Was tut man, wenn spätabends ein Elefant ans Fenster klopft? Wenn dieser Elefant aus dem Zoo ausgebrochen ist, um seine Großfamilie in Afrika zu besuchen? Und wenn er gar nicht weiß, wo Afrika überhaupt liegt? Man packt Äpfel, Kekse und einen Globus in den Rucksack und begleitet ihn. Genau das tun Joscha und Marie. So weit wird Afrika nicht sein, denken sie und erleben eine Reise, die alles übertrifft, was sie sich vorgestellt haben. Hörvergnügen vom Feinsten - erzählt von Martin Baltscheit (Deutscher Hörbuchpreis)
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 08.03.2014Wie man einen wilden Bären in den Winterschlaf erzählt
Traum oder Realität? Oliver Scherz schickt in seinem neuesten Buch zwei Kinder aus dem Bett direkt nach Afrika. Und feiert dabei das schiere Fabulieren.
Von Tilman Spreckelsen
Draußen stürmt es, drinnen liegen zwei Kinder in ihren Betten, die fünfjährige Marie und ihr siebenjähriger Bruder Joscha, und die alles entscheidende Frage steht gleich auf der ersten Seite dieses fabelhaften Kinderbuchs: "Wann kommen Papa und Mama wieder?"
Allein gelassen, haben also die Geschwister nun die Wahl, wie das alles zu deuten ist, der Regen, der Wind, die wüsten Schatten der Zweige an der Wand: Beruhigt das Geschehen, wiegt es in den Schlaf? Oder macht es Angst?
Oliver Scherz, der unlängst mit "Ben" ein sensibles Kinderbuchdebüt aus der Perspektive eines Vorschülers publizierte (F.A.Z. vom 30. November 2013), balanciert in seinem aktuellen Band "Wir sind nachher wieder da, wir müssen kurz nach Afrika" auf der Grenze zwischen Realität und Traum, zwischen hingenommenem und selbstgestaltetem Geschehen: Ein Elefantenrüssel klopft an die Scheibe, Joscha und Marie begleiten dessen Besitzer Abuu auf seiner Flucht aus dem Zoo bis nach Afrika - so weit das äußere Geschehen, das sich in einer raschen Bilderfolge von Meeressturm und Wüstenglut, von Fata Morgana, Dschungel und Steppe austobt und dabei nie einen Zweifel daran lässt, dass den Kindern kein Haar gekrümmt werden wird.
Der Autor aber macht in jeder Zeile deutlich, dass dies die Stationen einer durch die Protagonisten selbst entworfenen Geschichte sind, in der sich zwei auf sich selbst gestellte Kinder gegenseitig durch ein gemeinschaftliches Abenteuer bugsieren. Dazu gehört sein Präsensstil, der das zeitlose dieser Traumreise betont, der Wechsel zwischen raschen und retardierten Abläufen, unbekümmert um reale Entfernungen zwischen dem Wohnort der Kinder und dem Ziel Afrika, und dazu gehören die Begegnungen mit ebenso bedrohlichen wie sprachbegabten Raubtieren, mit Bär, Krake oder Löwe.
Vor allem aber gehört dazu die liebevolle Darstellung von Erzählsituationen, oft genug zur Gefahrenabwehr eingesetzt - der Bär wird etwa von den Kindern mit Geschichten in den Schlaf geflüstert, und die Reise selbst macht, im Dschungel als Pantomime aufgeführt, eine Affenhorde zahm. Alles geht, alles kommt zu einem guten Ende, wenn man nur davon zu erzählen weiß, so kann man sich das deuten.
Das aber ist in diesem Buch keine wohlfeile Hommage an die vermeintlich lebensrettende Macht der Literatur. Es erwächst aus der Ausgangssituation dieser Geschichte, aus dem Zimmer der beiden Kinder, aus ihrer Freude am Alleinsein, der Aufregung, der Angst.
"Joscha und Marie erzählen zusammen Geschichten, wie niemand sonst sie erzählt", heißt es einmal. Und so ist die abenteuerliche Reise, die am Ende aufs allerschönste in einer Interferenz von Afrika und Kinderzimmer mündet, nichts anderes als die Abbildung einer Weltschöpfung aus kindlicher Phantasie. Darauf, dass sie noch längst kein Ende erreicht hat, möchte man wetten.
Oliver Scherz: "Wir sind nachher wieder da, wir müssen kurz nach Afrika".
Mit Bildern von Barbara Scholz. Thienemann Verlag, Stuttgart 2014. 112 S., geb., 12,99 [Euro]. Ab 6 J.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Traum oder Realität? Oliver Scherz schickt in seinem neuesten Buch zwei Kinder aus dem Bett direkt nach Afrika. Und feiert dabei das schiere Fabulieren.
Von Tilman Spreckelsen
Draußen stürmt es, drinnen liegen zwei Kinder in ihren Betten, die fünfjährige Marie und ihr siebenjähriger Bruder Joscha, und die alles entscheidende Frage steht gleich auf der ersten Seite dieses fabelhaften Kinderbuchs: "Wann kommen Papa und Mama wieder?"
Allein gelassen, haben also die Geschwister nun die Wahl, wie das alles zu deuten ist, der Regen, der Wind, die wüsten Schatten der Zweige an der Wand: Beruhigt das Geschehen, wiegt es in den Schlaf? Oder macht es Angst?
Oliver Scherz, der unlängst mit "Ben" ein sensibles Kinderbuchdebüt aus der Perspektive eines Vorschülers publizierte (F.A.Z. vom 30. November 2013), balanciert in seinem aktuellen Band "Wir sind nachher wieder da, wir müssen kurz nach Afrika" auf der Grenze zwischen Realität und Traum, zwischen hingenommenem und selbstgestaltetem Geschehen: Ein Elefantenrüssel klopft an die Scheibe, Joscha und Marie begleiten dessen Besitzer Abuu auf seiner Flucht aus dem Zoo bis nach Afrika - so weit das äußere Geschehen, das sich in einer raschen Bilderfolge von Meeressturm und Wüstenglut, von Fata Morgana, Dschungel und Steppe austobt und dabei nie einen Zweifel daran lässt, dass den Kindern kein Haar gekrümmt werden wird.
Der Autor aber macht in jeder Zeile deutlich, dass dies die Stationen einer durch die Protagonisten selbst entworfenen Geschichte sind, in der sich zwei auf sich selbst gestellte Kinder gegenseitig durch ein gemeinschaftliches Abenteuer bugsieren. Dazu gehört sein Präsensstil, der das zeitlose dieser Traumreise betont, der Wechsel zwischen raschen und retardierten Abläufen, unbekümmert um reale Entfernungen zwischen dem Wohnort der Kinder und dem Ziel Afrika, und dazu gehören die Begegnungen mit ebenso bedrohlichen wie sprachbegabten Raubtieren, mit Bär, Krake oder Löwe.
Vor allem aber gehört dazu die liebevolle Darstellung von Erzählsituationen, oft genug zur Gefahrenabwehr eingesetzt - der Bär wird etwa von den Kindern mit Geschichten in den Schlaf geflüstert, und die Reise selbst macht, im Dschungel als Pantomime aufgeführt, eine Affenhorde zahm. Alles geht, alles kommt zu einem guten Ende, wenn man nur davon zu erzählen weiß, so kann man sich das deuten.
Das aber ist in diesem Buch keine wohlfeile Hommage an die vermeintlich lebensrettende Macht der Literatur. Es erwächst aus der Ausgangssituation dieser Geschichte, aus dem Zimmer der beiden Kinder, aus ihrer Freude am Alleinsein, der Aufregung, der Angst.
"Joscha und Marie erzählen zusammen Geschichten, wie niemand sonst sie erzählt", heißt es einmal. Und so ist die abenteuerliche Reise, die am Ende aufs allerschönste in einer Interferenz von Afrika und Kinderzimmer mündet, nichts anderes als die Abbildung einer Weltschöpfung aus kindlicher Phantasie. Darauf, dass sie noch längst kein Ende erreicht hat, möchte man wetten.
Oliver Scherz: "Wir sind nachher wieder da, wir müssen kurz nach Afrika".
Mit Bildern von Barbara Scholz. Thienemann Verlag, Stuttgart 2014. 112 S., geb., 12,99 [Euro]. Ab 6 J.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Diese Afrikareise aus dem Geist kindlicher Fantasie hat den Rezensenten Tilman Spreckelsen bezaubert. Was sich alles aus dem Kinderzimmer heraus erleben lässt, wenn es dunkel wird und zwei Geschwister sich etwas ausdenken, lässt Spreckelsen staunen. Da müssen Raubtiere besänftigt, Dschungel und Wüste durchquert und Stürme überstanden werden. Natürlich geht alles gut, meint Spreckelsen erleichtert. Umso mehr, als der Autor Oliver Scherz keine billige Hommage an Fantasie und Literatur daraus macht, wie der Rezensent betont, sondern ein "fabelhaftes" Kinderbuch.
© Perlentaucher Medien GmbH
© Perlentaucher Medien GmbH
"Ein hinreißendes Buch über Familienbande [...]" Eltern Family 20161201