Ralph Alessis erstes ECM-Album als Leader, "Baida", rückt ihn nun mit dichter Atmosphäre, reizvoller Melodik und New Yorker Assen wie Jason Moran (Piano), Drew Gress (Bass) und Nasheet Waits (Drums) ins Blickfeld der breiteren Öffentlichkeit. Dieses hochkarätige Quartett spielt hier mit außerordentlicher Finesse, gleichzeitig ist jederzeit eine gespannte, sehnige Kraft fühlbar. Und dann ist da natürlich noch Alessis silbriger Trompetenton, über den die New York Times schrieb, er habe "eine wohlgerundete Leuchtkraft, wie der Vollmond."
CD | |||
1 | Baida | 00:05:27 | |
2 | Chuck Barris | 00:07:39 | |
3 | Gobble Goblins | 00:04:08 | |
4 | In-Flight Entertainment | 00:04:39 | |
5 | Sanity | 00:04:49 | |
6 | Maria Lydia | 00:05:50 | |
7 | Shank | 00:04:47 | |
8 | I Go, You Go | 00:06:16 | |
9 | Throwing Like A Girl | 00:05:57 | |
10 | 11/1/20 | 00:06:12 | |
11 | Baida (Reprise) | 00:03:32 |
Frankfurter Allgemeine ZeitungAUCH DAS NOCH
Von Ulrich Olshausen
Dies ist der neueste in der kleinen, enorm aufwendigen Serie von thematisch überschriebenen Samplern, die Christian Scholze von Zeit zu Zeit - mit viel Zeit - produziert: "Oriental Blues" (Network). Der Titel ergibt Sinn, Scholze hat Blues-Gefühle, "die sanfte Seite des Orients", gesucht, Träume, Sehnsüchte, Schmerzen und Hoffnungen also, aber auch das Aufbegehren gegen die Lasten eines schwierigen Lebens. Wie beim afroamerikanischen Blues sind es aber auch bei Scholzes auf langen Reisen, mit großer Produzentenerfahrung und untrüglichem Gespür für ästhetische und technische Werte aufgefundenen Künstlern absolut keine Jammerlappen, die hier die Stimme erheben. Das "Orientalische" verfolgt er von Aserbaidschan über die Türkei und Nordafrika bis nach Frankfurt, wo in der Gruppe Kegome griechische, türkische, marokkanische und deutsche Musiker zusammen ein Klagelied im Rembetiko-Stil anstimmen, jener Musik, in der sich die Stimmungslage der in den zwanziger Jahren aus der Türkei zurück ins europäische Kernland vertriebenen Griechen darstellte. Die Zusammenstellung aus Produktionen anderer Schallplattenfirmen und der eigenen blendet in ihrer Vielfalt, den technischen Finessen jedes einzelnen Stücks und der Aufmachung mit knappen Erklärungen. Der Korso der Stimmen ist berauschend. Das Gesamtwerk, das Scholze mit seinem alten Buddy aus den Gründertagen der Firma, Jean Trouillet, geschaffen hat, dauert zweiundsiebzig Minuten, keine Sekunde zu lang.
Eigentlich ist es egal, was Ralph Alessi spielt. Denn der Klang seiner Trompete ist so göttlich-irdisch schön, dass auch "Hänschen klein" noch zu einem Erlebnis würde. Die goldene Mitte nimmt durch ein wandelbar expressives Obertonspektrum am Leben teil. Der zu Herzen gehende Lyrismus schwingt sich mit gebändigt muskulöser Dramatik in die Höhe. Die nie selbstgefällige Virtuosität bricht gelegentlich wie nicht mehr zurückzuhaltender Spieltrieb aus. Seine Verehrer schwärmen von atmosphärischer Tiefe, melodischer Verlockung. In den Kompositionen klingt konzertant gebändigter und harmonisch avancierter Bebop nach. In den Improvisationen des mit "klassischer" Rhythmusgruppe (Klavier, Bass, Schlagzeug) hochkarätig besetzten Quartetts gibt es viel beherrscht übersichtliche Freiheit und Aufbrüche aus fast klagender Liedhaftigkeit. "Es ist eine furchtlose Band", sagt Alessi, "wir sind glücklich,ins Nichts zu springen und zu spielen." Dieses Album "Baida" (ECM) ist eine der faszinierendsten Jazz-CDs der Saison.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Von Ulrich Olshausen
Dies ist der neueste in der kleinen, enorm aufwendigen Serie von thematisch überschriebenen Samplern, die Christian Scholze von Zeit zu Zeit - mit viel Zeit - produziert: "Oriental Blues" (Network). Der Titel ergibt Sinn, Scholze hat Blues-Gefühle, "die sanfte Seite des Orients", gesucht, Träume, Sehnsüchte, Schmerzen und Hoffnungen also, aber auch das Aufbegehren gegen die Lasten eines schwierigen Lebens. Wie beim afroamerikanischen Blues sind es aber auch bei Scholzes auf langen Reisen, mit großer Produzentenerfahrung und untrüglichem Gespür für ästhetische und technische Werte aufgefundenen Künstlern absolut keine Jammerlappen, die hier die Stimme erheben. Das "Orientalische" verfolgt er von Aserbaidschan über die Türkei und Nordafrika bis nach Frankfurt, wo in der Gruppe Kegome griechische, türkische, marokkanische und deutsche Musiker zusammen ein Klagelied im Rembetiko-Stil anstimmen, jener Musik, in der sich die Stimmungslage der in den zwanziger Jahren aus der Türkei zurück ins europäische Kernland vertriebenen Griechen darstellte. Die Zusammenstellung aus Produktionen anderer Schallplattenfirmen und der eigenen blendet in ihrer Vielfalt, den technischen Finessen jedes einzelnen Stücks und der Aufmachung mit knappen Erklärungen. Der Korso der Stimmen ist berauschend. Das Gesamtwerk, das Scholze mit seinem alten Buddy aus den Gründertagen der Firma, Jean Trouillet, geschaffen hat, dauert zweiundsiebzig Minuten, keine Sekunde zu lang.
Eigentlich ist es egal, was Ralph Alessi spielt. Denn der Klang seiner Trompete ist so göttlich-irdisch schön, dass auch "Hänschen klein" noch zu einem Erlebnis würde. Die goldene Mitte nimmt durch ein wandelbar expressives Obertonspektrum am Leben teil. Der zu Herzen gehende Lyrismus schwingt sich mit gebändigt muskulöser Dramatik in die Höhe. Die nie selbstgefällige Virtuosität bricht gelegentlich wie nicht mehr zurückzuhaltender Spieltrieb aus. Seine Verehrer schwärmen von atmosphärischer Tiefe, melodischer Verlockung. In den Kompositionen klingt konzertant gebändigter und harmonisch avancierter Bebop nach. In den Improvisationen des mit "klassischer" Rhythmusgruppe (Klavier, Bass, Schlagzeug) hochkarätig besetzten Quartetts gibt es viel beherrscht übersichtliche Freiheit und Aufbrüche aus fast klagender Liedhaftigkeit. "Es ist eine furchtlose Band", sagt Alessi, "wir sind glücklich,ins Nichts zu springen und zu spielen." Dieses Album "Baida" (ECM) ist eine der faszinierendsten Jazz-CDs der Saison.
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