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Produktdetails
Trackliste
CD
1Sue's Birthday Cake
2You Are Important
3The Gloria Michaels Show
4Heading Into The Office
5Where's Carl?
6The Bank
7Buying Flowers
8Heart Attack
9Take Care Of Everything
10Gloria Works The Room
11Someone Destroyed My House
12It's Go Time
13Gloria's Studio
14The Law
15Some Kind Of Struggle
16The Bowling Alley
17Steve's Fate
18We Got A Body
19I Know Where Emma Is
20Conspiracy Theories
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Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 29.06.2021

Lauter Selbsthilfeschreie

Total tödliche Komödie mit starken Frauen: "Breaking News in Yuba County" von Tate Taylor im Kino.

Sue Buttons kann Zuspruch gebrauchen. Sie holt ihn sich mit einem Knopf im Ohr. "Deine Geschichte zählt", säuselt eine Stimme zu esoterischer Musik. "Dein Leben entfaltet sich prächtig." In dem Film "Breaking News in Yuba County" kann man dieser Entfaltung zusehen: Sue Buttons schlittert in ein "weekend of chaos and loss", aus einem Durchschnittsleben wird plötzlich ein Medienereignis, und vor dem Hintergrund eines normalerweise geruhsamen Lebens in einer Gegend, in der die amerikanische Mittelschicht zu Hause ist, gibt es überraschend viele Tote. Es gehört allerdings zu den Gesetzen dieser Form von schwarzer Komödie, dass am Ende ein bereinigtes Gleichgewicht wiederhergestellt wird, als wäre nicht viel gewesen, nur liegt halt jetzt der Ehemann von Sue unter der Erde.

Einer der Gründe, derentwegen man neugierig sein könnte auf den neuen Film von Tate Taylor, ist die Schauspielerin Allison Janney. Sie ist unvergesslich dank der Rolle der Pressesprecherin C. J. in der Präsidentenserie "The West Wing". Danach blieben interessante Hauptrollen die Ausnahme, was auch mit der Seltenheit von Filmen wie "Breaking News in Yuba County" zu tun hat: eine dezidiert mit starken Frauen besetzte Geschichte. Man kann sich den Pitch dazu förmlich vorstellen: ein bisschen "Fargo" mit einem möglichst diversen Ensemble. Die Drehbuchautorin Amanda Idoko hat beim Disney-Konzern ihr Handwerk gelernt; Regisseur Tate Taylor wurde mit "The Help" bekannt, der Adaption eines Romans über eine afroamerikanische Haushaltshilfe in den Zeiten der Bürgerrechtsbewegung. Zumindest im Yuba County haben die vielen Emanzipationsbemühungen der letzten Jahrzehnte offenkundig gefruchtet. Sue Buttons lebt in einer Welt, in der ihre eigene Lebensform keineswegs die einzig richtige ist. Das findet sie auch auf eine leicht schockierende Weise heraus, als sie bemerkt, dass der Blumenstrauß, den ihr Mann Karl eines Nachmittags kauft, nicht für sie aus Anlass ihres Geburtstags bestimmt ist. Er fährt damit nämlich zu einem Motel, wo er von seiner Frau in flagranti mit einer Nebenbuhlerin angetroffen wird. Außerdem mit einer Tasche, in der sich drei Millionen Dollar befinden. Verkompliziert wird die Sache noch dadurch, dass Karl den unterbrochenen Geschlechtsakt nicht überlebt. Sue Buttons, anscheinend noch irgendwie motiviert durch das Selbsthilfegesäusel, mit dem sie sich dauernd zudröhnt, ruft aber nicht die Polizei, sondern buddelt für Karl ein Grab und entsorgt ihn und das Geld.

Dann gibt Sue eine Vermisstenanzeige auf, verwickelt sich in Widersprüche, und die Sache beginnt allmählich wirklich kompliziert zu werden. Karl hatte wohl über seinen Bruder Petey Kontakte in schlechte Kreise und wurde erpresst, seinen Job bei einer Bank für Geldwäsche zu missbrauchen. Petey arbeitet im Möbelladen von Rita, die schon lange Lust hat, einmal ein gefährliches Ding zu drehen, und sich als hilfreich erweist, als Mina auftaucht, eine asiatische Amerikanerin, die eigentlich die drei Millionen Dollar eintreiben soll. Jede dieser Rollen ist markant besetzt, so spielt die Rapperin Awkwafina die Killerin Mina. Unbedingt erfreulich ist das Wiedersehen mit Wanda Sykes, die man aus der Comedyserie "Curb Your Enthusiasm" kennen könnte - die Großzügigkeit, mit der in "Breaking News in Yuba Country" das Ensemble zusammengestellt wurde, sieht man auch daran, dass selbst Rita noch eine Ehefrau bekommt, gespielt von Ellen Barkin in einem kleinen, aber resonanten Auftritt. Juliette Lewis spielt eine TV-Journalistin, Mila Kunis deren Konkurrentin, die wiederum die Schwester von Sue ist, und Regina Hall ist als Polizistin eine starke Gegenspielerin zu der anfangs naiven, dann aber schnell sehr intuitiv alles richtig machenden Sue. Die angeblich unerreichbare postrassistische Gesellschaft ist in Yuba County schon erreicht. Interessanter ist der Aspekt der Gewalt: Das Vergnügen in diesem Genre resultiert geradezu daraus, dass sich in einem an sich langweiligen Leben plötzlich ein Ventil öffnet. Da drückt dann eben Rita, die niemand mit ihrer Waffe wirklich ernst nehmen würde, plötzlich ab. Chargenfiguren kommen auf abscheuliche Weise zu Tode, aber niemand regt das auf. Das hat damit zu tun, dass diese Gewalt in jedem Moment als ironisch lesbar ist, als eine Durchbrechung eines biederen Lebens, das dadurch aber gar nicht wirklich betroffen ist.

Auf eine fast schon potenziert ironische Weise, dann aber auch ein wenig tragisch sammelt "Breaking News in Yuba County" ein, was sich seit den Neunzigerjahren an Gewaltmustern im amerikanischen Kino entwickelt hat. Davor war im Wesentlichen jede Körperverletzung erzählerisch motiviert gewesen; mit den "postmodernen" Filmen, als deren Höhepunkt bis heute "Pulp Fiction" gelten muss, veränderte sich der Status der Gewalt. Sie wurde zu strategischer Effektware, die Lust sehr häufig durch ihre Unmotiviertheit bereitete; das Verhältnis von Alltag und Gewalt verschob sich in einer Welt, in der es Alltag gar nicht mehr zu geben schien.

Amanda Idoko versucht mit "Breaking News in Yuba County" die männlich besetzten Topoi dieser Grausamkeiten für Frauen zu erschließen. Gerade deswegen ist Rita die wohl wichtigste Nebenfigur, weil sie für die Transgression steht: Jetzt darf ich auch einmal mit dem Ding nicht nur hysterisch herumfuchteln! Die einzige wirklich interessante Figur ist dabei allerdings Sue selbst, die für eine Weile die Welle ihrer Chuzpe reitet. Dass sie sich dabei zu einer monströsen Figur zusammenrafft, kann man in Allison Janneys latent melodramatischem Spiel durchaus erkennen. Der Film "Breaking News in Yuba County" aber weiß davon wenig, weil er mit filmhistorischen Aufrechnungen beschäftigt ist, die heute eigentlich schon unzeitgemäß geworden sind.

BERT REBHANDL

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