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Produktdetails
Trackliste
CD
1I'm Not Talking00:02:44
2Crying out for love00:04:36
3The Nazz Are Blue00:03:15
4For Your Love00:03:20
5Please Don't Tell Me About The News00:04:00
6Train Kept A-Rollin'00:03:38
7Mr. Saboteur00:04:55
8Shapes Of Things00:02:38
9My Blind Life00:03:33
10Over Under Sideways Down00:03:16
11Mr. You're A Better Man Than I00:03:22
12Mystery of being00:04:08
13Dream within a dream00:04:44
14Happenings Ten Years Time Ago00:03:22
15An original man (A song for Keith)00:05:21
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 17.04.2003

Tanz ums goldene Ei
Jetzt geht alles wieder von vorne los: Die "Yardbirds" sind zurück

"Ihr seid eine Pop-Band? Laßt euch mal die Haare schneiden!" Diese höhnische Aufforderung findet sich - akustisch kaum verständlich von einer männlichen Stimme vorgebracht - inmitten jenes berühmten Solos, das 1966 das Stück "Happening Ten Years Time Ago" krönte. Die "Yardbirds" befanden sich damals auf dem Höhepunkt ihrer Experimentierfreudigkeit: Die beiden Leadgitarristen Jeff Beck und Jimmy Page inszenieren hier ihre vierzigsekündige Saitenschlacht als ein Mini-Hörspiel: Das Ganze klingt wie ein schwerer Verkehrsunfall, die Gitarren imitieren metallische Kollisionen, Polizeisirenen, Gesprächsfetzen - psychedelischer Pyrotechnik-Pop in Reinkultur, der in seiner hypernervösen Riff-Artistik bereits den Stil der späteren Hardrock-Heroen "Led Zeppelin" vorwegnimmt.

In der Neueinspielung des Stücks sechsunddreißig Jahre später hätte der Ur-"Yardbird" Chris Dreja die Gesprächssentenz gern verändert: "Ihr seid eine Pop-Band? Sucht euch mal einen sicheren Job!" Natürlich beließ man es bei den Worten des Originals. Denn einen sicheren Job haben die "Yardbirds" inzwischen: Sie erleben als behutsame Modernisierer ihrer eigenen Legende derzeit ein furioses Comeback. Mit dem neuen Studioalbum "Birdland" (Favored Nations) - dem ersten seit der "Little Games"-Veröffentlichung von 1967 - und einer Konzertreise durch Europa demonstriert das neuformierte Quintett seine historische Konstanz. Schon Mitte der Sechziger verkörperten die "Yardbirds" die Grundtugenden des Rock: Energie und Enthusiasmus. Aus dem zwölftaktigen Blues-Schema ließen sie den krachenden Hardrock hervorgehen, die Band wurde zudem zum Geburtshelfer von Heavy Metal.

Die geschichtliche Bedeutung der Gruppe aber liegt vor allem darin, daß in ihr der Grundstein für die Entwicklung der modernen Rockgitarre gelegt wurde. Aus ihr gingen nacheinander solche stilbildenden Griffbrettberserker wie Eric Clapton, Jeff Beck und Jimmy Page hervor. In dieser Vogel-Brutstätte entdeckten die drei zum ersten Mal die melodischen Qualitäten kontrollierter Rückkoppelung, wie sie von Verstärkern produziert wird, die bis zum Anschlag aufgedreht sind. Zusammen mit komplexen Rhythmuswechseln, arabischen Tonskalen, gregorianisch gefärbten Gesängen in Titeln wie "For Your Love" oder "Still I'm Sad" wurden sie in ihren wechselnden Besetzungen zu Pop-Pionieren, ohne es zu wissen. Möglich wurden diese Innovationen wohl nur, weil in der Band jedes Mitglied seine Ideen gleichberechtigt erproben konnte.

An dieses Ethos knüpft man heute an, denn auf dem brillanten neuen "Birdland"-Album läßt man den Gastsolisten ebenfalls freie Hand bei der Re-Interpretation der kostbaren Klassiker. Der Gassenhauer "For Your Love" etwa klingt in der aufgerauhten Version des "Goo Goo Dolls"-Sängers Johnny Rzeznik wie eine Hymne heilloser Selbstzweifel. Und wenn der amerikanische "Gitarren-Gott" Joe Satriani in dem donnernden "Train Kept A Rollin'" seine Saiten mit einer stupenden Tapping-Technik zum Singen bringt, glaubt man das wütende Sirren einer Wespe zu hören, die in einer Flasche gefangen ist und jeden Moment auszubrechen droht. Das vielleicht aufstachelndste Statement aber liefert auf dem Album der Gastsolist Steve Vai in "Shape Of Things". Seine Griffbrettartistik versöhnt inmitten dieser Adoleszenz-Philosophie über das Altern den anarchistischen Aufschrei der Jugend mit der Wahrnehmungsweisheit späterer Jahre.

Auch ohne solch hochkarätige Gäste gebietet die reformierte Band im Konzert noch über die Essenz des "Yardbirds"-Sounds: roh, betörend und immer ein bißchen bedrohlich. Mit dem Leadgitarristen John "Gypie" Mayo haben die beiden Ur-Mitglieder Jim McCarthy und Chris Dreja einen Glücksgriff getan. Seine behutsamen, melodischen Modifikationen in Standards wie "Evil Hearted You" oder "Heartful Of Soul" verleihen dem Gruppenklang einen absolut zeitgemäßen Ausdruck.

Für die größte Überraschung aber sorgen die neuen Stücke. Während das sehnende "Crying Out For Love" mit dem wundervollen Linienspiel von Gypie Mayo in einer historischen Geste den Geist des "Shadows"-Gitarristen Hank Marvin heraufbeschwört, erinnert ein Titel wie "My Blind Life" an den hypnotischen Boom-Boom-Blues von Bo Diddley und Howlin' Wolf. Der Sänger und Bassist John Idon intoniert die neue Paradenummer "Dream Within A Dream" - eine melancholische Edgar-Allen-Poe-Phantasie - als süßen, verlockenden Albtraum. Als dann mit der Zugabe "Happening Ten Years Time Ago" noch einmal der Schwanengesang der früheren "Yardbirds" wachgerufen wird, ist schlagartig die alte Hysterie wieder da, jetzt nur um ein paar Pop-Psychosen erweitert. Wer die Band heute hört, erfaßt intuitiv, daß es sich weder bei dem neuen Album noch bei den Reunion-Konzerten um clevere Marketing-Übungen handeln kann. Die "Yardbirds" liefern noch immer Lehrstücke musikalischer Leidenschaften.

PETER KEMPER

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