Produktdetails
- Anzahl: 1 Audio CD
- Erscheinungstermin: 25. September 2020
- Hersteller: Edel Music & Entertainment CD / DVD / Snapper,
- EAN: 0636551813426
- Artikelnr.: 59897573
CD | |||
1 | Can't be satisfied | 00:03:05 | |
2 | Come into my kitchen | 00:04:19 | |
3 | Ain't no grave | 00:03:59 | |
4 | Faultline | 00:04:23 | |
5 | Redemption day | 00:05:24 | |
6 | The devil had a hold of me | 00:04:17 | |
7 | Bright as blood | 00:04:45 | |
8 | Love in vain | 00:04:19 | |
9 | Black girl | 00:02:38 | |
10 | To build a wall (Phill- For My Kids) | 00:04:27 | |
11 | Another world | 00:03:58 | |
12 | I'm ready | 00:03:43 |
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 12.10.2020Zurück ins Delta
Das akustische Vermächtnis der wilden Pretty Things
Von Van Morrison zur "größten Rhythm-'n'-Blues-Band aller Zeiten" verklärt, von Kiss angehimmelt und von Procol Harum als "wahrhaft ruppige Rebellen" gefeiert, zählten die Pretty Things - benannt nach Bo Diddleys Hit "Pretty Thing" von 1955 - in den Sechzigern zu den Vorkämpfern des britischen Blues-Booms. Ein finsteres Image, urwüchsige Kraft und hämisches Selbstvertrauen waren die Markenzeichen von Sänger Phil May und seinen Spießgesellen. Nicht zufällig wurden sie oft mit den Rolling Stones verglichen: Gitarrist Dick Taylor war ein Jugendfreund von Keith Richards und Mick Jagger und 1963 im "Station Hotel" in Dartford erster Stones-Bassist. Erst kürzlich stellte David Gilmour von Pink Floyd klar: "Die Pretty Things ließen die Stones oft zahm wirken, wie eine Teegesellschaft im Pfarrhaus."
Jetzt überraschen Phil May und Dick Taylor mit einem rein akustischen Album: stromlos, aber von bohrender Intensität. Getreu der Devise, mit einem Minimum an Zutaten ein Maximum an musikalischer Energie zu erzeugen. Zugleich ist "Bare As Bone, Bright As Blood" zum unfreiwilligen Nachruf auf Phil May geraten, der am 15. Mai verstarb. Obwohl Unplugged-Sets schon seit längerem den Mittelteil ihres Konzertprogramms ausmachten, konnte niemand mehr mit einem solch packenden Akustik-Manifest rechnen. Denn ihr triumphales Konzert vom Dezember 2018, mit dem die Pretty Things ihren Abschied von der Konzertbühne feierten, hatte etwas Endgültiges.
Doch erst jetzt schließt sich der Kreis mit ihrer symbolischen Rückkehr ins Mississippi-Delta. Wenn May in Robert Johnsons liebestrunkenem "Come On In My Kitchen" gepeinigt klingt, wirkt sein Schmerz erfahrungsgesättigt und ungekünstelt. Dieselbe Empfindung vermittelt Muddy Waters' Klassiker "I Can't Be Satisfied", dessen Besorgnis durch bedrohlich jaulende Slide-Linien lautmalerisch beglaubigt wird. May liefert mit der wissenden Wehmut seines Gesangs eine persönliche Studie über Verlassenheit und Einsamkeit. "I feel the blues comin' down on me / Like the Terraplane man I used to be."
Dabei ist das Album kein nostalgischer Aufguss: Die Coverversionen - einige bekannte, andere eher obskur - atmen eine Vitalität und Weisheit, wie sie nur aus einer Kombination aus Alter und Souveränität zustande kommen kann. Einige Neuinterpretationen wirken beinahe verstörend frisch, wie die von "Faultline", im Original vom Black Rebel Motorcycle Club, hier mit ein paar elektrisch-verzerrten Injektionen. Auch mit "The Devil Had A Hold Of Me" von Gillian Welch hätte niemand gerechnet. Während May sich an den originalen Gesangslinien orientiert, schaffen Taylor und Mitstreiter mit sirrenden Gitarrensounds eine beinahe klaustrophobische Atmosphäre.
Den Pretty Things geht es ohne Scheu um menschliche Grundbefindlichkeiten wie Schmerz, Trauer, Tod und Absolution. Der "Redemption Day" gerät ihnen zur stoischen Katharsis. Dick Taylor gesteht ungeniert, es gebe ein "erlösendes und endzeitliches Moment in den zwölf Songs" wie auf den späten Johnny-Cash-Alben. "Es war halt unseren Umständen geschuldet." Das Faszinosum der Platte ist, dass die Texte eine perfekte Resonanz in den minimalistischen Arrangements der Musik finden - als würden einzelne Sätze in den fahlen Akkordfolgen und Slide-Linien nachhallen. May und Taylor spielen mit einer Art gedämpfter Wildheit: Gitarren wimmern, die Gesangsstimme fleht, spärliche, doch rhythmische intensive Perkussion erinnert an ein unheilverkündendes Stampfen. Die diabolischen Untertöne der abgescheuerten Songs sind nicht zu überhören. Ganz im Stil der alten Pretty Things erzeugen May und Taylor eine Art hinterhältige Schönheit - wenn man erst einmal in die Falle ihrer Songs getappt ist.
PETER KEMPER
The Pretty Things:
"Bare As Bone, Bright As Blood".
Madfish/Snapper Music SWA 001134 (Edel)
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Das akustische Vermächtnis der wilden Pretty Things
Von Van Morrison zur "größten Rhythm-'n'-Blues-Band aller Zeiten" verklärt, von Kiss angehimmelt und von Procol Harum als "wahrhaft ruppige Rebellen" gefeiert, zählten die Pretty Things - benannt nach Bo Diddleys Hit "Pretty Thing" von 1955 - in den Sechzigern zu den Vorkämpfern des britischen Blues-Booms. Ein finsteres Image, urwüchsige Kraft und hämisches Selbstvertrauen waren die Markenzeichen von Sänger Phil May und seinen Spießgesellen. Nicht zufällig wurden sie oft mit den Rolling Stones verglichen: Gitarrist Dick Taylor war ein Jugendfreund von Keith Richards und Mick Jagger und 1963 im "Station Hotel" in Dartford erster Stones-Bassist. Erst kürzlich stellte David Gilmour von Pink Floyd klar: "Die Pretty Things ließen die Stones oft zahm wirken, wie eine Teegesellschaft im Pfarrhaus."
Jetzt überraschen Phil May und Dick Taylor mit einem rein akustischen Album: stromlos, aber von bohrender Intensität. Getreu der Devise, mit einem Minimum an Zutaten ein Maximum an musikalischer Energie zu erzeugen. Zugleich ist "Bare As Bone, Bright As Blood" zum unfreiwilligen Nachruf auf Phil May geraten, der am 15. Mai verstarb. Obwohl Unplugged-Sets schon seit längerem den Mittelteil ihres Konzertprogramms ausmachten, konnte niemand mehr mit einem solch packenden Akustik-Manifest rechnen. Denn ihr triumphales Konzert vom Dezember 2018, mit dem die Pretty Things ihren Abschied von der Konzertbühne feierten, hatte etwas Endgültiges.
Doch erst jetzt schließt sich der Kreis mit ihrer symbolischen Rückkehr ins Mississippi-Delta. Wenn May in Robert Johnsons liebestrunkenem "Come On In My Kitchen" gepeinigt klingt, wirkt sein Schmerz erfahrungsgesättigt und ungekünstelt. Dieselbe Empfindung vermittelt Muddy Waters' Klassiker "I Can't Be Satisfied", dessen Besorgnis durch bedrohlich jaulende Slide-Linien lautmalerisch beglaubigt wird. May liefert mit der wissenden Wehmut seines Gesangs eine persönliche Studie über Verlassenheit und Einsamkeit. "I feel the blues comin' down on me / Like the Terraplane man I used to be."
Dabei ist das Album kein nostalgischer Aufguss: Die Coverversionen - einige bekannte, andere eher obskur - atmen eine Vitalität und Weisheit, wie sie nur aus einer Kombination aus Alter und Souveränität zustande kommen kann. Einige Neuinterpretationen wirken beinahe verstörend frisch, wie die von "Faultline", im Original vom Black Rebel Motorcycle Club, hier mit ein paar elektrisch-verzerrten Injektionen. Auch mit "The Devil Had A Hold Of Me" von Gillian Welch hätte niemand gerechnet. Während May sich an den originalen Gesangslinien orientiert, schaffen Taylor und Mitstreiter mit sirrenden Gitarrensounds eine beinahe klaustrophobische Atmosphäre.
Den Pretty Things geht es ohne Scheu um menschliche Grundbefindlichkeiten wie Schmerz, Trauer, Tod und Absolution. Der "Redemption Day" gerät ihnen zur stoischen Katharsis. Dick Taylor gesteht ungeniert, es gebe ein "erlösendes und endzeitliches Moment in den zwölf Songs" wie auf den späten Johnny-Cash-Alben. "Es war halt unseren Umständen geschuldet." Das Faszinosum der Platte ist, dass die Texte eine perfekte Resonanz in den minimalistischen Arrangements der Musik finden - als würden einzelne Sätze in den fahlen Akkordfolgen und Slide-Linien nachhallen. May und Taylor spielen mit einer Art gedämpfter Wildheit: Gitarren wimmern, die Gesangsstimme fleht, spärliche, doch rhythmische intensive Perkussion erinnert an ein unheilverkündendes Stampfen. Die diabolischen Untertöne der abgescheuerten Songs sind nicht zu überhören. Ganz im Stil der alten Pretty Things erzeugen May und Taylor eine Art hinterhältige Schönheit - wenn man erst einmal in die Falle ihrer Songs getappt ist.
PETER KEMPER
The Pretty Things:
"Bare As Bone, Bright As Blood".
Madfish/Snapper Music SWA 001134 (Edel)
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main