Produktdetails
- Anzahl: 2 Vinyls
- Erscheinungstermin: 7. Juni 2013
- Hersteller: Universal Vertrieb - A Divisio / Mercury,
- EAN: 0602537349609
- Artikelnr.: 37542025
- Herstellerkennzeichnung
- Universal Music GmbH
- Mühlenstr. 25
- 10243 Berlin
- productsafety@umusic.com
LP 1 | |||
1 | End Of The Beginning | 00:08:06 | |
2 | God Is Dead? | 00:08:52 | |
3 | Loner | 00:05:00 | |
4 | Zeitgeist | 00:04:38 | |
LP 2 | |||
1 | Age Of Reason | 00:07:01 | |
2 | Live Forever | 00:04:47 | |
3 | Damaged Soul | 00:07:52 | |
4 | Dear Father | 00:07:20 |
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.06.2013Hier kommt die Mollabfuhr
Fieser als drei Wagner-Jahre hintereinander: Das Album "13" von Black Sabbath
Wenn Ozzy Osbourne singt, klingt das, je älter, derangierter und desolater dieser in faltige Menschenhaut eingenähte, ausgetrocknete Molch wird, immer deutlicher so, als geschähe es mit weit aufgerissenen Augen, weil er darüber staunen muss, dass er zwar längst tot ist, aber immer noch quäkt und quengelt. Mascara und Bitternis rinnen seine eingefallenen Wangen herunter. Er leckt sich's von den Lippen. Es schmeckt nach Schlangenblut und abgestandenem Fegefeuer.
"13" ist, damit die Mathematik sich aufregt, nicht die dreizehnte, sondern eher die neunzehnte oder zwanzigste oder sonstwievielte Studioplatte der Heavy-Metal-Band Black Sabbath - es kommt für die richtige Zählung ganz darauf an, welche Zusammenstellungen von Personen man "Black Sabbath" nennen möchte (dazu später).
Das Ding erscheint heute auf sogenannten Märkten, die sich in Zeiten von Spotify und iTunes selbst kaum noch ernst nehmen. Der Werbeaufwand, den der Unterhaltungskonzern Universal vorab in die Atmosphäre gepustet hat, ist von lächerlich weltfremden Dimensionen. Der berühmte Produzent Rick Rubin hat die Platte, stinkfaul und überbezahlt, wie er als Genie naturgemäß ist, ohne Hast mit Löschpapier kratzig gebürstet, bis man vom bloßen Nebenherhinhören schon Lungenentzündung kriegt. Frohlocket: Es ist tatsächlich ein Album geworden. Das heißt, "13" bietet einen dramatischen Bogen, der von der teerschokoladenschwarzen Eröffnungsnummer "End of The Beginning" bis zum eckigen Stampfbraten-Finale "Dear Father" unter einer Spannung steht, die man in Erweiterung von Sigmund Freuds "Unbehagen in der Kultur" wohl ein "Unbehagen im Universum" nennen darf: "The cat-e-chism of an eeevil messiah."
Ein Album? Wie in: Liederkranz? Rock-Roman? Leute über sechzig sind wahrscheinlich die Allerletzten, die noch wissen, wie das geht - und dass man sich, damit es funktioniert, zwischendurch auch mal für ein paar verplemperte Minuten langweilen muss (dabei hilft hier ein verkochter und zerlaufener Sumpfkadaver aus gezupfter Unentschlossenheit und Eurhythmie-Klopfzeichen namens "Zeitgeist" - na gut, die verblödeten Smashing Pumpkins haben ja auch mal eines ihrer Erzeugnisse so genannt, passt schon). Der Gitarrist Tony Iommi bedankt sich im Beiheft bei der modernen Medizin. Er ist seit einiger Zeit krank und hätte ohne Sanitäter die Aufnahmen zu "13" nicht durchstehen können - umso liebenswerter, dass seine Gitarrensoli, am schönsten auf dem kompositorisch zwischen Schweben, Abstürzen und schwindelinduzierender Spiralbewegung vollendet ausbalancierten Stück "Live Forever", auch heute noch gelegentlich diesen kleinen kniffligen Metallpuzzles aus zwei ineinander verhakten krummen Miniskulpturen ähneln, die man mit Verstand und festen Fingernägeln irgendwie auseinanderkriegen muss - nur dass Iommi sie stattdessen immer auswegloser ineinanderdreht und dann irgendwann desinteressiert fallenlässt, klonk, vorbei. Teuflisch.
Anders als 67 Prozent aller schlechten Kinofilme und etwa die Hälfte der gebräuchlichen Haushaltsreiniger enthält diese Platte keine hypnotischen Mitteilungen der Scientology-Sekte. Für Scientology ist diese Band nämlich zu alt und zu dumm; die bleibt lieber bei ihrem Satan. Der hat ihr ungefähr 1969 erzählt, dass die Moll-Tonfamilie die wichtigste Errungenschaft der abendländischen Verdrusskunst ist. Das Stück auf dem Debütalbum von 1970, das so heißt wie die Platte und die Band, beweist diesen Ansatz in Gestalt eines der besten Powerchords (eine Akkordsorte, die für den Heavy Metal das ist, was der Dreiklang den Rheintöchtern sein soll) der Rockgeschichte. Mit einem Echo davon endet "13". Das Signal, das 1970 Laut gab, konnte sich umso weiter herumsprechen, als es nicht eben hektisch ausgesandt wurde: Das Verschleppte, Gebremste, bockig Träge bleibt Black Sabbaths Lieblingsmodus. Auf "13" macht der Bassist (und Hauptlyriker) der Band, Geezer Butler, seinem legendären Namen damit Ehre, dass er demonstriert, wie viele verschiedene Spielweisen jenes Grundkonzept "nicht so hibbelig, bitte" umfasst: Man kann für alles ewig brauchen (larghissimo), aus Eigenschwere immer langsamer werden (ritardando) oder sich weigern, den nächsten Schritt im erwarteten Tempo zu tun (ritenendo). Wenn man richtig gut ist, lässt sich das kombinieren: Unwillig losschlurfen, dann auch noch stehenbleiben, den Rollladen runterziehen und das große kosmische Wrrrröööärrm nachschwingen lassen, bis die Zeit, die der Klang sich nimmt, zwischen Monotonie und Monodie krümelbröselnd zu Nichts zerfällt. Und erst diese feinen Intros immer: bizarres Pfeifen und vollreifer Hall, verwirrtes Lachen, Frequenzteppiche, aus denen mit der Pegelpinzette einzelne Sirrfäden gezupft werden - Hörspielpreis der Kriegsblinden, ruf doch mal an.
Ans Schlagzeug haben die drei Nachlassverwalter ihrer selbst einen braven Kompetenzbolzen gesetzt: Brad Wilk, bekannt von Rage Against The Machine, Audioslave und dem Dreikönigstreffen der FDP. Ist das jetzt eine "Wiedergeburt" von Black Sabbath, oder wie geht die passende Journalistenphrase?
Nein, die Wiedergeburt, wenn man derlei denn braucht, fand schon 2009 statt, mit Ronnie James Dio, dem anderen, vor drei Jahren leider auf einem der vielen Höhepunkte seines Könnens verstorbenen Sänger von Black Sabbath (und Rainbow, und überhaupt). Damals, für ein Produkt namens "The Devil You Know", nannte man sich "Heaven & Hell", nach einer Platte, die Dio mit Black Sabbath 1980 aufgenommen hatte. "13" ist, anders als das Werk von 2009, eher eine Art (erster? letzter? mittlerer?) Kilometerstein auf dem Weg ins Grab. Der Weg darf ruhig etwas länger sein, man hat ja Zeit.
Natürlich gibt es heute in jedem zweiten schwedischen Dorf drei Kellerbands, die das, was Black Sabbath einst erfanden, komplizierter, kulinarisch verfeinert, vielleicht sogar technisch versierter zusammenhacken können - aber das sind dann sozusagen mehrfarbige Tätowierungen aus dem klimaregulierten Körperschmuckstudio, während "13" eben ein im Knast mit einem Gerät aus Nähnadel und elektrischer Zahnbürste auf den Oberarm gestochenes Pentagramm ist: Unhygienisch, ohne Nachsorge, in ranziger Tusche ausgeführt.
Ist das zeitgemäß? Während wir alle dauernd an unseren Smartphones rumdiddeln, auf irgendein Tablet starren oder anderweitig weggetreten sind, waren Black Sabbath noch nie ganz da. Heute wird daraus pure Lebenshilfe: Die Welt mag von solchen Mumien ja nichts wissen wollen, aber diese Mumien gewinnen dennoch, weil sie von der Welt eben noch viel weniger wissen wollen, ätsch.
Wer die Gegenwart derart gering achtet, dem gehören Vergangenheit und Zukunft. Auf "13" ächzt, blitzt und wurstelt der demographische Wandel höchstpersönlich, als kriechender, heimatloser, wohltemperiert verstimmter Todesbote: Es ist alles eitel, hau rein.
DIETMAR DATH
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Fieser als drei Wagner-Jahre hintereinander: Das Album "13" von Black Sabbath
Wenn Ozzy Osbourne singt, klingt das, je älter, derangierter und desolater dieser in faltige Menschenhaut eingenähte, ausgetrocknete Molch wird, immer deutlicher so, als geschähe es mit weit aufgerissenen Augen, weil er darüber staunen muss, dass er zwar längst tot ist, aber immer noch quäkt und quengelt. Mascara und Bitternis rinnen seine eingefallenen Wangen herunter. Er leckt sich's von den Lippen. Es schmeckt nach Schlangenblut und abgestandenem Fegefeuer.
"13" ist, damit die Mathematik sich aufregt, nicht die dreizehnte, sondern eher die neunzehnte oder zwanzigste oder sonstwievielte Studioplatte der Heavy-Metal-Band Black Sabbath - es kommt für die richtige Zählung ganz darauf an, welche Zusammenstellungen von Personen man "Black Sabbath" nennen möchte (dazu später).
Das Ding erscheint heute auf sogenannten Märkten, die sich in Zeiten von Spotify und iTunes selbst kaum noch ernst nehmen. Der Werbeaufwand, den der Unterhaltungskonzern Universal vorab in die Atmosphäre gepustet hat, ist von lächerlich weltfremden Dimensionen. Der berühmte Produzent Rick Rubin hat die Platte, stinkfaul und überbezahlt, wie er als Genie naturgemäß ist, ohne Hast mit Löschpapier kratzig gebürstet, bis man vom bloßen Nebenherhinhören schon Lungenentzündung kriegt. Frohlocket: Es ist tatsächlich ein Album geworden. Das heißt, "13" bietet einen dramatischen Bogen, der von der teerschokoladenschwarzen Eröffnungsnummer "End of The Beginning" bis zum eckigen Stampfbraten-Finale "Dear Father" unter einer Spannung steht, die man in Erweiterung von Sigmund Freuds "Unbehagen in der Kultur" wohl ein "Unbehagen im Universum" nennen darf: "The cat-e-chism of an eeevil messiah."
Ein Album? Wie in: Liederkranz? Rock-Roman? Leute über sechzig sind wahrscheinlich die Allerletzten, die noch wissen, wie das geht - und dass man sich, damit es funktioniert, zwischendurch auch mal für ein paar verplemperte Minuten langweilen muss (dabei hilft hier ein verkochter und zerlaufener Sumpfkadaver aus gezupfter Unentschlossenheit und Eurhythmie-Klopfzeichen namens "Zeitgeist" - na gut, die verblödeten Smashing Pumpkins haben ja auch mal eines ihrer Erzeugnisse so genannt, passt schon). Der Gitarrist Tony Iommi bedankt sich im Beiheft bei der modernen Medizin. Er ist seit einiger Zeit krank und hätte ohne Sanitäter die Aufnahmen zu "13" nicht durchstehen können - umso liebenswerter, dass seine Gitarrensoli, am schönsten auf dem kompositorisch zwischen Schweben, Abstürzen und schwindelinduzierender Spiralbewegung vollendet ausbalancierten Stück "Live Forever", auch heute noch gelegentlich diesen kleinen kniffligen Metallpuzzles aus zwei ineinander verhakten krummen Miniskulpturen ähneln, die man mit Verstand und festen Fingernägeln irgendwie auseinanderkriegen muss - nur dass Iommi sie stattdessen immer auswegloser ineinanderdreht und dann irgendwann desinteressiert fallenlässt, klonk, vorbei. Teuflisch.
Anders als 67 Prozent aller schlechten Kinofilme und etwa die Hälfte der gebräuchlichen Haushaltsreiniger enthält diese Platte keine hypnotischen Mitteilungen der Scientology-Sekte. Für Scientology ist diese Band nämlich zu alt und zu dumm; die bleibt lieber bei ihrem Satan. Der hat ihr ungefähr 1969 erzählt, dass die Moll-Tonfamilie die wichtigste Errungenschaft der abendländischen Verdrusskunst ist. Das Stück auf dem Debütalbum von 1970, das so heißt wie die Platte und die Band, beweist diesen Ansatz in Gestalt eines der besten Powerchords (eine Akkordsorte, die für den Heavy Metal das ist, was der Dreiklang den Rheintöchtern sein soll) der Rockgeschichte. Mit einem Echo davon endet "13". Das Signal, das 1970 Laut gab, konnte sich umso weiter herumsprechen, als es nicht eben hektisch ausgesandt wurde: Das Verschleppte, Gebremste, bockig Träge bleibt Black Sabbaths Lieblingsmodus. Auf "13" macht der Bassist (und Hauptlyriker) der Band, Geezer Butler, seinem legendären Namen damit Ehre, dass er demonstriert, wie viele verschiedene Spielweisen jenes Grundkonzept "nicht so hibbelig, bitte" umfasst: Man kann für alles ewig brauchen (larghissimo), aus Eigenschwere immer langsamer werden (ritardando) oder sich weigern, den nächsten Schritt im erwarteten Tempo zu tun (ritenendo). Wenn man richtig gut ist, lässt sich das kombinieren: Unwillig losschlurfen, dann auch noch stehenbleiben, den Rollladen runterziehen und das große kosmische Wrrrröööärrm nachschwingen lassen, bis die Zeit, die der Klang sich nimmt, zwischen Monotonie und Monodie krümelbröselnd zu Nichts zerfällt. Und erst diese feinen Intros immer: bizarres Pfeifen und vollreifer Hall, verwirrtes Lachen, Frequenzteppiche, aus denen mit der Pegelpinzette einzelne Sirrfäden gezupft werden - Hörspielpreis der Kriegsblinden, ruf doch mal an.
Ans Schlagzeug haben die drei Nachlassverwalter ihrer selbst einen braven Kompetenzbolzen gesetzt: Brad Wilk, bekannt von Rage Against The Machine, Audioslave und dem Dreikönigstreffen der FDP. Ist das jetzt eine "Wiedergeburt" von Black Sabbath, oder wie geht die passende Journalistenphrase?
Nein, die Wiedergeburt, wenn man derlei denn braucht, fand schon 2009 statt, mit Ronnie James Dio, dem anderen, vor drei Jahren leider auf einem der vielen Höhepunkte seines Könnens verstorbenen Sänger von Black Sabbath (und Rainbow, und überhaupt). Damals, für ein Produkt namens "The Devil You Know", nannte man sich "Heaven & Hell", nach einer Platte, die Dio mit Black Sabbath 1980 aufgenommen hatte. "13" ist, anders als das Werk von 2009, eher eine Art (erster? letzter? mittlerer?) Kilometerstein auf dem Weg ins Grab. Der Weg darf ruhig etwas länger sein, man hat ja Zeit.
Natürlich gibt es heute in jedem zweiten schwedischen Dorf drei Kellerbands, die das, was Black Sabbath einst erfanden, komplizierter, kulinarisch verfeinert, vielleicht sogar technisch versierter zusammenhacken können - aber das sind dann sozusagen mehrfarbige Tätowierungen aus dem klimaregulierten Körperschmuckstudio, während "13" eben ein im Knast mit einem Gerät aus Nähnadel und elektrischer Zahnbürste auf den Oberarm gestochenes Pentagramm ist: Unhygienisch, ohne Nachsorge, in ranziger Tusche ausgeführt.
Ist das zeitgemäß? Während wir alle dauernd an unseren Smartphones rumdiddeln, auf irgendein Tablet starren oder anderweitig weggetreten sind, waren Black Sabbath noch nie ganz da. Heute wird daraus pure Lebenshilfe: Die Welt mag von solchen Mumien ja nichts wissen wollen, aber diese Mumien gewinnen dennoch, weil sie von der Welt eben noch viel weniger wissen wollen, ätsch.
Wer die Gegenwart derart gering achtet, dem gehören Vergangenheit und Zukunft. Auf "13" ächzt, blitzt und wurstelt der demographische Wandel höchstpersönlich, als kriechender, heimatloser, wohltemperiert verstimmter Todesbote: Es ist alles eitel, hau rein.
DIETMAR DATH
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main