Produktdetails
  • Verlag: DHV Der HörVerlag
  • Anzahl: 1 Audio CD
  • Erscheinungstermin: 27. August 2000
  • Sprache: Deutsch
  • ISBN-13: 9783895845154
  • Artikelnr.: 24374174
  • Herstellerkennzeichnung
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Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 13.02.1999

Anhaltend heiter
Michael Krügers lyrische Wettervorhersage ohne Tief

In schönem Widerspruch zu den gesellschaftskritischen Standardformeln der Literaturtheorie begreift Michael Krüger das lyrische Gedicht in unbeirrbarer Kontinuität als Instrument der Selbstvergewisserung, als Medium des festgehaltenen Augenblicks und des Eingedenkens. Gegen die "Diktatur des Geschwätzes" und der Nachrichtenflut erscheint das Gedicht bei ihm als ein Ort, in dem ein Ich in augenzwinkernder und melancholischer Unzeitgemäßheit mit sich selbst und manchmal sogar mit Gott Lesarten der Welt bespricht, sich von der Lesbarkeit der Welt als einer Bedingung der Möglichkeit des mehr oder weniger orientierten Weiterlebens überzeugt.

Zum Gedenken Joseph Brodskys heißt es bei Krüger: "Wir leben weiter. / Wir lesen oder schreiben weiter. / Wir sehen uns die Welt an, / Menschen, Steine, stolpern weiter." Ob "sich der Mensch noch nicht gefunden" oder "sich für immer verloren" hat, das steht unlesbar in den Sternen, aber noch in solcher Unentzifferbarkeit faßt sich ein Ich jenseits der "wichtigen Nachrichten".

Im Augenblick des Eingedenkens, so in der Erinnerung an den Tod Hans Blumenbergs, "ist es egal, ob unsere Welt / die ist, die wir wollen". Der Akt des Lesens ist selbst vitale, Beweglichkeit und Mündigkeit garantierende Sinnkonstitution, und so wird Blumenbergs als eines Wanderers gedacht, "der in der Nacht las / wie in einem Buch, ohne Anflug / von Respekt vor Blitz und Donner". Mehr denn je in Krügers Lyrik ist Erinnerung Totengedenken, aber gerade daraus folgt eine Maxime des Als-ob, die Verpflichtung, so zu lesen, zu leben und zu "gehen / als wäre der Tod / nicht im Schuh".

Denn die Toten helfen nicht weiter, und so ist Totengedenken immer auch mit dem Motiv des listigen Entrinnens verbunden. Im Schreiben weiß sich ein Ich in seinem Hiersein, aber es ist bei Krüger immer auch Flucht aus dem "geschlossenen Leben" in nicht besetzte Orte, in die Unverfügbarkeit: "Da spürte ich den Bleistift in der Manteltasche, / den Weggefährten, und machte mich klein und weg."

Solche Sätze gewinnen natürlich lebenspraktische Aussagekraft, wenn man sie auch als andere Seite des überbeschäftigten Verlagsleiters und Akteurs des Kulturbetriebs bedenkt. Krügers Lebensansichten sind zuweilen privatmythologisch unterlegt, aber ohne jegliche Mystifikation des schöpferischen Subjekts. Die Seele des Menschen ist nur draußen und nur durch einen liebenden Blick zu finden, in den Dingen, in der beseelten und belebten Landschaft als einem Gelesenen. Die aufklärende und aufmunternde Wirkung seiner Gedichte resultiert nicht aus der Beschwörung einer anderen Welt, sondern aus dem Blickwechsel zum Ungesehenen in dieser. FRIEDMAR APEL

Michael Krüger: "Wettervorhersage". Gedichte. Residenz Verlag, Salzburg und Wien 1998. 86 S., geb., 34,- DM.

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