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Produktdetails
Trackliste
CD
1Beauty and truth00:01:24
2The end00:04:04
3Because of mouloud00:03:49
4Sleep on it00:04:18
5Intim00:02:49
6Transmitting00:06:12
7Summertime00:03:26
8Riders on the storm00:03:36
9Machineria00:03:22
10Sleep safe and warm00:03:02
11Kattorna00:03:56
12Blues for Pablo00:08:31
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung

Aller guten Dinge
Joachim Kühn sucht am Klavier "Beauty & Truth"

Die Drei ist eine gern genutzte Zahl, wenn es um Bedeutungsvolles geht, ob in Religion, Literatur oder Kunst. Natürlich ist Zahlenmystik genauso großer Unsinn wie die astrologischen Weisheiten in den Spalten der Boulevardblätter, doch auch in der Musik wird die Zahl gefeiert: im Dreiklang, in der Sonatenhauptsatzform (drei Teile), im Walzer (Dreivierteltakt) - Paul Hindemith spielte im ersten Satz seiner "Mathis"-Symphonie sogar im Großen durch, was geschieht, wenn man ein ganzes Stück auf der Drei aufbaut. Auch Jazzpianisten haben eine ganz eigene Beziehung zu der Zahl. Wer etwas auf sich hält, muss irgendwann einmal in einem Trio gespielt haben. Oscar Peterson, Vince Guaraldi oder Art Tatum, um nur drei zu nennen, sind damit in den Jazzhimmel aufgestiegen. Joachim Kühn ist diesem Ort hoffentlich noch viele weitere Jahre fern.

Kühn zählt zu den wenigen deutschen Jazzpianisten, die auch international Ansehen genießen. Zu verdanken hat er das einerseits seiner Arbeit mit dem Bassisten Jean-François Jenny-Clark und dem Schlagzeuger Daniel Humair, mit denen er seit Mitte der Achtziger im Trio große Erfolge feierte. Zum anderen ist da die legendäre Kollaboration mit dem Free-Jazz-Saxophonisten Ornette Coleman, mit dem Kühn über Jahre hinweg als einziger Pianist auftrat und Platten einspielte. So ist dann auch das erste, namensgebende, Stück auf "Beauty & Truth" eine Verbeugung vor dem im Sommer 2015 Verstorbenen - eine einminütige Soloimprovisation, ohne Schnörkel oder effekthascherische Zurschaustellung der eigenen Spielkunst. Für jemanden von Kühns Format ein fast schon bescheidener Einstieg.

Für den Rest des Albums hingegen hat Kühn tief in die musikalische Schatztruhe gegriffen. Völlig zwanglos interpretiert er über alle Grenzen hinweg Stücke der Band The Doors genauso spielerisch wie George Gershwin, den polnischen Jazzpianisten Krzysztof Komeda - bekannt durch die Filmmusik zu Polanskis "Rosemary's Baby" - und natürlich sich selbst, immer auf der Suche nach dem Kern der Stücke, die er sich vornimmt. Unterstützung kommt dabei von Chris Jenkins am Bass und dem langjährigen Drummer Michael Wollnys, Eric Schaefer, die durch ihr nuanciertes Spiel Kühn perfekt ergänzen.

Mit "Sleep On It", im Original von Stand High Patrol, beweist der, dass er selbst tiefenentspannten Jazz-Reggae so mühelos im Repertoire hat, als ob er nie etwas anderes gespielt hätte. Seine ganze Meisterschaft verrät er allerdings in Nummern wie "Machineria". Getragen von einer einfachen, immerzu leicht variierten Figur, mit der linken Hand beständig ins Klavier gehämmert - ein Markenzeichen des Pianisten - und ergänzt um Jenkins' kraftvollem Bass sowie Schaefers treibende Drums, kommt "Machineria" daher wie eine gut geölte musikalische Dampfwalze. Die gleiche Finesse beweist Kühn bei "Transmitting". Repetitive Grundmotive geben die Richtung vor und dienen gleichzeitig als Sprungbrett für kühne, explosionsartige Improvisationsgewitter. Ganz anders hingegen die Version des Doors-Klassikers "Riders On The Storm": Selbstbewusst bricht Kühn hier die dominante Basslinie des Originals auf, gräbt die Melodie aus und legt darüber seine eigenen Variationen. Und auch "Summertime", ein Standard, bei dem das Verhältnis von brillanten Interpretationen und verhunzten Fehlschlägen sich wohl ziemlich die Waage hält, wird von Kühn mit einem Hauch von Joe Sample würdevoll in ein neues Gewand gekleidet.

Was "Beauty & Truth" jedoch zweifelsfrei beweist: Es ist nicht übertrieben, Kühn als musikalischen Vordenker der jüngeren Generation deutscher Jazzpianisten, allen voran Michael Wollny, zu bezeichnen. Auch wenn Kühn die fast schon nervöse Anspannung von Wollnys ekstatischem, oft am Rand des musikalischen Nervenzusammenbruchs entlangschrammendem Spiel zu Teilen abgeht, kommt man nicht umhin, die Ähnlichkeiten zu bemerken, wenn man sich beider Alben im Vergleich anhört.

Wie da der Jüngere, längst dem Schatten des Älteren entwachsen, eigene Wege geht und doch immer wieder auf den Platzhirsch verweist, ist bezeichnend. Bedenkt man, dass Wollny Kühns Art der Improvisation, darunter dessen bekanntes "Diminished Augmented System" unter anderem in seiner Diplomarbeit genau analysiert hat, ist diese stilistische Nähe wenig verwunderlich und zeugt ein weiteres Mal vom großen Einfluss, den Joachim Kühn nach wie vor ausübt. Mit "Beauty & Truth" demonstriert er nun eindrucksvoll ein weiteres Mal sein Können. Das luzide Spiel, die fein ausbalancierte Interaktion mit den Kollegen beweist, dass auch im Jazz alle guten Dinge drei sind.

FELIX SIMON

Joachim Kühn:

"Beauty & Truth".

Joachim Kühn (Klavier)

Chris Jennings (Bass)

Eric Schaefer (drums) ACT 9816-2 (Edel)

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