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Produktdetails
  • Anzahl: 1 Audio CD
  • Erscheinungstermin: 11. Oktober 2013
  • Hersteller: ROUGH TRADE / City Slang,
  • EAN: 4250506807269
  • Artikelnr.: 39365623
  • Herstellerkennzeichnung
  • City Slang GmbH & Co KG
  • Urbanstr. 70a
  • 10967 Berlin
  • info@cityslang.com
Trackliste
CD
1Friday Night00:05:31
2Marseilles Sunshine00:04:31
3She's Gone00:03:43
4Dying Slowly00:04:27
5If You're Looking For A Way Out00:04:42
6Say goodbye to the city00:04:42
7Sleepy Song00:04:39
8A Night In00:06:53
9I Know That Loving00:06:45
10What Are You Fighting For?00:04:10
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 01.11.2013

Singende Himmel
Die Tindersticks erzählen ihre alten Lieder neu

Wenn ich dieser Song wäre, sagt Stuart A. Staples, "dann würde ich das große Zittern kriegen". Er spricht über "A Night In", ein Stück, das er 1994 mit seiner Band Tindersticks aufgenommen hat - und jetzt noch einmal, für ihre neue Platte "Across Six Leap Years", diesmal aber mit dem Gewicht all der Erinnerungen und Erfahrungen, die Staples in den zwanzig Jahren seither gemacht hat. "Den Song mit siebenundvierzig zu singen ist komplett anders als mit zwanzig", sagt Staples. Eben hat er eine späte Wespe in seinem Bierglas gefangen, wir sitzen vor einem Berliner Lokal. "Und für den Song selbst ist es ziemlich bemerkenswert, diesen Erfahrungen dann auch gerecht zu werden."

"Across Six Leap Years" versammelt zehn Lieder aus der Karriere der englischen Band, neu arrangiert und unter Live-Bedingungen aufgenommen im Londoner Abbey-Road-Studio, innerhalb von nur ein paar Tagen im März. Die Tindersticks waren immer etwas für Menschen mit einem Hang zur Melodramatik, eine Band, die mehr mit europäischem Autorenkino zu tun hatte als mit Rock 'n' Roll. (Sie haben später dann auch Soundtracks für Filme von Claire Denis geschrieben.) Ihre Songs trugen irgendwie auch Anzüge, genau wie die Musiker, die sie spielten: Samtmusik, schwere Vorhänge, späte Nachmittage, zu früh für dunkle Getränke eigentlich, aber what the hell.

2003 brach die Band dann auseinander, nach sechs Alben, formierten sich aber 2008 wieder neu um den Sänger Stuart A. Staples und den Pianisten David Boulter. Und jetzt haben sie, statt ihre größten Hits zusammenzustellen - Hits in dem Sinne gab es ja sowieso nie - jene Lieder neu eingespielt, in denen all die Jahre eine andere Version schlief. Oder, wie Staples sagt: die von sich selbst in einer anderen Version träumten.

Welche Grenzen haben Songs? Darum geht es. Was für ein Eigenleben führen sie? Staples beschreibt das Liederschreiben als den Versuch, einen Moment einzufangen, "einen Orientierungspunkt zu markieren: So oder so war man in dem Augenblick der Zeit." Der Rest, die Arbeit im Studio, sei dann wie das Nachstellen dieses Moments, wobei die Form wandelbar bleibe, denn manchmal, wie bei "Marseilles Sunshine", einem Stück mit kaum messbarem Ruhepuls, sei Staples beim ersten Mal noch nicht bereit gewesen für die Streicher, die es brauchte; auf dem neuen Album hat es sie.

Die Tindersticks waren von Anfang an eine erwachsene Band. Dazu passt, dass Staples jetzt die Musik einer Installation im renovierten Kriegsmuseum von Ypern geschrieben hat: drei Sätze eines wandernden, beklemmenden Crescendo, das zu den Bildern des belgischen Filmemachers Klaus Verscheure von den Schlachten erzählt, die im Ersten Weltkrieg auf den Feldern von Flandern geschlagen wurden. Er hätte das nicht gekonnt, sagt Staples, wenn er nicht den deutschen Soldatenfriedhof von Vladslo besucht hätte, wo eine Skulptur von Käthe Kollwitz an die Gefallenen erinnert. Dieser Moment, spätnachmittags in Vladslo, die Würde der Skulptur trauernder Eltern, all das habe etwas in ihm ausgelöst, das er dann in Musik verwandeln konnte. Er wird immer stiller, während er davon erzählt.

Staples ist mit der Malerin Suzanne Osborne verheiratet, sie leben mit ihren Kindern inzwischen im französischen Limoges (aus eher praktischen, weniger sentimentalen Gründen, sagt Staples), kürzlich haben die beiden für ein Kunstbuch zusammengearbeitet, aus dem auch eine Ausstellung im Berliner Künstlerhaus Bethanien wurde: Osborne hat ein Jahr lang den Himmel über sich gemalt, dreitausend Farben Blau, Staples Songtexte dazu auf einer alten Schreibmaschine getippt. Dem Himmel hinterherzumalen, der sich ständig wandelt und doch immer der Gleiche bleibt: Das illustriert ziemlich genau das Projekt der Tindersticks, Songs nicht statisch zu sehen, sondern sie immer neuen Atmosphären anzupassen. Sie nicht besser zu machen, das betont Staples mehrmals, sondern sie auf den anderen Stand zu bringen.

Nur das Debütalbum der Band, vor genau zwanzig Jahren erschienen, haben die Tindersticks nicht angetastet. "Kein Zufall", sagt Staples, "weil damals alles passte. Und auch wenn ein Song selbst nicht so stark war, dann waren die Leute richtig, das Studio, die Stimmung." Und trotzdem: "Was wir auf Platte aufgenommen haben, ist Musik, die ich mir vielleicht anhöre, wenn ich achtzig bin, oder meinen Enkeln vorspiele." In diesem Sinne wäre auch "Across Six Leap Years" nur wieder eine Momentaufnahme eines nachgestellten Moments, die so lange hält, wie sie hält.

TOBIAS RÜTHER

Tindersticks, Across Six Leap Years

City Slang 50055

(Universal)

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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