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Philipp Poisel verschlägt es auf seinem neuen Album nach Toulouse und sein Weg ist lang und melancholisch. Zumindest an Tiefe fehlt es dem Grönemeyer-Zögling nicht. Beim Gedanken an deutschsprachige Liebeslieder läuft es vielen Musikliebhabern kalt den Rücken herunter. Nur sehr selten gelingt es einem Künstler seine Gefühle so zum Ausdruck zu bringen, dass er dabei nicht sofort sein Gesicht verliert oder ins Schmalzige verfällt. Wenn besagtem Musiker dann auch noch die Jahre fehlen, um seinen Aussagen wenigstens eine gewisse biografische Schwere zu verleihen, ist der Ofen meist ganz aus.…mehr

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Produktbeschreibung
Philipp Poisel verschlägt es auf seinem neuen Album nach Toulouse und sein Weg ist lang und melancholisch. Zumindest an Tiefe fehlt es dem Grönemeyer-Zögling nicht. Beim Gedanken an deutschsprachige Liebeslieder läuft es vielen Musikliebhabern kalt den Rücken herunter. Nur sehr selten gelingt es einem Künstler seine Gefühle so zum Ausdruck zu bringen, dass er dabei nicht sofort sein Gesicht verliert oder ins Schmalzige verfällt. Wenn besagtem Musiker dann auch noch die Jahre fehlen, um seinen Aussagen wenigstens eine gewisse biografische Schwere zu verleihen, ist der Ofen meist ganz aus. Anders ist das beim erst 27 jährigen Philipp Poisel. Was Poisel ausmacht ist die schonungslose Offenheit, mit der er, ohne Scheu davor sich angreifbar zu machen, von sich erzählt. Der Wahlstuttgarter schreibt sich selbst den Soundtrack seines Lebens. Er reist viel, lernt Menschen kennen, dann plagt ihn das Heimweh, er kommt zurück und muss wieder weg. All die Emotionen, die einen rastlosen Mitzwanziger bewegen, vertont Poisel in seinen Liedern. Dass er dabei manchmal den Bogen zum Kitsch überspannt, nimmt er hin.
Trackliste
CD
1Wie soll ein Mensch das ertragen00:05:03
2Für keine Kohle dieser Welt00:04:40
3Im Garten von Gettis00:03:28
4Froh dabei zu sein00:04:22
5Bis nach Toulouse00:03:34
6Zünde alle Feuer00:03:43
7All die Jahre00:03:41
8Markt und Fluss00:04:53
9Zwischen innen und außen00:04:17
10Liebe meines Lebens00:04:57
11Hab keine Angst00:04:53
12Ich will nur (Live)00:04:39
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 09.10.2010

Singen mit Schnupfen

An sich ist es lobenswert, dass mal wieder jemand auf Deutsch an die Tradition der fahrenden Sänger anknüpft, und Toulouse ist mit Sicherheit ein schönes Ziel, wenn man alles hinter sich lassen und eine Frau vergessen will. Philipp Poisels Gesang klingt allerdings so, als hätte er sich bei diesem Ausbruch in den Süden noch irgendwo unterwegs eine starke Erkältung zugezogen. Es soll wohl ein Beweis besonderer Authentizität des Gefühls sein, wie er näselt und manche Silben verschluckt; seine eigenwillige Intonation ist jedoch fast dazu geeignet, Logopäden auf den Plan zu rufen.

Dabei laufen seine Stücke auf ganz einfache Sätze hinaus, etwa: "Ich will nur, dass du weißt, ich hab dich immer noch lieb." Wer im letzten Kinojahr jene bitterböse Szene mit Lars Eidinger und Birgit Minichmayr in dem Film "Alle anderen" gesehen hat, in der eine sehr ähnliche Zeile aus der Frühphase Herbert Grönemeyers und die Menschen, die solche Musik hören, auf gemeine Weise der Lächerlichkeit preisgegeben werden, der weiß, wie angreifbar sich jeder macht, der sein Herz so auf der Zunge trägt. Der erst siebenundzwanzigjährige Liedermacher Poisel trägt es fast immer dort, er leidet bisweilen wie ein Hund und übertrifft dabei noch den Kollegen Gisbert zu Knyphausen, der ja auch schon apathisch in seinem Tee rührt oder sich über die Stille auf dem Rastplatz Krachgarten beklagt. Diese Leidenspose steht Poisel nicht gut, auch wenn die Musik zu seinem zweiten Album "Bis nach Toulouse" (Grönland/Rough Trade) durchaus anständiges Wandergitarrenspiel mit eingängigen Refrains verbindet.

Lustig dagegen wird die Platte an Stellen, die wohl nur unfreiwillig komisch klingen: "Sonne auf den Wellen / Hab gut geschlafen heute Nacht / Draußen liegen Yachten / Irgendwer hat Kekse mitgebracht" - das ist schon fast ein Anflug von Wolf-Wondratschek-Dichtung. An expressionistische Weltuntergangsstimmung Marke Jakob van Hoddis gemahnt das Lied "Markt und Fluss": "Ich bilde mir zu leben ein / Im Rinnstein stirbt ein Schwein". Wiederum an Grönemeyer erinnert die Feueranzünde- und Warmhaltemetaphorik - kein Wunder, denn der hat ihn bereits in seinem Vorprogramm auftreten lassen, Poisels Platte erscheint auf Grönemeyers Label.

Der Nuschelgesang des Ludwigsburgers hat im Übrigen schon zu Verwirrungen auf der Internetseite seines Fanclubs geführt. Dort hatten die Betreiber Songtexte eingestellt, und einen davon kommentierte ein Fan mit der dringenden Frage, ob man sich wirklich sicher sei, dass Poisel singe "Ich will dich nie wieder sehen"; er, der Fan, hätte "Ich will dich neben mir sehen" verstanden. Letzteres ist wohl richtig. Poisels Texte würden allerdings durchaus profitieren von ein bisschen mehr Härte anstelle des wehleidigen Gestus.

JAN WIELE

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