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Produktdetails
Trackliste
CD
1Tattoo00:04:44
2She's The Woman00:02:57
3You And Your Blues00:03:43
4China Town00:03:15
5Blood And Fire00:04:26
6Bullethead00:02:31
7As Is00:04:47
8Honeybabysweetiedoll00:03:47
9The Trouble With Never00:03:59
10Outta Space00:02:54
11Stay Frosty00:04:08
12Big River00:03:51
13Beats Workin'00:05:03
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 09.02.2012

Die Äxte der Dickköpfe

Nur echt mit den drei Streifen: Die Hardrockband Van Halen ist glücklich wiedervereint mit dem Original-Sänger David Lee Roth und macht Rummsrock, bei dem die Richtung stimmt.

Das V schmiegt sich ans H, und links und rechts stechen drei triumphale Streifen heraus: Die Zeit, in der dieses Bandlogo auf Schultische gemalt wurde, scheint so unendlich weit entfernt. Am ehesten vergegenwärtigen kann man sie sich anhand eines Films von 1979 mit dem Titel "Over the Edge": Vandalismus war das Thema, und Matt Dillon in seiner ersten Filmrolle verkörperte es zu Van Halens Hardrock-Version des Kinks-Klassikers "You Really Got Me". Der Film wurde bald verboten.

Nicht zu bremsen war dagegen die kalifornische Jugendbande um die Brüder Edward und Alex van Halen an Gitarre und Schlagzeug, den Bassisten Michael Anthony und den Sänger David Lee Roth. Von 1978 bis 1983 veröffentlichte sie jedes Jahr ein Album, das mindestens Platinstatus erreichte, vom selbstbetitelten Debüt bis zu jenem orwellianisch anmutenden "1984", das den fröhlichen Hit "Jump" enthielt, aber mit seinem Coverbild schon wieder Anstoß erregte: Ein Engelskindchen genehmigte sich darauf seine erste Zigarette.

Van Halen waren eben eine erklärte Partyband, deren Charakter der Frontmann Roth wohl selbst am besten beschrieben hat: Der Glitzerfaktor der Bee Gees traf auf den Punk der Sex Pistols. Wirklich anarchisch war die Gruppe aber keineswegs; der Besuch einer Van-Halen-Show sollte vielmehr den Höhepunkt einer lange aufgestauten Triebabfuhr darstellen, für die man wochenlang seine Schlaghosen bügelte und stärkte, danach aber wieder zurück zur Schule gehen konnte - so erzählt es Roth in seinem auch musikgeschichtlich überaus lesenswerten Buch "Crazy from the Heat".

Was diese Konzerte zu einer solchen Attraktion machte, waren aber nicht nur die athletischen Sprünge des flamboyanten Sängers in unglaublichen Hosen, sondern vor allem die völlig neue Spieltechnik des Gitarristen Edward van Halen, der mit ungekannter Schnelligkeit Arpeggien spielte, indem er eine selbstentwickelte Art des Fingertappings anwandte - und das dazu noch auf einer feuerroten Stratocaster mit anarchistischen weißen Streifen. "Eruption" heißt eines seiner Solostücke bezeichnend, und Frank Zappa sagte bewundernd, Eddie Van Halen habe das Gitarrenspiel neu erfunden.

1985 kam es zum Bruch zwischen Sänger und Band, und es folgte eine zweite Phase von Van Halen mit dem so ganz anderen Sammy Hagar. Der war zwar auch athletisch und lieferte sich zudem Gitarrenschlachten mit Eddie; seine Zeit mit der Band steht aber stärker im Zeichen der monothematischen Rockballaden mit Keyboard-Klangteppich, die es früher bei Van Halen nicht gab: "Why Can't This Be Love" (1986), "When It's Love" (1988) und "Don't Tell Me (What Love Can Do)" (1995).

Während sich eingefleischte Fans noch stritten, wer nun der bessere Sänger sei, wurden Van Halen wie viele Alt-Rocker Mitte der Neunziger zunehmend schwer vermittelbar, und auch Kleidungsstil und Frisuren litten unter Anpassungsschwierigkeiten. Der nächste Versuch der Band mit dem Sänger Gary Cherone schließlich zeitigte 1998 ein so blasses Album, dass er heute schon fast wieder vergessen ist.

Die Jahre seitdem brachten einen fortwährenden Gerüchtezirkus um die Rückkehr des einen oder anderen Sängers, allerdings nie neues Material bis auf wenige bedeutungslose Songs für Best-of-Zusammenstellungen. Von Eddie Van Halen war nur noch in den vermischten Meldungen zu lesen. Eine wohl eher aus der Not geborene Reunion-Tour mit David Lee Roth markierte 2007 den Tiefpunkt, wie im nun angebrochenen Youtube-Zeitalter auch in zahlreichen Konzertvideos gnadenlos deutlich wurde: verpasste Einsätze, vergurkte Soli. "Dude, deine Axt ist total verstimmt!", schallte es Eddie Van Halen erbost aus den Kommentarspalten entgegen. Seine Band war am Ende, musste man annehmen.

Vor diesem Hintergrund ist das nun erschienene Album "A Different Kind Of Truth" überraschend. Es knüpft da an, wo Van Halen einst begonnen haben. Alles ist wieder da: Ein Stakkato-Gitarrenriff mit dem typischen "brown sound" eröffnet "You and Your Blues"; der um 1979 avantgardistische Speed-Metal von "Light Up the Sky" klingt jetzt in "China Town" wieder an. Tatsächlich beruhen einige der Stücke wohl auf Ideen aus ganz frühem, unveröffentlichtem Material noch vor dem ersten Album.

Auch die wummernden Sechzehntel der stets mit dem Schlagzeug durchgespielten Basslinie klingen wie anno dazumal, auch wenn sie heute nicht mehr von Michael Anthony, sondern von Eddie Van Halens Sohn Wolfgang angeschlagen werden. Beim siebten Lied, "As Is", ist es dann so weit: Väterchens lang erwartetes Tappingsolo explodiert in den Raum, während Onkel Alex an der Schießbude wohl bald die Hände abfallen müssen. Dass man diesen Rummsrock nicht über den Flüstertütenlautsprecher eines Computers hören kann, versteht sich von selbst.

David Lee Roth verausgabt sich wie ehedem eher als Shouter denn als Sänger und hat gelegentlich rauchig-tiefe Sprechpassagen. Ein so schönes Timbre wie Sammy Hagar wird er nicht mehr erreichen. Während Hagar allerdings oft nicht mehr mitzuteilen hatte als "Trinkt mehr Tequila", ist Roth wohl zumindest der gewitztere Texter: "How many roads must a man walk down / Before he admits he's lost?", singt er in einem Stück über Dickköpfe, "Bullethead". Man könnte die Stelle als selbstironische Spiegelung der Abwege des reumütig zurückgekehrten Roth verstehen, der nun glücklich mit seiner Kapelle aus Schulzeiten wiedervereint ist.

Eines fehlt aber: das besondere Stück auf dem Album, das vollkommen aus dem Rahmen fällt. Auch dies war ein Markenzeichen der frühen Van Halen, das ihnen noch keine der heute jungen und wilden Rockbands nachgemacht hat: Da war eben plötzlich dieses nur einminütige "Spanish Fly", bei dem Eddie auf einer Flamencogitarre seine Kunst demonstrierte, oder auf dem Album "Diver Down" (1982) das Dixieland-Stück "Big Bad Bill" mit Vater Jan Van Halen an der Klarinette. "Stay Frosty" auf der neuen Platte nun ist zumindest ein Versuch: Das Stück beginnt wie ein traditioneller Küchenblues zur Akustikgitarre, geht dann allerdings wieder in den bei Van Halen beliebten Brechstangen-Bluesrock über. Aber es kann ja nicht gleich alles auf einmal kommen. Die Richtung stimmt. Dies könnte der Wiederbeginn einer wunderbaren Freundschaft sein.

JAN WIELE

Van Halen,

A Different Kind Of Truth

Interscope 4103005 (Universal)

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