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Die Zukunft des UK HipHop/Garage. Dizzee Rascal ist der HipHop Shooting Star des Jahres 2003 in England. Sein Debüt "Boy In Da Corner" bekam überall überragende Kritiken und brachte ihm den begehrten Mercury Award ein. Mike "The Streets" Skinner ist zwar nicht der einzige, der in Dizzee Rascal die Zukunft des UK HipHop/Garage sieht, aber der Mann muss es wirklich wissen.

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Produktbeschreibung
Die Zukunft des UK HipHop/Garage. Dizzee Rascal ist der HipHop Shooting Star des Jahres 2003 in England. Sein Debüt "Boy In Da Corner" bekam überall überragende Kritiken und brachte ihm den begehrten Mercury Award ein. Mike "The Streets" Skinner ist zwar nicht der einzige, der in Dizzee Rascal die Zukunft des UK HipHop/Garage sieht, aber der Mann muss es wirklich wissen.
Trackliste
CD
1Sittin' Here00:04:05
2Stop Dat00:03:40
3I Luv U00:04:05
4Brand New Day00:04:00
52 Far00:03:07
6Fix Up, Look Sharp00:03:44
7Cut 'em Off00:03:53
8Hold Ya Mouf'00:02:55
9Round We Go00:04:13
10Jus' A Rascal00:03:39
11Wot U On?00:04:50
12Jezebel00:03:36
13Seems 2 Be00:03:46
14Live O00:03:35
15Do It!00:04:06
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 13.12.2003

Denn alle Angst will Kraft
Hinweg mit dem Hip-Hop-Baukasten, hier kommt ein britischer Rapper: Dizzee Rascals Debüt

Wenn der afroamerikanische Komiker Chris Rock die Welt des Hip-Hop mit der des Country vergleicht, dann hat er dafür gute Gründe: "Cracker music" wie "nigger music" rennen mit den immer gleichen Stereotypen offene Türen ein, es wird kaum noch etwas in Frage gestellt, dafür werden konsumbewährte Markenrezepte bis zur Selbstparodie ausgebügelt. Cowboyhut oder seitenverkehrte Baseballkappe: Macht das wirklich noch einen Unterschied? Und doch gibt es da einen Kern zäher, roher, widerständiger Straßenessenz, der sich selbst durch Stretchlimousinen und Millionendollarvideos nicht ganz knacken läßt. "Hip-Hop ist eine Musikform, die sich ändern kann, weil sie aus anderen Musikformen hervorgeht." So die afrobritischen Rapper von "Definition Of Sound" im Jahre 1992, zu einem Zeitpunkt also, als Hip-Hop von der Insel noch kaum von sich reden machte; zu übermächtig waren die amerikanischen Vorbilder.

Heute erweist sich die Randlage als Chance: Distanz, die Räume öffnet, zu ästhetischen Querschlägern einlädt und nicht zuletzt einem gerade einmal neunzehn Jahre alten MC erlaubt, mit einer durch und durch britischen Spielart von Hip-Hop die letzten Reste des alten Vorurteils erbarmungslos wegzublasen: Dylan Mills alias Dizzee Rascal. Seit zwei Jahren bereits spielen die Londoner Piratensender seine Straßen-Tagebücher rauf und runter, schüren die Medien den Hype um sein Debütalbum "Boy In Da Corner": Wenn Timbaland und die "Neptunes" dem Hip-Hop jenseits des Atlantiks wieder das Rocken beibringen, dann fräst Dizzee Rascal selbst in deren Beats nochmals Löcher und Zacken, um daraus einen brachial stotternden Boliden zu schweißen. Der übernervöse Sprechgesang des jungen Mannes aus dem Londoner East End windet sich um gebrochene Rhythmen und stumpf schiebende Baßsynthesizer; von der warmen, sedierenden Wirkung des Rhythm & Blues dagegen bleiben seine Lärmgebirge vollkommen unbeleckt. Warum auch nicht? Im East End haben die Klänge der garage music die Straßen geprägt, hier entsprechen die Roheit und lakonische Energie des jungle der Desillusioniertheit der dort lebenden Immigrantenjugend. "Neuen Raum zu schaffen, das heißt tiefer in den Rhythmus einzusteigen", sagt der britische Musikjournalist Kodwo Eshun.

Dizzee Rascal hat den akustischen Müll aus allen Ecken des East End zusammengekehrt und rhythmisch überhöht: elektrische Signale, Handy-Bleeps und hektische Snaredrums weben eine synthetische Seelenlandschaft, die die Grenzen einer nur noch körperlich erfahrbaren Entfremdung auslotet. Was kann Sprache den gewaltig sich aufbäumenden Breakbeats noch hinzufügen? Dizzees schwindelerregende Wortkaskaden schaffen das Unmögliche: Im schweren East-London-Dialekt kämpft er wie ein geschickter Boxer gegen die eigene Soundkulisse an, schlägt interpunktionslose Sätze und gepreßte Stakkatokommentare wie Haken zwischen die Beats. "If that girl knows where you stay that's poor / some whore bangin on your door what for? / pregnant? What you're talking about this for?/ Fifteen? She's under age that's raw." Kinder bekommen Kinder, ein Thema, das für Dizzees ehemaliges Straßenmilieu mindestens ebenso relevant sein dürfte wie die unvermeidlichen Pistolen-Reime und den neunzehnjährigen Rapper in eine lange Tradition des storytelling von Melle Mels "The Message" bis zu den Geto Boys und "My Mind Playing Tricks On Me" stellt. Dizzee bringt die Mündlichkeit zurück in den technologischen Mix. Selbst wenn er seinen Top-40-Hit "I Luv U" buchstabiert, braucht man nicht die Computertypographie seines Albums zu bemühen, um zu verstehen, daß hier keine Blumen, sondern bestenfalls existentialistisch-bitter gefärbte Beobachtungen ausgeteilt werden.

Damit steht der junge Brite bei allem technologischen Fortschritt der ursprünglichen Intention von Hip-Hop wohl näher als Puffy, Nelly, Ludacris und andere. Subversion des Herrschaftsdiskurses, Stärkung von Widerstandsgemeinschaften, Energie aus den eigenen ästhetischen Ressourcen schöpfen - angesichts von MTV-Champagnerschaumbädern ein einziger Witz. Dizzee aber, der als unruhiges und rebellisches Schulkind von einem verständnisvollen Musiklehrer auf die Spur gebracht wurde, scheint vom Rap-Geschäft unbeeindruckt. Seine ersten Discjockey-Erfahrungen machte er bei Jungle-Abenden, die Hip-Hop-Szene habe ihn dagegen kaum interessiert - wahrscheinlich die Voraussetzung für kreative Respektlosigkeit.

Dizzee Rascal steht damit in Tony Blairs Großbritannien nicht allein da. Erst unlängst haben seine afrobritischen Kollegen Roots Manuva und Ty ähnlich dissidente und über den Chart-Horizont hinausreichende Alben veröffentlicht. Aber niemand hat reale Geschichtsfäden und psychoakustische Sounddekonstruktion bisher so meisterhaft synchronisiert wie der Rapper aus dem East End. Dizzee Rascal versteckt sich nicht hinter den wohlfeilen Versatzstücken aus dem industriellen Hip-Hop-Baukasten. Seine Angst ist eine Kraft, eine Energie, die er so lange externalisiert, bis der Hörer von einer gewaltigen Schockwelle mitgerissen wird und spüren kann, was des Rappers Worte nur kryptisch preisgeben. "I'm here to remake the brains, take away the pain", hatte Rakim einst ins Buch der Hip-Hop-Geschichte geschrieben. Das Gehirn neu ordnen, den Schmerz wegnehmen: großartig, wenn Musik mächtig genug ist, eine solche neue Realitätsebene zu eröffnen.

JONATHAN FISCHER

Dizzee Rascal, Boy In Da Corner. XL CD 170

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