haben kann. George Moore schrieb: "Die Natur hat Mr. Sickert mit einem regen Haß auf die Gemeinplätze ausgestattet." Vielleicht wollen solche Bilder düsterer schäbiger Zimmer nur festhalten, was der Titel von Sickerts wohl berühmtestem Gemälde (in der Tate Gallery) sagt: "Ennui".

Die Pathologie, von der wir augenblicklich immer wieder erfahren müssen, daß sie sowohl zur zeitgeschichtlichen Kolportage (das Gehirn Ulrike Meinhofs) wie zum Entertainment der Eventkultur eine intime Beziehung unterhält - sie ist im Kriminalroman auf einmal so etwas wie die letzte und naivste Hoffnung, nachdem alle klassischen Instanzen der Wahrheitsfindung dem Genre selbst zutiefst suspekt geworden sind: Die Polizei ist korrupt, der Geheimdienst monströs, der Detektiv ein ohnmächtiger Neurotiker oder ein hilfloser kleiner Angestellter. Aber das Skalpell lügt nicht, und es kann alles. Nachdem alle Konstruktionen von Heroismus und Gerechtigkeit bröckeln, erleben wir eine Rückkehr der reinen Wissenschaft, die sich eigentlich mit - sagen wir - R. Austin Freemans Dr. Thorndyke (1907 ff.) aus dem Genre verabschiedet hatte. Typisch für den klassischen Detektivroman war seither die unerschütterlich subalterne Rolle des forensischen Spezialisten Moers in seinem Labor am Quai des Orfèvres in den Maigret-Romanen. Nun aber ist die Wissenschaft einen seltsamen Augenblick lang wieder zum Hoffnungsträger des Kriminalromans geworden.

Die ungewöhnlich langweiligen, unbeholfenen und wiederholungsreichen Kay-Scarpetta-Romane von Patricia Cornwell, die, wie so viele andere, ihre Mediokrität mit gesteigerter perverser Gewalt zuzudecken suchen (und nebenbei die Imago einer starken Frau auf der Suche nach Gerechtigkeit verkaufen), sind eine modische Genre-Variante von sehr mäßigem Interesse. Der wichtigtuerische Anspruch der Kay-Scarpetta-Autorin, mit simuliertem Spezialwissen die definitive Lösung eines historischen Rätsels gefunden zu haben, wäre keiner besonderen Beachtung wert. Zunächst scheint der - wenn auch naive - Versuch einer Frau, einen Frauenmörder zu überführen, nicht unsympathisch, doch die Sympathie weicht angesichts der großen Leichtfertigkeit und zügellosen forensischen Selbstsicherheit - "Case Closed" - der Autodidaktin Patricia Cornwell einer Art Grauen. Jenem Grauen, das eine haßerfüllte Optik auslöst, die jedes Detail so dreht, daß es suggestiv werden soll, und dabei vor keiner Plumpheit und keiner Lächerlichkeit zurückschrickt - und beiläufig demonstriert, daß jemand tatsächlich noch heute die dissolute Lebensweise eines Malers und den Umstand, daß er die tristen Zimmer von Prostituierten auf beklemmende Weise gemalt hat, für schwerwiegende Verdachtsmomente halten kann. Patricia Cornwell hätte sich damit begnügen sollen, nach "Food to Die For: Secrets from Scarpetta's Kitchen" ein weiteres Kochbuch vorzulegen.

JOACHIM KALKA

Patricia Cornwell: "Wer war Jack the Ripper?" Porträt eines Killers. Aus dem Amerikanischen übersetzt von Hainer Kober. Verlag Hoffmann und Campe, Hamburg 2002. 415 S., geb., 22,90 [Euro].

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