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Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung

Sind Freunde elektrisch?
Die New Pornographers werden klassisch-meisterlich

Wer kam eigentlich auf die Idee, The New Pornographers eine "supergroup" zu nennen? Schon zur Veröffentlichung ihres ersten Albums jonglierte man mit dem Begriff, der bis dahin kurzlebigen Gruppen wie Cream, Blind Faith oder Crosby, Stills, Nash & Young vorbehalten war. Dagegen Dan Bejar, Neko Case, Carl Newman und Kollegen? Ersterer spielte in einer damals obskuren Lo-Fi-Kapelle namens Destroyer, Case war noch lange nicht bei ihrem "Country Noir" angelangt, und Carl Newman war eben Carl Newman - eine Supergroup sieht anders aus. Die New Pornographers existieren nun seit fünfzehn Jahren und damit gut vierzehn Jahre länger als Blind Faith.

Zwar verliefen die Solokarrieren der Mitglieder überwiegend dynamisch, sie schenkten der Welt dabei eine Handvoll wunderbarer Alben, Neko Case musste zeitweise von Kathryn Calder ersetzt werden. Dennoch hatte man als Hörer nie das Gefühl, dass es sich bei den New Pornographers um einen von Produzentenhand zusammengewürfelten Arbeitertrupp handeln könnte. Im Gegenteil, man spürte, wie die Band mit den Horizonten ihrer Mitglieder wuchs. Gerade im Laufe des fast makellosen Dreigestirns "Mass Romantic", "Electric Version" und "Twin Cinema" sog das Band-Mutterschiff die verschiedenen Einflüsse seiner Trabanten in sich auf und verhüttete diese zu einem stimmigen Ganzen. Auf die drei Kritiker-Darlings folgte dann aber "Challengers", ein mittelmäßiges Album, dem man den vollen Terminkalender der Musiker anmerkte, während auf dem wiederum famosen fünften Werk der Titel "Together" mehr frommer Wunsch als Tatsache war.

Dort scheint die Band mit ihrem sechsten Studioalbum allerdings wieder angekommen zu sein. Allen voran der Chef A.C. Newman, der sein Versprechen eines leichten, lichtdurchfluteten Albums mit "Brill Bruisers" einlöst. Der befreite Sound geht dabei auf einen Umbruch in Newmans Leben zurück. In Klang übersetzt ihn das Titelstück, bei dem mehrstimmige "Ba-ba-ba"-Chöre sich überschlagen. Dazu bedienen sich die New Pornographers zunehmend der Elektronik. Zu Beginn von "Backstairs" fürchtet man geradezu, sich auf Neil Youngs Computer-Platte "Trans" verlaufen zu haben. Der Querverweis zu "Reflektor" von den Landsleuten Arcade Fire liegt nicht fern, und tatsächlich haben beide Bands eines gemein: Ihre Melodien klingen naturwüchsig, beinahe improvisiert, doch hinter dem dahingeworfenen Klang steckt eine ganze Menge Arbeit.

Arbeit, die traditionell im New Yorker "Brill Building" verrichtet wird. 165 Musikverlage waren 1962 dort ansässig und prägten mit ihrer distinktiven Arbeitsweise den Begriff des "Brill Building Pop", ein Synonym für die Zähmung des Rock 'n' Roll, hin zu einem ausgefeilteren, aber auch unfreieren Klang und zum wachsenden Einfluss professioneller Songwriter und Produzenten.

Dass "Brill Bruisers" nun darauf anspielt, ist insofern sinnvoll, als die New Pornographers Meister ihres Fachs sind. Kaum eine andere Band schafft es, derart viele Versatzstücke zu einem so nahtlosen Flickenteppich zu verkleben wie sie - die New Pornographers klingen, wie das Gebäude am Broadway aussieht: grundsolide, ein auf festen Füßen gebauter Klotz mit symmetrischen Fensterfronten und Ladenzeilen im Erdgeschoss. Nur der Eingang hebt sich ab: ein vergoldetes Zierwerk im typischen New Yorker Art Déco, nüchtern und dennoch ein wenig verspielt - ein Stück Handwerkskunst, welches das Auge im Grau des Häusermeeres bindet.

DENNIS POHL

The New

Pornographers:

Brill Bruisers.

Matador 5424635 (Beggars/Indigo)

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