CD 1 | |||
1 | BRANDENBURGISCHES KONZERT NR. 1 F-DUR BWV 1046, Allegro | 00:04:09 | |
2 | BRANDENBURGISCHES KONZERT NR. 1 F-DUR BWV 1046, Adagio | 00:04:13 | |
3 | BRANDENBURGISCHES KONZERT NR. 1 F-DUR BWV 1046, Allegro | 00:05:01 | |
4 | BRANDENBURGISCHES KONZERT NR. 1 F-DUR BWV 1046, Menuetto,TrioI,Menuetto,Polacca,Menuetto,TrioII,Me | 00:08:41 | |
5 | BRANDENBURGISCHES KONZERT NR. 2 F-DUR BWV 1047, Allegro Moderato | 00:05:25 | |
6 | BRANDENBURGISCHES KONZERT NR. 2 F-DUR BWV 1047, Andante | 00:04:12 | |
7 | BRANDENBURGISCHES KONZERT NR. 2 F-DUR BWV 1047, Allegro assai | 00:03:09 | |
8 | BRANDENBURGISCHES KONZERT NR. 3 G-DUR BWV 1048, Allegro - Kadenz | 00:07:31 | |
9 | BRANDENBURGISCHES KONZERT NR. 3 G-DUR BWV 1048, Allegro | 00:05:41 | |
CD 2 | |||
1 | BRANDENBURGISCHES KONZERT NR. 4 G-DUR BWV 1049, Allegro | 00:08:02 | |
2 | BRANDENBURGISCHES KONZERT NR. 4 G-DUR BWV 1049, Andante | 00:04:16 | |
3 | BRANDENBURGISCHES KONZERT NR. 4 G-DUR BWV 1049, Presto | 00:05:27 | |
4 | BRANDENBURGISCHES KONZERT NR. 5 D-DUR BWV 1050, Allegro | 00:10:26 | |
5 | BRANDENBURGISCHES KONZERT NR. 5 D-DUR BWV 1050, Affetuoso | 00:05:42 | |
6 | BRANDENBURGISCHES KONZERT NR. 5 D-DUR BWV 1050, Allegro | 00:05:18 | |
7 | BRANDENBURGISCHES KONZERT NR. 6 B-DUR BWV 1051, Allegro | 00:06:46 | |
8 | BRANDENBURGISCHES KONZERT NR. 6 B-DUR BWV 1051, Adagio ma non tanto | 00:05:25 | |
9 | BRANDENBURGISCHES KONZERT NR. 6 B-DUR BWV 1051, Allegro | 00:06:09 |
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 08.08.2019Vereinigte Zwietracht der wechselnden Saiten
Historisch informiert, aber packend gegenwärtig: Bei der Bachwoche in Ansbach glänzen Isabelle Faust, Il Gusto Barocco und die Gaechinger Cantorey
Alle zwei Jahre ist bei der Bachwoche in der mittelfränkischen Stadt Ansbach zu erleben, in welchem Maß sich die Einsicht durchgesetzt hat, dass Musik früherer Epochen nicht ohne Kenntnis der musikalischen Praxis ihrer Entstehungszeit überzeugend aufzuführen ist, auch wenn es immer noch Musiker gibt, die sich allen historisierenden Interpretationsvarianten verweigern. Nach langer Zeit wurde mit dem Ensemble Il Gusto Barocco diesmal wieder ein ständiges Festspielorchester engagiert. Dessen Gründer und Leiter, der Dirigent, Organist und Cembalist Jörg Halubek, hat seine jungen Musiker auf das historische Originalklang-Ideal eingeschworen. Gleich beim ersten großen Bachwochen-Projekt, der Aufführung der sechs Brandenburgischen Konzerte, bekamen sie freilich die Tücken alter Spieltechniken zu spüren. Der vertrackte Trompetenpart im zweiten Konzert ist dem Solisten auf seinem ventillosen Instrument auf groteske Weise verunglückt, dass man dem Ensemble noch beim vierten Brandenburgischen Konzert die Verunsicherung anhörte.
Im zweiten Teil des Konzerts brachte die zur misslichen Situation auf wunderliche Weise passende Bachkantate "Vereinigte Zwietracht der wechselnden Saiten" alles wieder ins Lot. Dazu trugen auch die hervorragenden Solisten des Leipziger Vokalensembles amarcordplus entscheidend bei. An ihrem letzten Abend waren die Musiker von Il Gusto Barocco beim dritten und sechsten der Brandenburgischen Konzerte dann wieder ganz bei sich, musizierten schwungvoll, frohgelaunt und perfekt. Sie boten außerdem mit Bachs Tripelkonzert a-Moll für Violine, Flöte, Cembalo und Streicher (BWV 1044) und dem Konzert für drei Cembali C-Dur BWV 1064 reizvolle Raritäten.
Wie flexibel der Umgang mit den Kenntnissen historischer Aufführungspraktiken sein und doch höchst eindrucksvolle Klangerlebnisse bescheren kann, demonstrierte auf unnachahmliche Weise die Geigerin Isabelle Faust. Sie spielte auf ihrer Stradivari vibratolos, glasklar mit hellem Silberklang, der unglaubliche Farbnuancen in sich birgt, legte dabei mit hochsensibler Artikulation das Innenleben der drei Bach-Sonaten BWV 1015, 1016 und 1021 frei und verlieh den Stücken je ihre eigene Seele. Schade nur, dass in der Ansbacher Gumbertuskirche nicht überall deutlich genug die kunstvolle Begleitung durch Kristian Bezuidenhout auf dem Cembalo und die Laute von Elizabeth Kenny zu vernehmen waren. Das lebendig und wendig von Kristin von der Goltz behandelte Cello hatte es da viel leichter. In dem Konzert wurden den Bach-Werken zwei von ähnlich tiefer Empfindung geprägte Stücke von Heinrich Ignaz Franz Biber gegenübergestellt. In drei Sonaten des heute nahezu unbekannten Komponisten Johann Paul von Westhoff (1656 bis 1705) erkundeten Faust und ihre Basso-Continuo-Gruppe die Klangwelt eines nicht minder geschickten, aber doch eher auf äußere Effekte wie die Imitation von Glocken bedachten Barockkomponisten.
Es war fast ein wenig rührend, dass zur Bachwoche auch zwei Musiker engagiert worden waren, die sich offenbar allen Erkenntnissen über historische Musizierpraktiken verschließen und Bachs Cellosonaten BWV 1027 und BWV 1029 mit romantischer Emphase, hochgesättigtem Vibrato auf dem Violoncello und gewaltiger Fülle auf dem modernen Flügel spielten. Der ungarische Cellist Miklós Perényi und sein Landsmann Imre Rohmann am Klavier präsentierten nicht nur Bach, sondern auch Beethovens Cellosonate op. 5 Nr. 2 mit ihren teils empfindsamen, aber auch tänzerisch übermütigen Passagen, freilich fast ohne jede emotionale Regung. Bei der hochromantischen A-Dur Violinsonate von César Franck in der Fassung für Violoncello schienen die beiden in ihrem Element, doch auch da blieb ihre Interpretation reichlich routiniert.
Zu bestaunen war vor allem, wie exzellent die Gächinger Kantorei, die als eine der großen traditionellen Institutionen der deutschen Bach-"Pflege" einst häufiger Gast der Bachwoche war und auf Betreiben ihres früheren Leiters Helmuth Rilling bis zu dessen Ausscheiden 2013 am überkommenen Überwältigungsklang festgehalten hatte, nach einer - nicht ganz schmerzfreien - Mauser zur Gaechinger Cantorey nun Klangideale der Bachzeit umzusetzen vermag. Das Barockorchester, der auf fünfundzwanzig Sänger verschlankte Chor und das gut aufeinander abgestimmte Solistenensemble (grandios: Patrick Grahl als Evangelist) beschlossen unter Hans-Christoph Rademanns Leitung die diesjährige Bachwoche mit einer eindrucksvollen, dramatisch aufgeladenen, klanglich aber hoch transparenten Johannespassion.
Die gern als ewiggestrige Traditionalisten verdächtigten "Bachwöchner", wie sich die Ansbacher Konzertbesucher nicht ohne Selbstironie nennen, reagieren auf Neues und Ungewohntes inzwischen erstaunlich aufgeschlossen. Enthusiastischen Beifall gab es für das argentinische Ensemble La Chimera (Die Schimäre), das mit unbekümmerter Lust Bachs drittes Brandenburgisches Konzert mit Tangos konfrontierte. Noch frenetischer wurde der italienische Schlagzeuger Simone Rubino gefeiert, der zusammen mit der Chimera mit großer Einfühlung das für Marimba und Vibraphon arrangierte Violinkonzert E-Dur BWV 1042 und solo Bachs dritte Cellosuite zelebrierte.
Von bezwingend magischer Wirkung war die Performance des japanischen Tänzers Tadashi Endo, der zusammen mit dem Hamburger Ensemble Resonanz Bachs "Kunst der Fuge", Musik von Toshio Hosokawa und elektronische Klangcollagen mit den Mitteln des Butoh-Tanzes im Sakralraum der Kirche Sankt Johannis interpretierte und nur bei einer Minderheit von Bachwöchnern für Irritation sorgte, ansonsten mit großem Applaus bedacht wurde. Schließlich gab es auch einen kleinen Schwerpunkt mit neuer Musik aus dem Baltikum, darunter die Uraufführung eines kontemplativ-minimalistischen Stücks für Trompete, Violine und Orgel des estnischen Komponisten Jüri Reinvere, Werke von dessen Landsmann Arvo Pärt sowie des lettischen Zeitgenossen Peteris Vasks mit Werken von Bach und Mendelssohn.
Über das Engagement von "Il Gusto Barocco" als ständiges Ansbacher Festspielorchester wollen der Bachwochenleiter Andreas Bomba und der Chef des Ensembles in aller Ruhe beraten. Mit dem Einstand in diesem Jahr können sie trotz der unglückseligen Trompetenpanne mehr als zufrieden sein.
JOSEF OEHRLEIN
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Historisch informiert, aber packend gegenwärtig: Bei der Bachwoche in Ansbach glänzen Isabelle Faust, Il Gusto Barocco und die Gaechinger Cantorey
Alle zwei Jahre ist bei der Bachwoche in der mittelfränkischen Stadt Ansbach zu erleben, in welchem Maß sich die Einsicht durchgesetzt hat, dass Musik früherer Epochen nicht ohne Kenntnis der musikalischen Praxis ihrer Entstehungszeit überzeugend aufzuführen ist, auch wenn es immer noch Musiker gibt, die sich allen historisierenden Interpretationsvarianten verweigern. Nach langer Zeit wurde mit dem Ensemble Il Gusto Barocco diesmal wieder ein ständiges Festspielorchester engagiert. Dessen Gründer und Leiter, der Dirigent, Organist und Cembalist Jörg Halubek, hat seine jungen Musiker auf das historische Originalklang-Ideal eingeschworen. Gleich beim ersten großen Bachwochen-Projekt, der Aufführung der sechs Brandenburgischen Konzerte, bekamen sie freilich die Tücken alter Spieltechniken zu spüren. Der vertrackte Trompetenpart im zweiten Konzert ist dem Solisten auf seinem ventillosen Instrument auf groteske Weise verunglückt, dass man dem Ensemble noch beim vierten Brandenburgischen Konzert die Verunsicherung anhörte.
Im zweiten Teil des Konzerts brachte die zur misslichen Situation auf wunderliche Weise passende Bachkantate "Vereinigte Zwietracht der wechselnden Saiten" alles wieder ins Lot. Dazu trugen auch die hervorragenden Solisten des Leipziger Vokalensembles amarcordplus entscheidend bei. An ihrem letzten Abend waren die Musiker von Il Gusto Barocco beim dritten und sechsten der Brandenburgischen Konzerte dann wieder ganz bei sich, musizierten schwungvoll, frohgelaunt und perfekt. Sie boten außerdem mit Bachs Tripelkonzert a-Moll für Violine, Flöte, Cembalo und Streicher (BWV 1044) und dem Konzert für drei Cembali C-Dur BWV 1064 reizvolle Raritäten.
Wie flexibel der Umgang mit den Kenntnissen historischer Aufführungspraktiken sein und doch höchst eindrucksvolle Klangerlebnisse bescheren kann, demonstrierte auf unnachahmliche Weise die Geigerin Isabelle Faust. Sie spielte auf ihrer Stradivari vibratolos, glasklar mit hellem Silberklang, der unglaubliche Farbnuancen in sich birgt, legte dabei mit hochsensibler Artikulation das Innenleben der drei Bach-Sonaten BWV 1015, 1016 und 1021 frei und verlieh den Stücken je ihre eigene Seele. Schade nur, dass in der Ansbacher Gumbertuskirche nicht überall deutlich genug die kunstvolle Begleitung durch Kristian Bezuidenhout auf dem Cembalo und die Laute von Elizabeth Kenny zu vernehmen waren. Das lebendig und wendig von Kristin von der Goltz behandelte Cello hatte es da viel leichter. In dem Konzert wurden den Bach-Werken zwei von ähnlich tiefer Empfindung geprägte Stücke von Heinrich Ignaz Franz Biber gegenübergestellt. In drei Sonaten des heute nahezu unbekannten Komponisten Johann Paul von Westhoff (1656 bis 1705) erkundeten Faust und ihre Basso-Continuo-Gruppe die Klangwelt eines nicht minder geschickten, aber doch eher auf äußere Effekte wie die Imitation von Glocken bedachten Barockkomponisten.
Es war fast ein wenig rührend, dass zur Bachwoche auch zwei Musiker engagiert worden waren, die sich offenbar allen Erkenntnissen über historische Musizierpraktiken verschließen und Bachs Cellosonaten BWV 1027 und BWV 1029 mit romantischer Emphase, hochgesättigtem Vibrato auf dem Violoncello und gewaltiger Fülle auf dem modernen Flügel spielten. Der ungarische Cellist Miklós Perényi und sein Landsmann Imre Rohmann am Klavier präsentierten nicht nur Bach, sondern auch Beethovens Cellosonate op. 5 Nr. 2 mit ihren teils empfindsamen, aber auch tänzerisch übermütigen Passagen, freilich fast ohne jede emotionale Regung. Bei der hochromantischen A-Dur Violinsonate von César Franck in der Fassung für Violoncello schienen die beiden in ihrem Element, doch auch da blieb ihre Interpretation reichlich routiniert.
Zu bestaunen war vor allem, wie exzellent die Gächinger Kantorei, die als eine der großen traditionellen Institutionen der deutschen Bach-"Pflege" einst häufiger Gast der Bachwoche war und auf Betreiben ihres früheren Leiters Helmuth Rilling bis zu dessen Ausscheiden 2013 am überkommenen Überwältigungsklang festgehalten hatte, nach einer - nicht ganz schmerzfreien - Mauser zur Gaechinger Cantorey nun Klangideale der Bachzeit umzusetzen vermag. Das Barockorchester, der auf fünfundzwanzig Sänger verschlankte Chor und das gut aufeinander abgestimmte Solistenensemble (grandios: Patrick Grahl als Evangelist) beschlossen unter Hans-Christoph Rademanns Leitung die diesjährige Bachwoche mit einer eindrucksvollen, dramatisch aufgeladenen, klanglich aber hoch transparenten Johannespassion.
Die gern als ewiggestrige Traditionalisten verdächtigten "Bachwöchner", wie sich die Ansbacher Konzertbesucher nicht ohne Selbstironie nennen, reagieren auf Neues und Ungewohntes inzwischen erstaunlich aufgeschlossen. Enthusiastischen Beifall gab es für das argentinische Ensemble La Chimera (Die Schimäre), das mit unbekümmerter Lust Bachs drittes Brandenburgisches Konzert mit Tangos konfrontierte. Noch frenetischer wurde der italienische Schlagzeuger Simone Rubino gefeiert, der zusammen mit der Chimera mit großer Einfühlung das für Marimba und Vibraphon arrangierte Violinkonzert E-Dur BWV 1042 und solo Bachs dritte Cellosuite zelebrierte.
Von bezwingend magischer Wirkung war die Performance des japanischen Tänzers Tadashi Endo, der zusammen mit dem Hamburger Ensemble Resonanz Bachs "Kunst der Fuge", Musik von Toshio Hosokawa und elektronische Klangcollagen mit den Mitteln des Butoh-Tanzes im Sakralraum der Kirche Sankt Johannis interpretierte und nur bei einer Minderheit von Bachwöchnern für Irritation sorgte, ansonsten mit großem Applaus bedacht wurde. Schließlich gab es auch einen kleinen Schwerpunkt mit neuer Musik aus dem Baltikum, darunter die Uraufführung eines kontemplativ-minimalistischen Stücks für Trompete, Violine und Orgel des estnischen Komponisten Jüri Reinvere, Werke von dessen Landsmann Arvo Pärt sowie des lettischen Zeitgenossen Peteris Vasks mit Werken von Bach und Mendelssohn.
Über das Engagement von "Il Gusto Barocco" als ständiges Ansbacher Festspielorchester wollen der Bachwochenleiter Andreas Bomba und der Chef des Ensembles in aller Ruhe beraten. Mit dem Einstand in diesem Jahr können sie trotz der unglückseligen Trompetenpanne mehr als zufrieden sein.
JOSEF OEHRLEIN
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main