Produktdetails
- Anzahl: 2 Vinyls
- Erscheinungstermin: 3. Juni 2016
- Hersteller: Believe Digital GmbH / DOMINO RECORDS,
- EAN: 0887828028917
- Artikelnr.: 44654283
- Herstellerkennzeichnung
- Believe Digital GmbH
- Im Mediapark 6B
- 50670 Köln
- legal.de@believe.com
Frankfurter Allgemeine ZeitungEin bisschen mehr Kratzigkeit wäre schön
Tage des Wie und Warum: Das vormals unwiderstehlich rockende Duo The Kills tut sich schwer, an alte Erfolge anzuknüpfen
Seit sie mit ihrem Debüt "Keep On Your Mean Side" im Jahr 2003 die offeneren Ohren der Welt eroberten, sind The Kills ein Versprechen ewiger Jugend gewesen, ewiger Rausch und Aufbruch obendrein: Nahezu unwiderstehlich rockte und knarrte das wilde Duo aus der amerikanischen Sängerin Alison Mosshart und ihrem britischen Kompagnon Jamie Hince, einem Gitarrenkratzer und Lowfi-Drumcomputerbastler, der mit seinem stillen Glamour wie aus einem französischen Sechziger-Jahre-Autorenfilm der perfekte Sidekick war.
Schon die schiere optische Präsenz verlieh ihnen eine Magie, mit der sie gern spielten: Will sie mit ihm, brennt er für sie? Wer lässt wen nicht ran? Wer ist die Nadel in wessen Arm? Und was auf der Bühne und im Fotoshooting jederzeit funktionierte, eine kleine private Revolution einzufangen und in eine interessante Form zu bringen, gelang auch auf dem ersten Album und später auf "No Wow" (2005): Hier waren zwei angetreten, die Welt des Rock 'n' Roll umzuwälzen, und wie alle guten Revoluzzer scherte sie das Wissen um die Unmöglichkeit nicht. Sondern sie machten einfach drauflos.
Damals war das neu, dieses Aufeinandertreffen: Hier Folk- und Country-Tradition, aus der Alison Mosshart ihre Songs schöpfte, um sie mit größtmöglicher Versehrtheit zum Vortrag zu bringen. Dort Jamie Hinces trotzige Gitarrengeräusche, sein Spiel, das an Verweigerung grenzte, sein manisch-dilettantischer Umgang mit den Möglichkeiten der Drum-Maschine. Zusammen schufen sie zwei Alben, die sich gewaschen hatten und auch uns die Köpfe wuschen.
Jedes seither erschienene Kills-Album bringt immer wieder dieselbe alte Vorfreude mit, und jedes Mal wieder schleicht sich beim Anhören dann auch eine leichte Enttäuschung mit ein: Ist es denn nicht so, dass der Aufbruch nach dem zweiten Album irgendwie steckengeblieben ist? Hört man nicht dort, wo große Hoffnung war, einen weitgehenden künstlerischen Stillstand heraus?
Bei einigen Tracks des fünften, allemal hörenswerten Albums "Ash & Ice" wird man das Gefühl nicht los, dass hier Erbhöfe verwaltet werden: Mosshart haut ihre Stücke voll erwartbarer Wut und Resignation raus, Hince werkelt daneben, etwas bescheiden, an seiner ruppigen Begleitung, der es fast nie erlaubt scheint, in einen echten, interessanten Zweikampf zu treten. Eine fiesere Kante, eine gemeinere Kratzigkeit, ein Überfahren der Gesangsstimme dann und wann, das wäre schön. Das wäre wie früher. So aber dürfen Stücke wie "Black Tar" oder "Days Of Why And How" als Werke gelten, von denen die Kills Dutzende pro Nacht im Schlaf anfertigen könnten oder die im Grunde auch jede Kills-Coverband, vielleicht etwas weniger sexy, ebenso zustandebringen könnte.
Der wilde, aufrührerische, der zutiefst kreative Geist aber, der alles bislang Gewesene zerstören will, um etwas Neues aufzubauen, ihn bekommen wir nur zipfelweise zu packen. Man hört sich gern die neue Single "Doing It To Death" an, in der das aufwirbelnde Riff, die schleppenden Beats und Mossharts nikotinhaltige Stimme eine Flagge für das Bandprojekt pflanzen. Auch "Heart Of A Dog" mit seiner supersparsamen Gitarre und der leicht bedrohlichen Grundierung im Sound gefällt dem geneigten Hörer. Doch erwischt er sich immer wieder auch beim Gedanken: Hätte das nicht doch schmutziger, dissonanter klingen können, dürfte die Drum-Machine, zum Beispiel, nicht einfach mal alles wegballern, statt sich dann doch dezent im Hintergrund zu halten? "Hard Habit To Break" ist dann das interessanteste und vielleicht auch eingängigste Stück auf dem Album: Hier kommt der Rhythmus aus einem verschnupften Elektrogebretter und spielt Hince einen Gitarrenpart, der wie eine geisterhafte Wiederkehr von alten "Shadows"-Instrumentals durch die Rhythmuswüste weht, ehe alles dann doch wieder zügig auf "Kills"-Standard gebracht wird.
Nach diesem Auftakt ist noch Hoffnung, die Band möge ihren Frühwerken ein weiteres wirklich gutes Album draufgesetzt haben. Dann aber geben sie sich schon zufrieden. "Bitter Fruit" ist ein lauer Abglanz früher Kracher wie "Black Rooster" oder "Fuck The People", denen auch "Impossible Tracks" nacheifert. Immer nur für Momente, im leisen Zupfdidel-Mäuseanfang von "Let It Drop" oder auch im probeweisen Ausloten von Gitarrensounds auf "Echo Home" tun sich Stellen auf, von denen aus die Kills neue Wege hätten beschreiten, ach, neue Welten im Sturm erobern können.
Aber irgendwie reißen sie sich selbst nicht mehr ganz so mit, jedes Stück wird doch verhältnismäßig schnell zu einer vernünftigen bis hübschen Indie-Rocknummer, jedes experimentelle Aufbegehren bleibt wirklich nur ein Experiment. Die Kills sind immer noch eine gute Band. Und sie sollen Milliarden Alben verkaufen. Verdient hätten sie es ja. Die Muse aber, die den beiden wenige Jahre lang heftige Zungenküsse verabreicht hat, dürfte mittlerweile anderswo hausen.
KLAUS UNGERER
The Kills: "Ash & Ice".
Domino Records 0887828028924
(Goodtogo)
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Tage des Wie und Warum: Das vormals unwiderstehlich rockende Duo The Kills tut sich schwer, an alte Erfolge anzuknüpfen
Seit sie mit ihrem Debüt "Keep On Your Mean Side" im Jahr 2003 die offeneren Ohren der Welt eroberten, sind The Kills ein Versprechen ewiger Jugend gewesen, ewiger Rausch und Aufbruch obendrein: Nahezu unwiderstehlich rockte und knarrte das wilde Duo aus der amerikanischen Sängerin Alison Mosshart und ihrem britischen Kompagnon Jamie Hince, einem Gitarrenkratzer und Lowfi-Drumcomputerbastler, der mit seinem stillen Glamour wie aus einem französischen Sechziger-Jahre-Autorenfilm der perfekte Sidekick war.
Schon die schiere optische Präsenz verlieh ihnen eine Magie, mit der sie gern spielten: Will sie mit ihm, brennt er für sie? Wer lässt wen nicht ran? Wer ist die Nadel in wessen Arm? Und was auf der Bühne und im Fotoshooting jederzeit funktionierte, eine kleine private Revolution einzufangen und in eine interessante Form zu bringen, gelang auch auf dem ersten Album und später auf "No Wow" (2005): Hier waren zwei angetreten, die Welt des Rock 'n' Roll umzuwälzen, und wie alle guten Revoluzzer scherte sie das Wissen um die Unmöglichkeit nicht. Sondern sie machten einfach drauflos.
Damals war das neu, dieses Aufeinandertreffen: Hier Folk- und Country-Tradition, aus der Alison Mosshart ihre Songs schöpfte, um sie mit größtmöglicher Versehrtheit zum Vortrag zu bringen. Dort Jamie Hinces trotzige Gitarrengeräusche, sein Spiel, das an Verweigerung grenzte, sein manisch-dilettantischer Umgang mit den Möglichkeiten der Drum-Maschine. Zusammen schufen sie zwei Alben, die sich gewaschen hatten und auch uns die Köpfe wuschen.
Jedes seither erschienene Kills-Album bringt immer wieder dieselbe alte Vorfreude mit, und jedes Mal wieder schleicht sich beim Anhören dann auch eine leichte Enttäuschung mit ein: Ist es denn nicht so, dass der Aufbruch nach dem zweiten Album irgendwie steckengeblieben ist? Hört man nicht dort, wo große Hoffnung war, einen weitgehenden künstlerischen Stillstand heraus?
Bei einigen Tracks des fünften, allemal hörenswerten Albums "Ash & Ice" wird man das Gefühl nicht los, dass hier Erbhöfe verwaltet werden: Mosshart haut ihre Stücke voll erwartbarer Wut und Resignation raus, Hince werkelt daneben, etwas bescheiden, an seiner ruppigen Begleitung, der es fast nie erlaubt scheint, in einen echten, interessanten Zweikampf zu treten. Eine fiesere Kante, eine gemeinere Kratzigkeit, ein Überfahren der Gesangsstimme dann und wann, das wäre schön. Das wäre wie früher. So aber dürfen Stücke wie "Black Tar" oder "Days Of Why And How" als Werke gelten, von denen die Kills Dutzende pro Nacht im Schlaf anfertigen könnten oder die im Grunde auch jede Kills-Coverband, vielleicht etwas weniger sexy, ebenso zustandebringen könnte.
Der wilde, aufrührerische, der zutiefst kreative Geist aber, der alles bislang Gewesene zerstören will, um etwas Neues aufzubauen, ihn bekommen wir nur zipfelweise zu packen. Man hört sich gern die neue Single "Doing It To Death" an, in der das aufwirbelnde Riff, die schleppenden Beats und Mossharts nikotinhaltige Stimme eine Flagge für das Bandprojekt pflanzen. Auch "Heart Of A Dog" mit seiner supersparsamen Gitarre und der leicht bedrohlichen Grundierung im Sound gefällt dem geneigten Hörer. Doch erwischt er sich immer wieder auch beim Gedanken: Hätte das nicht doch schmutziger, dissonanter klingen können, dürfte die Drum-Machine, zum Beispiel, nicht einfach mal alles wegballern, statt sich dann doch dezent im Hintergrund zu halten? "Hard Habit To Break" ist dann das interessanteste und vielleicht auch eingängigste Stück auf dem Album: Hier kommt der Rhythmus aus einem verschnupften Elektrogebretter und spielt Hince einen Gitarrenpart, der wie eine geisterhafte Wiederkehr von alten "Shadows"-Instrumentals durch die Rhythmuswüste weht, ehe alles dann doch wieder zügig auf "Kills"-Standard gebracht wird.
Nach diesem Auftakt ist noch Hoffnung, die Band möge ihren Frühwerken ein weiteres wirklich gutes Album draufgesetzt haben. Dann aber geben sie sich schon zufrieden. "Bitter Fruit" ist ein lauer Abglanz früher Kracher wie "Black Rooster" oder "Fuck The People", denen auch "Impossible Tracks" nacheifert. Immer nur für Momente, im leisen Zupfdidel-Mäuseanfang von "Let It Drop" oder auch im probeweisen Ausloten von Gitarrensounds auf "Echo Home" tun sich Stellen auf, von denen aus die Kills neue Wege hätten beschreiten, ach, neue Welten im Sturm erobern können.
Aber irgendwie reißen sie sich selbst nicht mehr ganz so mit, jedes Stück wird doch verhältnismäßig schnell zu einer vernünftigen bis hübschen Indie-Rocknummer, jedes experimentelle Aufbegehren bleibt wirklich nur ein Experiment. Die Kills sind immer noch eine gute Band. Und sie sollen Milliarden Alben verkaufen. Verdient hätten sie es ja. Die Muse aber, die den beiden wenige Jahre lang heftige Zungenküsse verabreicht hat, dürfte mittlerweile anderswo hausen.
KLAUS UNGERER
The Kills: "Ash & Ice".
Domino Records 0887828028924
(Goodtogo)
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main