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Produktdetails
Trackliste
CD
1Ain't No Grave00:02:53
2Redemption Day00:04:22
3For The Good Times00:03:22
4I Corinthians 15:5500:03:38
5Can't Help But Wonder Where I'm Bound00:03:26
6Satisfied Mind00:02:48
7I Don't Hurt Anymore00:02:45
8Cool Water00:02:53
9Last Night I Had The Strangest Dream00:03:14
10Aloha Oe00:03:00
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 27.02.2010

In Frieden
Kreuz, Tod und Gruft: Johnny Cash zum Sechsten

Und wir dachten schon, es käme nichts mehr: Man möchte glatt zum Hanno Buddenbrook werden - der Kunst zugetan, aber irgendwie auch überdrüssig, vor allem dieser ewigen Resteverwertung, die "das neue Album" von Johnny Cash oder, demnächst, Jimi Hendrix zur blankesten Selbstverständlichkeit macht, als gäb's keinen Gevatter Tod. Wie viele American Recordings von Johnny Cash sollen eigentlich noch herauskommen, nachdem es doch schon beim letzten, fünften Teil, der im Sommer 2006 erschien, geheißen und sogar dick auf dem Cover draufgestanden hatte: "The Final Recordings"? Zumal es die Fünfer-Box ja auch noch gibt, und mit der hatte man schon nicht mehr gerechnet. Aber wie sagte damals Johnnys Biograph Franz Dobler über "Unearthed"? "Der Teufel soll mich holen, wenn das alles war." (F.A.Z. vom 10. Januar 2004) Es war nicht alles, und so schmort Dobler gottlob nicht in der Hölle, Cash aber hoffentlich auch nicht.

Ob er ihr mit seinem neuesten, laut Plattenfirma nun wirklich allerletzten opus nicht doch ein Stückchen näherkommt? Fast ist es, wie Rudi Völler in seinem legendären Wutausbruch vor laufender Kamera sagte: "'n Tiefpunkt und noch mal 'n Tiefpunkt und noch mal 'n niedrigerer Tiefpunkt." Denn es ist offensichtlich, dass die American Recordings seit dem letzten, zu Cashs Lebzeiten erschienenen Teil IV ("The Man Comes Around") nicht besser geworden sind. Schon Teil V ("Hundred Highways") war untriftig und fiel musikalisch ab; es war, auch wenn Produzent Rick Rubin einen anderen Anschein erwecken wollte, eine Songsammlung, die in ihrem zusammengesuchten Charakter mehr nach Resteverwertung oder sogar Leichenfledderei roch als nach halbwegs planvoll absolvierter Studioarbeit. Aber, so argumentierte Rubin und legte es in den liner notes ausführlich dar, an ein planvolles Arbeiten war wegen Cashs sich dramatisch verschlechternden Gesundheitszustands nicht mehr zu denken; man musste jedes Mal froh sein, wenn der Alte noch halbwegs zum Singen aufgelegt und in der Lage war, und ihm dann schnell ein Mikrofon hinhalten.

Die nun vorliegenden Aufnahmen bedeuten, im Sinne Völlers, noch einmal einen niedrigeren Tiefpunkt - nicht eigentlich musikalisch, aber vom Sujet her. War die ganze Serie von Anfang an, passend zum Image des outlaw und man in black, mit ihrer kargen und die meistens fremdkomponierten Songs quasi bis aufs Skelett entblößenden Produktionsweise ausgesprochen düster und gewissermaßen gruftig gehalten, so wird uns die Abschieds- und Sterbethematik nun doch etwas zu aufdringlich präsentiert. Die Gitarristen haben ihre Instrumentenkoffer noch gar nicht ausgepackt, da raunt Cash schon, wie aus dem Jenseits zugeschaltet, von Kreuz, Tod und Gruft. Das aus Mike Campbell, Smokey Hormel und Matt Sweeny (an der Gitarre) und Benmont Tench (an der Orgel) bestehende Stammorchester hat dabei nicht allzu viel zu tun. Man spürt, dass eine energischere, über sanft-subtiles Pling-Pling hinausgehende Begleitung der nun doch recht schwachen, sich in typischem Alterslispeln verschleifenden Stimme nicht mehr zuzumuten gewesen wäre. So ist es ein spärliches Album geworden, vermutlich das minimalistisch-leiseste, das Cash je gemacht hat und notgedrungen nur noch machen konnte.

Es geht los mit dem schwerfälligen stomper und Titelsong "Ain't no Grave", einem traditional, das die dann nicht mehr verlassene Tonlage vorgibt: Der Mann, der hienieden keine Sünde ausgelassen hat, mag schon immer irgendwie fromm gewesen sein, ist nun aber gewiss, dass es im Himmel, in dem es ein Wiedersehen mit den Liebsten geben wird, noch schöner ist - "und dann", möchte man mit Reinhard Mey ergänzen, "wird, was uns groß und wichtig erscheint, plötzlich nichtig und klein". Spürbar hat Cash mit allem Irdischen schon abgeschlossen, er hatte nach dem Tod seiner Frau June auch allen Grund dazu. Die Frage ist nur, ob man das so inszenieren muss, wie Cash es hier unter der Aufsicht Rick Rubins tut. Dieser hatte schon bisher keine Hemmung, sich die lebenserhaltende Wirkung der Musik auf einen alten, kranken Mann quasi selbst gutzuschreiben und von einer Beziehung zu berichten, die über ein Arbeitsverhältnis weit hinausging: "I love you, John." Antwort: "I love you, Rick." Cash kann sich ja nicht mehr wehren.

In der Rezeption des späten Johnny Cash spielte es nie eine Rolle, ob irgend jemand unter den Hörern, die ja schon andere Töne vom Meister gehört haben, ihm auf diesem direkt in die Transzendenz führenden Heilsweg, der die Spiritualität des Gospels gleichsam potenziert, überhaupt noch folgen kann und will. Aus Ottonormalverbrauchersicht wäre dazu anzumerken, dass andere Menschen auch sterben müssen.

Eines muss man Rubin allerdings lassen: Die Songs, die nicht mehr so prominent oder poppig-überraschend sind wie früher - darunter Sheryl Crowes "Redemption Day" und Kris Kristoffersons "For the Good Times" -, sind so stimmig ausgewählt, dass man meint, alle hätten sich zusammengesetzt, um für Johnny noch einmal so richtig traurig-tröstliche Beerdigungsmusik zu schreiben. Komischerweise ist in diesem bemerkenswert einheitlichen Klangkosmos, dem man den Respekt dann aber doch nicht versagen kann, das beste Lied auch das unglaubwürdigste: "Aloha Oe" von Hawaiis letzter Queen Lili'uokalani. Nun aber Friede seiner Asche.

EDO REENTS

Johnny Cash, American VI: Ain't No Grave. Lost Highway/Def Jam/Island 2733149 (Universal)

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