In einer auf Zellengröße geschrumpften Welt gewinnt jedes Detail an Bedeutung: die geschriebenen und ungeschriebenen Regeln des Alltags, die offenen und versteckten Erniedrigungen, die großen und kleinen Träume. Pointiert und ironisch, mit bitterem, aber nie verbittertem Humor erzählt Maxim Znak vom Alltag in der belarussischen Gefängniswelt, von Szenen des Widerstands und der Selbstbehauptung, vom leisen und lauten Verrücktwerden.Maxim Znak, Jahrgang 1982, prominenter Anwalt der friedlichen belarussischen Protestbewegung, wurde im September 2020 verhaftet. Sein »Zekamerone«, eine Sammlung von einhundert »mini stories«, hat er während des ersten Jahres in wechselnden Untersuchungsgefängnissen in ein Notizbuch geschrieben. Im September 2021 wurde er wegen »Gründung einer Terrororganisation« zu zehn Jahren Strafkolonie verurteilt.
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Seit Anfang 2023 gibt es kein Lebenszeichen mehr von Rechtsanwalt Maxim Znak, der die hier versammelten Textminiaturen auf Zetteln aus dem belarussischen Gefängnis geschmuggelt hat, hält Rezensent Alexander Kosenina fest. "Tragikkomik" zeichnet die Skizzen aus dem Gefängnisalltag aus, die Bjarne Mädel hier in einer "engagierten Lesung" vorträgt, meint der Kritiker. Es könnte die nüchterne Schreibweise des Juristen sein, die in seinen Schilderungen alltäglicher Demütigungen, Korruption und Sadismus, die "Anatomie des Bösen" um so deutlicher hervortreten lässt, vermutet Kosenina: Was schockiert, wird so gleichzeitig ins Lächerliche gezogen und enttarnt die Peiniger als das, was sie sind: tumbe "Barbaren", die gegen die Freiheit und Subtilität des Geistes am Ende den Kürzeren ziehen.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 24.03.2023Schreiben in der Hütte
"Das Untersuchungsgefängnis. Eine Galaxie mit ihren Sternsystemen der verschiedenen Trakte und weiteren Verzweigungen. Jede Zelle ist ein Planet, eine eigene Welt mit eigener Biosphäre, eigenen Gesetzen, Bräuchen und Memes." So beginnt eine der hundert kurzen Geschichten, die Maxim Znak in weißrussischen Gefängnissen geschrieben hat. Im September 2020 war der Anwalt, der für die nach und nach ausgeschaltete Opposition gearbeitet und zuletzt deren Koordinierungsrat angehört hatte, verhaftet worden, ein Jahr später wurde er zu zehn Jahren im Straflager verurteilt.
Das erste Publikum, das sich die Geschichten anhörte, waren die Mitgefangenen, die in diesem "Zekamerone" - "zek" ist ein russisches Wort für Häftling - auch ihre Auftritte haben. Und man glaubt sofort, was Valzhyna Mort in ihrem Nachwort festhält, dass sie zuhörten und lachten: über die in Szene gesetzten Vorschriften, Bräuche, Rituale und Gewohnheiten, die ihr Leben in der Gefängniswelt bestimmen. Denn hier schreibt einer, der sich von dieser Welt, in die er gefallen ist, nicht den offenen Blick austreiben lässt und der überdies so geschickt ist, sie in pointiert formulierten, mild ironisch geprägten, ganz knapp gefassten Texten aufzufächern, die glücklicherweise irgendwie nach draußen gelangen konnten.
Natürlich, diese Autorschaft ist eine besondere, kein Schriftsteller hat sich da in Ruhe hingesetzt, um an seinem Debüt zu feilen, sondern teilte sich mit acht anderen, wechselnden Häftlingen die achtzehn Quadratmeter der "Hütte", wie die Zelle von ihnen genannt wird. Aber festhalten muss man doch, dass hier ein exzellenter Erzähler am Werk ist, um sich von den Verhältnissen, über die der Leser fast beiläufig viel erfährt, nicht unterkriegen zu lassen. HELMUT MAYER
Maxim Znak: "Zekamerone". Geschichten aus dem Gefängnis.
Aus dem Russischen von Henriette Reisner und Volker Weichsel. Mit einem Nachwort von Valzhyna Mort. Suhrkamp Verlag, Berlin 2023. 242 S., br., 20,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
"Das Untersuchungsgefängnis. Eine Galaxie mit ihren Sternsystemen der verschiedenen Trakte und weiteren Verzweigungen. Jede Zelle ist ein Planet, eine eigene Welt mit eigener Biosphäre, eigenen Gesetzen, Bräuchen und Memes." So beginnt eine der hundert kurzen Geschichten, die Maxim Znak in weißrussischen Gefängnissen geschrieben hat. Im September 2020 war der Anwalt, der für die nach und nach ausgeschaltete Opposition gearbeitet und zuletzt deren Koordinierungsrat angehört hatte, verhaftet worden, ein Jahr später wurde er zu zehn Jahren im Straflager verurteilt.
Das erste Publikum, das sich die Geschichten anhörte, waren die Mitgefangenen, die in diesem "Zekamerone" - "zek" ist ein russisches Wort für Häftling - auch ihre Auftritte haben. Und man glaubt sofort, was Valzhyna Mort in ihrem Nachwort festhält, dass sie zuhörten und lachten: über die in Szene gesetzten Vorschriften, Bräuche, Rituale und Gewohnheiten, die ihr Leben in der Gefängniswelt bestimmen. Denn hier schreibt einer, der sich von dieser Welt, in die er gefallen ist, nicht den offenen Blick austreiben lässt und der überdies so geschickt ist, sie in pointiert formulierten, mild ironisch geprägten, ganz knapp gefassten Texten aufzufächern, die glücklicherweise irgendwie nach draußen gelangen konnten.
Natürlich, diese Autorschaft ist eine besondere, kein Schriftsteller hat sich da in Ruhe hingesetzt, um an seinem Debüt zu feilen, sondern teilte sich mit acht anderen, wechselnden Häftlingen die achtzehn Quadratmeter der "Hütte", wie die Zelle von ihnen genannt wird. Aber festhalten muss man doch, dass hier ein exzellenter Erzähler am Werk ist, um sich von den Verhältnissen, über die der Leser fast beiläufig viel erfährt, nicht unterkriegen zu lassen. HELMUT MAYER
Maxim Znak: "Zekamerone". Geschichten aus dem Gefängnis.
Aus dem Russischen von Henriette Reisner und Volker Weichsel. Mit einem Nachwort von Valzhyna Mort. Suhrkamp Verlag, Berlin 2023. 242 S., br., 20,- Euro.
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»100 hochkonzentrierte Texte, in denen sich Maxim Znak mutig gegen das Regime Lukaschenko erhebt und den Widerstand in der Sprache weiterführt.« Sylke Gruhnwald NZZ am Sonntag 20230326