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Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung

20. Die Elixiere von Baltimore

"Wild", der zweite Song auf "Bloom" von Beach House, beginnt mit dem summenden Synthesizer in etwa so, wie wenn einer die Blende seiner Kamera langsam aufdrehte und die Neonlichter einer riesigen Stadt aus der nächtlichen Schwärze auftauchen ließe. Ein Schlagzeug kommt dazu - Schnitt -, und die Kamera fliegt nun über den dunklen, regennassen Asphalt. Dann kommt die Gitarre, die Kamera hebt, dreht sich, und wir sehen ein junges Paar auf einem Motorrad über diesen einsamen Freeway aus der Stadt rasen, ohne Helm versteht sich, die Haare wehen im Wind, und die beiden sind von irgendwo abgehauen.

Leider ist nur der Name des Menschen, der sich die Bezeichnung "Dream Pop" ausgedacht hat, im Schlund ewigen Vergessens verschwunden. Als "Genre" - sowieso eine höchstens für aus Spinnweben zusammengeklebte Menschen relevante Idee, Genres - wird "Traum-Pop" immer mal wieder aufgetischt, und Beach House gehört dann genauso dazu wie lauter andere Bands, die außer Band-Sein eigentlich nix gemein haben. Was mit der Bezeichnung aber vermutlich ausgedrückt werden soll, ist so etwas wie Evokation, also dass die Musik beim Hören Bilder entstehen lässt. Das macht zwar viel Musik mit vielen Köpfen, aber Beach House haben doch, das kann man schon so sagen, von der ersten Platte an eigentümlich visuelle Musik gemacht.

Was soll das heißen? Woran liegt das? An der Stimme der Sängerin Victoria Legrand vielleicht, die so klingt, als sei sie in einer Opiumhöhle aufgenommen worden? An dem starken Hall auf der Gitarre, die immer wie von oben herabgeregnet kommt, oder an den Klangteppichen aus weichem Stoff, über denen das alles so klingt, dass man dazu auch einschlafen kann ohne Angst, von lauten Passagen geweckt zu werden? Oder liegt es vielleicht daran, dass man in amerikanischen Apotheken, auch denen von Baltimore, der Stadt, aus der Beach House kommen, Hustensäfte kaufen kann mit Wirkstoffen darin, die hierzulande nur nach Operationen verabreicht werden? Denn auf "Bloom" blubbert unter den weichen Klangteppichen auch eine unterdrückte Euphorie, eine betäubte Aufgedrehtheit mit, die diese Hustensäfte bei den Kranken auslösen, weswegen sie gerade in den südlichen Staaten auch von den Gesunden sehr geschätzt und immer wieder besungen werden. Kodein ist vielleicht einfach nur ein Teenage-Traum-Elixier: unterdrückte Euphorie, so war das doch, wenn man nachts ins Elternhaus zurückschlich.

Das sind übrigens keine gänzlich an den Haaren herbeigezogenen Bilder: Jugend und Liebe und unterdrückte Euphorie und so weiter, sondern schon auch wiederkehrende Elemente in den Texten von Legrand: "That's when your car pulls up, its hood is black and gleaming" zum Beispiel, oder: "Portrait of a young girl waiting for a new year", oder: "You were getting stronger memories again". Alles also irgendwie mit einer Art von Teenager-Sehnsucht . . . getränkt.

Alard von Kittlitz

Beach House: "Bloom". Cooperative Music / Universal

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