Produktdetails
  • Anzahl: 1 Audio CD
  • Erscheinungstermin: 14. Januar 2011
  • Hersteller: GOODTOGO / DOMINO REC,
  • EAN: 5034202026044
  • Artikelnr.: 32450732
Trackliste
CD
1Rider To The Sea00:02:40
2No more words00:03:51
3Desire00:03:51
4Suzanne and I00:04:11
5First we kiss00:03:05
6The Devil00:04:34
7Blackout00:04:05
8I'll be your man00:03:10
9Morning light00:04:13
10Love Won't Be Leaving00:05:37
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 15.01.2011

Und nennt sie bloß nicht eine unabhängige Maria Callas

Keine klingt derzeit wie sie: Die Britin Anna Calvi macht Musik, die David-Lynch-Exegeten zum Schweigen bringt.

Keine Ahnung, wer als Erster auf David Lynch gekommen ist. Der Regisseur oder besser: die von ihm repräsentierte Ästhetik taucht als Totschlagassoziation nämlich in jedem Text über die junge Gitarristin, Songschreiberin und Sängerin Anna Calvi auf. So auch hier. Vielleicht ist ja Laurence Bell, Chef ihres britischen Labels Domino, auf die Referenz gekommen, vielleicht hat aber auch Calvis prominenter Mentor Brian Eno der bleichen Britin den Verweis ins Ohr gehaucht. Vielleicht war es aber auch ihr anderer prominenter Mentor Nick Cave. Am wahrscheinlichsten aber ist, dass Anna Calvi selbst auf die Idee gekommen ist.

Denn Anna Calvi - und das ist so nicht nur dem der CD beigelegten Informationsblatt zu entnehmen, das hört man auch - weiß um jede Ebene ihrer Musik. Sie weiß um den Ursprung der ihrem Spiel innewohnenden Rhythmik (Bolero! Flamenco!), sie weiß um die Klassik-Anleihen, und sie weiß auch, dass einfallslose Journalisten auf die Idee kommen könnten, sie als "Indie-Callas" oder als "Debussy- und Django-Rheinhardt-Fan im Rock-'n'-Roll-Kostüm" zu apostrophieren.

Doch noch einmal zur beliebtesten Belehnung: Der Grund für die Lynch-Referenz liegt vermutlich vor allem am dominanten Einsatz von Anna Calvis über einen alten Vox-Verstärker und mit viel Hall gespielter Gitarre. Und es fällt tatsächlich schwer, Stücken wie "No More Words" zuzuhören, ohne dabei an wehende Wälder oder rote Vorhänge zu denken. Und wenn man Anna Calvi im Live-Video zur letztjährigen Single "Jezebel" mit knallrot geschminkten Lippen vor einem Nachtclub-Vorhang spielen sieht, dann liegt es nahe anzunehmen, der Auftritt fände im "One Eyed Jacks" statt.

Doch die Lynch-Referenz führt in die Irre: Anna Calvi ist weder Atmosphäreschinderin, noch geht es hier ätherisch zu. Vielmehr regieren auf ihrem Albumdebüt häufig Herbheit und Drama, oft gleichzeitig. PJ Harvey kommt einem dabei in den Sinn, deren Produzent Rob Ellis auch hier bei der Klangfindung half. Einiges auf diesem Album ist nervenzehrend: Manchmal übertreibt es Anna Calvi etwas mit der Spröde ihrer Kompositionen, einiges will erst gar nicht recht zum Song werden. Dann wieder trägt sie zu dick auf: Das fiese "Desire" klingt, als handelte es sich um einen 1985er-Stadionrock-Fahnenschwenker. Und so faszinierend ihr Gitarrenspiel oft auch ist, so enervierend ist bisweilen ihr Gesang, der in expressiveren Knödel-Momenten einen Eindruck davon gibt, wie es sich anhören könnte, wenn eine überambitionierte Gesangsstudentin an einem Provinztheater eine New-Wave-Sirene in einem Rockmusical spielte.

Famos ist dagegen, wenn sie und ihre kleine Band - das Album wurde ausschließlich mit dem Schlagzeuger Daniel Maiden-Wood und der Multi-Instrumentalistin Molly Harpaz eingespielt - mit echten Songs zu tun haben, wie etwa bei "Blackout". Und eines hat man in dieser Form wirklich lange nicht mehr gehört: Hier gibt es noch jede Menge Raum zwischen den Tönen - bei "Love Won't Be Leaving" wird zum Beispiel in den weiten Lücken zwischen den Gitarrenakkorden scheinbar eine Bohrmaschine angeworfen.

Diese selbstbetitelte Debütplatte Anna Calvis und ihrer Band ist eine unausgeglichene, bald in sich verkrochene, dann wieder explodierende Platte. Man kann hier vieles gespreizt und überdehnt, manches sogar nervtötend finden. Aber es ist doch hocherfreulich, eine junge Britin zu hören, die etwas anderes zuwege bringt als Retro-Soul oder Akustikgitarrengezupfe oder quirligen Alltagsbeobachtungspop. Keine andere junge Musikerin klingt derzeit jedenfalls wie Anna Calvi.

ERIC PFEIL

Anna Calvi,

Anna Calvi

Domino 4982730

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