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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung

Und so etwas hört man im Berghain?
Für alle, die keinen Einlass bekommen: Das Technoalbum von Pantha du Prince

Hendrik Weber, der sich als Musiker Pantha du Prince nennt, macht Musik, die eine singende Maschine mit pumpenden Zylindern ist: Techno, für viele immer noch ein böses Wort. Hier wird doch gar kein Instrument gespielt!? Monoton ist das, funktional, maschinell, bis zum Stumpfsinn hypnotisierend. Ein hirnknirschendes Stampfen ohne Herz, von der Maschine stoisch zusammengezählte Einser und Nuller. Nichts schwingt hier, nichts singt, keine Seele kommuniziert über einen Klangkörper.

Die Verschwisterung von Mensch und Maschine, deren Utopie schon die Futuristen ergriff, ist in der elektronischen Musik eine mächtige Trope, die bis in die geometrischen Frisuren der Jugend in den Clubs dieser Welt reicht. Es findet eine seltsame Hochzeit statt des Organischen mit einem in Kabeln pulsierenden elektronischen Signal. Vielleicht mögen viele Leute Techno deswegen nicht, weil es ihnen unheimlich ist, menschlichen Ausdruck an eine Maschine zu delegieren. Vielleicht aber besteht auch eine heimliche Verwandtschaft zwischen den pumpenden Motoren der Maschinenkinder und dem Klopfen unserer Herzen, zwischen den blinkenden Prozessoren und dem elektronischen Blitzgewitter, das unser Denken ausmacht. Vielleicht ist die Existenz der Technomusik und ihrer vernarrten Hörerschaft schon Beweis genug für die Möglichkeit einer genuinen Affinität von Mensch und Maschine.

"Die Maschinen sind mittlerweile menschlicher geworden als die Menschen selbst", sagt Weber, doch in dieser Liebeserklärung fehlt die Unterscheidung nach Herr und Knecht. Master und Slave, mit diesen Titeln müssen die Benutzer elektronischer Instrumente das klangerzeugende und das klangauslösende Element bestimmen. Es ist der Mensch, der entscheidet, und Webers Herz für seine Maschinen sollte ihm nicht den Blick auf die eigene Meisterschaft verstellen.

Bevor er überhaupt musizieren kann, bedarf Hendrik Weber der Instrumente. Er kann auf kein Orchester zurückgreifen. Wie viele Schreiber von guter elektronischer Musik sitzt er zunächst vielmehr vor einem elektronischen Baukasten, mit dem er seine Klänge baut. Seine Werkzeuge sind Maschinen und Softwares, die die Frequenzen erzeugen und zerlegen, verschweißen und zersägen. Die Veränderung einer Variabel löst schwer zu kontrollierende Kettenreaktionen aus in den komplexen Algorhythmen, mit denen er hantiert. Weber bezeichnet seine Arbeit nicht als Komposition, sondern als das "hörende Begleiten von Klängen". Man braucht eine große Konzentrationsfähigkeit und ein feines Ohr.

Für seine neuste Platte "Black Noise" zog Weber wie einst Alan Lomax mit einem Aufnahmegerät aus. In den Schweizer Bergen sammelte er Klänge für sein Notebook, Geräusche der Natur, die Töne von Schweizer Folkloreinstrumenten. Dieses organische Material diente als Stoff, mit dem er die Instrumentenmaschine fütterte, das er mehr oder weniger stark verfremdete. In den Aufnahmen aus den Bergen steckten bereits die Stücke selbst. Seine Aufgabe, erzählt Weber, bestand lediglich in einer gewissenhaften Extrapolation des Materials. Jedes Geräusch ist in seiner Potenz bereits Musik. Weber ist bescheiden. Gute Technomusik wolle er machen, sagt er, Musik, zu der man tanzen kann. Und das kann man auch - euphorisch, wie sich nicht zuletzt bei seinen regelmäßigen Auftritten in der Panoramabar des Berliner "Berghain" erleben lässt. Man kann "Black Noise" aber auch wunderbar im Sitzen zuhören. Es gibt tatsächlich nur einen einzigen ostentativen Tanzflächenkracher auf dem Album. Entgegen den Klischees ist die Spielart von Techno, die Weber interessiert - ob man die nun "Minimal" nennen will oder "Deep House" - ohnehin nicht von einer Bassdrum getrieben. Es ist vielmehr das Hi-Hat-Schlagzeug, es sind die Achtel, die im Offbeat zwischen den Schlägen des ewigen Viervierteltaktes liegen, die die Musik vorantreiben, die ihr den Schwung verleihen und eine ziehende Sehnsucht - die Zylinder der Lokomotive.

Nun hat Weber aber gar kein Schlagzeug, weder Bassdrum noch Hi-Hat. Es gibt ein tiefes Pochen, ein Schaben, ein Klickern und Klacken, das den Rhythmus besorgt und dem Hörer wie dem verzückten Tänzer schon für sich Vergnügen bereiten kann in seiner Vielschichtigkeit, Heimlichkeit und scheinbaren Beiläufigkeit. Darüber aber liegen die Splitter und Fetzen von tausend Glocken, die die Maschinen von Weber mit ihm zusammen gebaut haben, die Gespenster von Xylophonen, Marimbas und Klanghölzern, wie silberne Spinnweben über der tiefen Schwärze, die Weber über Echo und Hall evoziert.

Nur in seltenen Momenten hört man eine menschliche Stimme - zum Glück, denn in den stillen Welten aus Eis und Nebel, die dem Hörer dabei vorschweben, wirkt sie seltsam deplaziert. Man denkt bei "Black Noise" nicht an die Wüstenei der Industriewelt, sondern an eine verlassene Weite, an eine Zukunft, in der die Maschinen leicht geworden sind wie Wolken und in der von den Schöpfern nichts geblieben ist als die dankbare Erinnerung ihrer Kreaturen.

ALARD VON KITTLITZ

Pantha du Prince, Black Noise. Rough Trade/Beggars Group 5317102 (Indigo)

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