Schon jetzt das Alternative Rock Album des Sommers 2006. The Raconteurs sind Jack Lawrence (Bass), Patrick Keeler (Drums), Brendan Benson (Gitarre, Keyboards, Gesang) and Jack White (Gitarre, Keyboards, Gesang). Benson und White schrieben eines heißen Sommerabends den Song "Steady, As She Goes", der so inspirierend wirkte, dass sie beschlossen, die Rhythmuscrew der Greenhornes zur Band zu bitten und ein Album daraus werden zu lassen. Und da jeder der Musiker erfolgreich in anderen Band ist, ist es die Addition dieser Talente, die die Raconteurs ausmacht. Sie sind ganz sicher eine Kraft, mit der in diesem Jahr zu rechnen ist. In Bensons East Grand Studio wurden bereits Anfang 2005 die Basistracks für das Album eingespielt. Die Arbeit wurde immer dann fortgesetzt, wenn die Zeit der eifrig tourenden Herrschaften es mal wieder zuließ Jetzt sind aber sämtliche Soloprojekte, White Stripes- oder Greenhornes-Verpflichtungen ad acta gelegt und alle 4 konzentrieren sich auf das, was mittlerweile zu einer veritablen Band wurde, The Raconteurs. Die Bandbreite des Albums reicht von dem beinahe pop-rockigen "Steady, As She Goes" bis zur explosiven Verschlagenheit von "Store Bought Bones"; es gibt die authentische Bluesnummer "Blue Vein" und auch eine tränenziehende Ballade darf nicht fehlen ("Together"). Dieser Bandname ist programmatisch, schließlich ist ein Raconteur ein Geschichtenerzähler. Mindestens 10 Geschichten werden auf dem Album erzählt. Die Story dieser Band hat gerade erst begonnen.
CD | |||
1 | Steady, As She Goes | 00:03:35 | |
2 | Hands | 00:04:01 | |
3 | Broken Boy Soldier | 00:03:02 | |
4 | Intimate Secretary | 00:03:26 | |
5 | Together | 00:03:58 | |
6 | Level | 00:02:19 | |
7 | Store Bought Bones | 00:02:24 | |
8 | Yellow Sun | 00:03:17 | |
9 | Call It A Day | 00:03:34 | |
10 | Blue Veins | 00:03:52 |
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 14.05.2006Nach dem Anfang geht der Irrsinn erst richtig los
Der Trend geht zur Zweitband: Jack White, der Sänger der White Stripes, hat mit ein paar Kollegen ein neues Projekt gegründet
Seltsame Zeiten für klassische Band-Musik. Auf der einen Seite tischt uns die Musikindustrie gerade eine Retro-Wave-Band nach der anderen auf. Jede von ihnen, wird behauptet, sei waghalsig, gerade erst gegründet und innovativ bis zum Dorthinaus - bei dezentem Hinhören entpuppen sich die meisten jedoch nur als billige Plagiatoren. Auf der anderen Seite: diverse Coldplay-Substitute, die sich mit Tränen in den Augen an der eigenen Ergriffenheit verschlucken. Und jetzt auch noch das: eine angebliche "Indie-Supergroup", die deftigen Schlaghosen-Rock mit Hippie-Einschlag anbietet.
Mit ein bißchen Ruhe läßt sich sagen: Nein, eine Supergroup, wie vielerorts behauptet, sind The Raconteurs nicht. Zumindest nicht, wenn man eine Supergroup als Anhäufung von Musikprominenz definiert. Lediglich ein Beteiligter der Band hat bereits vernehmlich an der Mainstream-Pforte angeklopft: Jack White - hauptberuflich Sänger des Comic-Blues-Duos The White Stripes. Ein Pop-Phänomen, das immer ein bißchen wirkt, als habe man es nur ersonnen, um irgendwann einmal einen Gastauftritt bei den Simpsons zu erhaschen. Das war's dann aber auch schon in Sachen musikalischer A-Prominenz.
Brendan Benson, der zweite Frontmann der Raconteurs, ist zwar ein mehr als achtbarer Pop-Songwriter; für viel mehr als Kritikerlob reichte es bislang jedoch kaum. Die Rhythmusgruppe, bestehend aus Jack Lawrence und Patrick Keeler, schließlich schuftete bislang bei den Greenhornes, einer extrem stilsicheren und extrem unoriginellen Garagenband aus Cincinnati. Keine Supergroup also. Es liegt somit nahe, die große Aufmerksamkeit, die den Raconteurs dieser Tage zuteil wird, alleine Jack Whites Berühmtheit in die Stiefeletten zu schieben. Allerdings: "Broken Boy Soldiers", das Debüt, ist eine tolle Platte, mit der man bestens durch den Frühling kommen kann.
Dabei ist nichts, absolut nichts auf dieser Platte neu. Musikfreunde in ihren mittleren Fünfzigern könnten sich mit dieser Platte manch kulturpessimistischen Abend versüßen und im Sekundentakt kennerisch die Einflüsse ausmachen: Beatles, Led Zeppelin, Traffic, Black Sabbath, Cream, The Who, Big Star, Thin Lizzy. Spätestens nach der Hälfte der Songs könnten sie lässig das Jeanshemd überm weißen T-Shirt aufknöpfen. Am Schluß kippt die Rotweinflasche um: ist doch egal, was mit dem Teppich passiert; es riecht nach Patchouli-Räucherstäbchen. Warum aber sollte diese Platte, die nichts mit der allgegenwärtigen Frühachtzigerbelehnung zu tun hat, auch und vor allem junge Menschen in Hysterie versetzen? Weil die Raconteurs für die weiße Rockmusik der späten Sechziger und frühen Siebziger ähnliches leisten wie Franz Ferdinand für den eckigen Wave-Pop der Achtziger - sie verdichten das Beste und geben dem Ganzen somit seine Sexyness zurück.
"Steady, As She Goes", der Eröffnungssong und gleichzeitig die erste Single, bringt tatsächlich die zweistimmige Leadgitarre in die Indie-Clubs zurück. Man sieht die Haare fliegen - ein Trauerkloß, wer da nicht mitgeht. Danach geht der Irrsinn aber erst richtig los. Der Titelsong ist ein hysterischer Walpurgisnachtritt, den man gehört haben muß. Bei "Level" bluten die Gitarren, und ein Meeresungeheuer-Synthesizer quiekt. Bald fragt man sich, wie diese beiden großen Könner, White und Benson, jemals wieder ohne einander auskommen sollen: Das Songwriting ist fast durchweg großartig und trägt die besten Momente einer Epoche zusammen, als sich der Himmel über Hippiehausen langsam verdunkelte. Zum Glück haben die beiden Humor, verfallen dabei aber keine Sekunde in ironische Distanz zu ihrer Lieblingsmusik. Aber auch die beiden unbekannteren Herren an Schlagzeug und Baß sind nicht zu unterschätzen. Was da zusammen geklopft und gezupft wird, hat man in dieser Präzision lange nicht gehört. Nach nur zehn Songs und 33 Minuten Spielzeit ist klar: "Broken Boy Soldiers" ist eine Platte des Handwerks. Und der Spielfreude. Altmodische Worte für zeitlose Musik. Noch mal: The Raconteurs sind keine Supergroup. Aber eins der schönsten Nebenprojekte der Welt.
ERIC PFEIL
The Raconteurs' "Broken Boy Soldiers" ist bei Xl/Beggars (Indigo) erschienen.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Der Trend geht zur Zweitband: Jack White, der Sänger der White Stripes, hat mit ein paar Kollegen ein neues Projekt gegründet
Seltsame Zeiten für klassische Band-Musik. Auf der einen Seite tischt uns die Musikindustrie gerade eine Retro-Wave-Band nach der anderen auf. Jede von ihnen, wird behauptet, sei waghalsig, gerade erst gegründet und innovativ bis zum Dorthinaus - bei dezentem Hinhören entpuppen sich die meisten jedoch nur als billige Plagiatoren. Auf der anderen Seite: diverse Coldplay-Substitute, die sich mit Tränen in den Augen an der eigenen Ergriffenheit verschlucken. Und jetzt auch noch das: eine angebliche "Indie-Supergroup", die deftigen Schlaghosen-Rock mit Hippie-Einschlag anbietet.
Mit ein bißchen Ruhe läßt sich sagen: Nein, eine Supergroup, wie vielerorts behauptet, sind The Raconteurs nicht. Zumindest nicht, wenn man eine Supergroup als Anhäufung von Musikprominenz definiert. Lediglich ein Beteiligter der Band hat bereits vernehmlich an der Mainstream-Pforte angeklopft: Jack White - hauptberuflich Sänger des Comic-Blues-Duos The White Stripes. Ein Pop-Phänomen, das immer ein bißchen wirkt, als habe man es nur ersonnen, um irgendwann einmal einen Gastauftritt bei den Simpsons zu erhaschen. Das war's dann aber auch schon in Sachen musikalischer A-Prominenz.
Brendan Benson, der zweite Frontmann der Raconteurs, ist zwar ein mehr als achtbarer Pop-Songwriter; für viel mehr als Kritikerlob reichte es bislang jedoch kaum. Die Rhythmusgruppe, bestehend aus Jack Lawrence und Patrick Keeler, schließlich schuftete bislang bei den Greenhornes, einer extrem stilsicheren und extrem unoriginellen Garagenband aus Cincinnati. Keine Supergroup also. Es liegt somit nahe, die große Aufmerksamkeit, die den Raconteurs dieser Tage zuteil wird, alleine Jack Whites Berühmtheit in die Stiefeletten zu schieben. Allerdings: "Broken Boy Soldiers", das Debüt, ist eine tolle Platte, mit der man bestens durch den Frühling kommen kann.
Dabei ist nichts, absolut nichts auf dieser Platte neu. Musikfreunde in ihren mittleren Fünfzigern könnten sich mit dieser Platte manch kulturpessimistischen Abend versüßen und im Sekundentakt kennerisch die Einflüsse ausmachen: Beatles, Led Zeppelin, Traffic, Black Sabbath, Cream, The Who, Big Star, Thin Lizzy. Spätestens nach der Hälfte der Songs könnten sie lässig das Jeanshemd überm weißen T-Shirt aufknöpfen. Am Schluß kippt die Rotweinflasche um: ist doch egal, was mit dem Teppich passiert; es riecht nach Patchouli-Räucherstäbchen. Warum aber sollte diese Platte, die nichts mit der allgegenwärtigen Frühachtzigerbelehnung zu tun hat, auch und vor allem junge Menschen in Hysterie versetzen? Weil die Raconteurs für die weiße Rockmusik der späten Sechziger und frühen Siebziger ähnliches leisten wie Franz Ferdinand für den eckigen Wave-Pop der Achtziger - sie verdichten das Beste und geben dem Ganzen somit seine Sexyness zurück.
"Steady, As She Goes", der Eröffnungssong und gleichzeitig die erste Single, bringt tatsächlich die zweistimmige Leadgitarre in die Indie-Clubs zurück. Man sieht die Haare fliegen - ein Trauerkloß, wer da nicht mitgeht. Danach geht der Irrsinn aber erst richtig los. Der Titelsong ist ein hysterischer Walpurgisnachtritt, den man gehört haben muß. Bei "Level" bluten die Gitarren, und ein Meeresungeheuer-Synthesizer quiekt. Bald fragt man sich, wie diese beiden großen Könner, White und Benson, jemals wieder ohne einander auskommen sollen: Das Songwriting ist fast durchweg großartig und trägt die besten Momente einer Epoche zusammen, als sich der Himmel über Hippiehausen langsam verdunkelte. Zum Glück haben die beiden Humor, verfallen dabei aber keine Sekunde in ironische Distanz zu ihrer Lieblingsmusik. Aber auch die beiden unbekannteren Herren an Schlagzeug und Baß sind nicht zu unterschätzen. Was da zusammen geklopft und gezupft wird, hat man in dieser Präzision lange nicht gehört. Nach nur zehn Songs und 33 Minuten Spielzeit ist klar: "Broken Boy Soldiers" ist eine Platte des Handwerks. Und der Spielfreude. Altmodische Worte für zeitlose Musik. Noch mal: The Raconteurs sind keine Supergroup. Aber eins der schönsten Nebenprojekte der Welt.
ERIC PFEIL
The Raconteurs' "Broken Boy Soldiers" ist bei Xl/Beggars (Indigo) erschienen.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main