INTERVIEW: BERNHARD AICHNERIhrem Buch „Yoko“ haben Sie Zeilen der großen Dichterin und Verzweifelten Christine Lavant vorangestellt. Warum dieses Zitat? Ich liebe Lyrik. Und Christine Lavant ist eine jener Autorinnen, die es mir ganz besonders angetan haben. Diese Zeilen, die ich „Yoko“ mit auf den Weg gegeben habe, beschreiben eine Stimmung, die sich im Buch wiederfindet. Verzweiflung, Wahnsinn, Raserei, Schmerz, Trauer. Aber auch ein wenig Hoffnung.
Ihre Bestseller der „Totenfrau“-Trilogie um Blum oder die Bronski- oder Max-Broll-Reihe verbindet eines: Broll ist Totengräber, Blum Bestatterin und Bronski fotografiert das Unglück, die Toten. Alle haben beruflich mit dem Tod zu tun. Auch „Yoko“ war früher Metzgerin. Was fasziniert Sie am Thema „Tod“? Der Tod ist mir in meinem Leben in vielen angsteinflößenden, verstörenden Facetten begegnet. Freiwillig und unfreiwillig. Als Ministrant am Friedhof, als Fotolaborant beim Entwickeln von
Bildern für den Tatortfotografen einer Boulevardzeitung, bei der schrecklichen Lawinenkatastrophe im österreichischen Galtür. Ich habe mit 14 Jahren sehr glücklich einen Autounfall überlebt, genauso wie…mehr INTERVIEW: BERNHARD AICHNER
Ihrem Buch „Yoko“ haben Sie Zeilen der großen Dichterin und Verzweifelten Christine Lavant vorangestellt. Warum dieses Zitat?
Ich liebe Lyrik. Und Christine Lavant ist eine jener Autorinnen, die es mir ganz besonders angetan haben. Diese Zeilen, die ich „Yoko“ mit auf den Weg gegeben habe, beschreiben eine Stimmung, die sich im Buch wiederfindet. Verzweiflung, Wahnsinn, Raserei, Schmerz, Trauer. Aber auch ein wenig Hoffnung.
Ihre Bestseller der „Totenfrau“-Trilogie um Blum oder die Bronski- oder Max-Broll-Reihe verbindet eines: Broll ist Totengräber, Blum Bestatterin und Bronski fotografiert das Unglück, die Toten. Alle haben beruflich mit dem Tod zu tun. Auch „Yoko“ war früher Metzgerin. Was fasziniert Sie am Thema „Tod“?
Der Tod ist mir in meinem Leben in vielen angsteinflößenden, verstörenden Facetten begegnet. Freiwillig und unfreiwillig. Als Ministrant am Friedhof, als Fotolaborant beim Entwickeln von Bildern für den Tatortfotografen einer Boulevardzeitung, bei der schrecklichen Lawinenkatastrophe im österreichischen Galtür. Ich habe mit 14 Jahren sehr glücklich einen Autounfall überlebt, genauso wie den Tsunami 2004 in Thailand. Das alles ging nicht spurlos an mir vorbei. Irgendwann habe ich für mich entschieden, dass mir eine tiefergehende Auseinandersetzung den Schrecken nehmen soll. Deshalb habe ich damals für die Recherche der „Totenfrau“-Trilogie begonnen, bei einem Bestattungsunternehmen mitzuarbeiten. Ich habe Leichen gewaschen und sie für die Bestattung vorbereitet. Eine ebenso intensive wie wertvolle Erfahrung. Es hat meinen Umgang mit dem Tod leichter gemacht, es half zu begreifen, dass wir alle irgendwann sterben müssen, dass jeder Tag, an dem wir leben, ein Geschenk ist. Und in diesem Sinne bin ich auch dem Tod von der Schippe gesprungen. Ich habe mich entschieden, Thriller zu schreiben, dem Tod auf literarische Art und Weise zu begegnen, um ihm den Schrecken zu nehmen. Ich würde sagen, der Plan ist aufgegangen, die Fiktion hilft wahrscheinlich nicht nur mir, den Tod als Teil unseres Lebens zu akzeptieren und friedlich mit ihm zu leben.
Wie so oft in Ihren Büchern bricht in ein scheinbar normales Leben etwas ein, das alles verändert. „Yoko“ ist die Geschichte eines Opfers und die Geschichte einer Mörderin. Wie gelingt es Ihnen, all das so dicht zu erzählen, wie Sie es tun?
Ich bin ein sehr empathischer Mensch, versuche mein Gegenüber zu respektieren und ernst zu nehmen. Ich beobachte gerne, höre zu, lerne im Umgang mit Menschen. Meine Aufgabe als Autor sehe ich darin, meine Leser:innen zu berühren, mit dem was ich mache, all mein Wissen und mein Gespür einzubringen. Nach dem Vorbild der Welt, die sich mir täglich offenbart, versuche ich, meine Figuren so echt wie möglich zu zeichnen. Mit allem, was sie denken und fühlen. Alles, was emotional geschieht, ist von mir am Schreibtisch einmal durchlebt worden, ich liebe und hasse für meine Figuren, ich spüre den Zorn und die Wut. Manchmal weine ich auch. Ist schon hart, was ich meiner Heldin zumute.
Was fasziniert Sie daran, immer wieder von sehr starken Frauen zu erzählen, die sich rächen?
Frauen erheben sich über die Gewalt der Männer. Das ist an sich schon eine schöne Geschichte. Selbstermächtigung statt Duldsamkeit. Ich drehe den Spieß um und sorge auf gewisse Weise für Gleichberechtigung.
Yoko hat es auf ihrem Rachefeldzug mit der chinesischen Mafia zu tun. Wie lange recherchieren Sie zu solch einem Thema?
So lange es nötig ist. Bis ich die Thematik verstanden habe. Mich einfinden kann in dieser Welt, die ich darstelle. Ich schaffe Settings für den Leser, in denen er sich mit seiner Fantasie ausbreiten kann, die Rahmenbedingungen müssen stimmen, die Details, wenn sie eine wichtige Rolle spielen. Recherche ist wichtig. Basis für eine ungezügelte Kreativität.
Sie haben Germanistik studiert und auch lange als Fotojournalist gearbeitet. Was bedeutet Ihnen das Schreiben heute? Und hat sich das im Lauf der Jahre durch Ihren Erfolg als Autor verändert?
Ich fühle mich sehr befreit. Mein Ton hat sich in den vergangenen 20 Jahren von Buch zu Buch entwickelt, ich erzähle meine Geschichten mit meinem ganz eigenen Sound, gehe dramaturgisch immer wieder neue Wege. Ich habe das Glück, vom Schreiben leben zu dürfen, und kann mich ganz darauf konzentrieren. Der Druck nimmt mit zunehmendem Erfolg also bei mir ab. Je älter ich werde, desto gelassener und experimentierfreudiger werde ich. Es macht mir Freude, Herausforderungen anzunehmen und am Ende abzuliefern. Das Schreiben ist für mich der schönste Beruf der Welt.
Was können Sie uns über „John“, die Fortsetzung von „Yoko“, verraten, die für Sommer 2025 geplant ist?
„John“ erzählt Yokos Geschichte weiter. Ich kann nur so viel versprechen: Es wird noch spannender, noch unberechenbarer, noch blutiger. Am 17. Juni 2025 dürfen sich alle gerne selbst davon überzeugen. (Lacht)
Interview: Literaturtest, 2024