Produktdetails
- Anzahl: 1 Vinyl
- Erscheinungstermin: 27. März 2015
- Hersteller: 375 Media GmbH / ASTHMATIC KITTY / CARGO,
- EAN: 0656605609911
- Artikelnr.: 42089317
- Herstellerkennzeichnung
- 375 Media GmbH
- Schlachthofstraße 36A
- 21079 Hamburg
- https://375media.com
LP | |||
1 | DEATH WITH DIGNITY | ||
2 | SHOULD HAVE KNOWN BETTER | ||
3 | ALL OF ME WANTS ALL OF YOU | ||
4 | DRAWN TO THE BLOOD | ||
5 | EUGENE | ||
6 | FOURTH OF JULY | ||
7 | THE ONLY THING | ||
8 | CARRIE & LOWELL | ||
9 | JOHN MY BELOVED | ||
10 | NO SHADE IN THE SHADOW OF THE CROSS | ||
11 | BLUE BUCKET OF GOLD |
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 27.04.2015Derrida lacht sich ins Fäustchen
Der 1971 in Trier geborene Pianist und Komponist Patrick Bebelaar ist zurzeit in einer begeisternden Schöpferlaune. So widmete er sich kürzlich auf der CD "Stupor Mundi" der Bearbeitung frühmittelalterlicher Musik und ergänzte sie im Beilagenheftchen mit Kochrezepten der Zeit. Bei der nächsten, "Three Seasons", tupfte er zusammen mit Tuba und Schlagzeug in freien Improvisationen entlang an kurzen Themafragmenten und auch an zwei Evergreens. Sein jüngstes Album "Reflection In Your Eyes" (Neuklang/Edel) in der Gesellschaft von Frank Kroll (Sopransaxophon), Günter Lenz (Bass) und Pierre Favre (Schlagzeug) ist ein Meisterwerk der Klangschönheit, der Einfälle, der Stimmungen zwischen Melancholie und lustvoller Verwirbelung. Ein minimalistisches Ostinato kann seine sanfte Motorik ausbreiten, bevor es zur Begleitung eines lyrischen Themas wird; Gospel-Assoziationen vereinen sich mit europäischen Choral-Erinnerungen; manche Themen (am Schluss auch ein Evergreen: "Autumn Leaves") werden in freier Improvisation erspielt. Das ist in jeder Sekunde spannend, virtuos gespielt, gängige Erwartungen über den Haufen werfend und glänzend aufgenommen. Den obertonreichen Bass vom gut aufgelegten Günter Lenz hat man selten so präsent gehört. Und der sonst eher feinmechanische Ästhet Pierre Favre haut hier manchmal fast rock-maniriert auf die Felle und Bleche. Darüber freuen sich alle.
u.o.
*
Natürlich ist das Quatsch, bunte Knete, Heu und Stroh der Sprache: "Derrida lacht, lacht und gibt". Was soll damit gemeint sein? Aber auf Italienisch klingt das schon anders: "Derrida ride ride e da". Über einem rumpelnden Tarantella-Rhythmus vollführt die sizilianische Sängerin Etta Scollo einen Trommelwirbel der Zunge im schnellen Wechsel von ,D' und ,R'. "Derrida" heißt dieses lustige Lied nach einem eigenen Text, das Scollo zusammen mit der Cellistin Susanne Paul in das Album "Tempo al Tempo - Scollo con Cello" (Jazzhaus Records/Inakustik) eingeschleust hat. Paul trommelt dazu auf dem Korpus ihres Violoncellos. Gewidmet ist das Lied dem französischen Philosophen Jacques Derrida. Es feiert, wie dessen Philosophie, das freie Spiel der sprachlichen Zeichen in weitgehender Lösung vom Bezeichneten. Aber es fällt dem Philosophen zugleich lustvoll in den Rücken: Wo er Kritik am "Phonozentrismus" des Abendlandes übte, also an der Bindung des eigentlichen Sinns an die hörbare, klingende Sprache, da schafft das Lied Sinn im Unsinn allein durch den Klang. Weitere Lieder nach zeitgenössischer Lyrik, etwa einem Text von Joachim Sartorius, umgeben es.
jbm.
*
"Hotel California" ist, trotz des feinen Gitarrensolos von Joe Walsh, einer dieser Songs, die einem durch ihren jahrzehntelangen Dauereinsatz auf Grillfesten, in Dorfdiscos und Hotel-Lobbys längst gehörig auf die Nerven gehen. Dass es sich dabei eigentlich mehr um eine finstere Moritat handelt, ist schnell hinter viel kalifornischem Puderzucker (oder einer ähnlich aussehenden Substanz) verschwunden. Die ewige New Yorker Underground-Ikone Lydia Lunch, die immer noch mehr spricht als singt und dabei klingt, als würde sie auf einer Chaiselongue liegen, exorziert das Lied mit ihrem morbiden Charme. Einmal mehr hat sie sich auf "Twin Horses" (Rustblade/Broken Silence) mit dem Bluesgitarristen Cypress Grove zusammengetan, der seine Akkorde gerne wie weiland Morricone zitternd mit viel Hall im Raum stehenlässt. Dass die beiden dabei neben eigenen Songs mit "Death Is Hanging Over Me" auch an Nikki Sudden erinnern, einen britischen Finsterling und Glamrocker, der nach seinem Tod vor knapp zehn Jahren leider schnell in Vergessenheit geriet, ist ein feiner Zug.
roth
*
Wenn es kein Witz sein sollte, dass der Singer/Songwriter Sufjan Stevens über jeden der fünfzig amerikanischen Bundesstaaten ein Album aufnehmen wollte, dann hat er nach "Michigan" (2003) und "Illinois" (2005) noch immer achtundvierzig Alben vor sich. Dafür hat er allerdings mittlerweile ganze zehn Weihnachtsalben aufgenommen, und die muss man eigentlich alle haben, denn sie sind wunderschön. Weniger schön klingt dagegen die Geschichte seiner im vergangenen Jahr gestorbenen Mutter Carrie Stevens, die wohl so ziemlich alle Härten des Lebens kennengelernt hat: Depression, Drogensucht, Obdachlosigkeit. Ihr und seinem Stiefvater hat Stevens nun das Erinnerungsalbum "Carrie & Lowell" (Asthmatic Kitty/Cargo Records) gewidmet, das nicht auf die großen Arrangements von ehedem setzt (man denke an die zig Versionen des Songs "Chicago"), sondern meist nur auf Gesang, Gitarre und wabernde Klangeffekte, die es vom zu Herzen gehenden "Death With Dignity" bis zum rätselhaften "Blue Bucket of Gold" wie einen Hauch vorbeiziehen lassen. Es geht hier wohl weniger um einzelne Songs, aber besonders verfängt die Zeile "All of me wants all of you".
wiel
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Der 1971 in Trier geborene Pianist und Komponist Patrick Bebelaar ist zurzeit in einer begeisternden Schöpferlaune. So widmete er sich kürzlich auf der CD "Stupor Mundi" der Bearbeitung frühmittelalterlicher Musik und ergänzte sie im Beilagenheftchen mit Kochrezepten der Zeit. Bei der nächsten, "Three Seasons", tupfte er zusammen mit Tuba und Schlagzeug in freien Improvisationen entlang an kurzen Themafragmenten und auch an zwei Evergreens. Sein jüngstes Album "Reflection In Your Eyes" (Neuklang/Edel) in der Gesellschaft von Frank Kroll (Sopransaxophon), Günter Lenz (Bass) und Pierre Favre (Schlagzeug) ist ein Meisterwerk der Klangschönheit, der Einfälle, der Stimmungen zwischen Melancholie und lustvoller Verwirbelung. Ein minimalistisches Ostinato kann seine sanfte Motorik ausbreiten, bevor es zur Begleitung eines lyrischen Themas wird; Gospel-Assoziationen vereinen sich mit europäischen Choral-Erinnerungen; manche Themen (am Schluss auch ein Evergreen: "Autumn Leaves") werden in freier Improvisation erspielt. Das ist in jeder Sekunde spannend, virtuos gespielt, gängige Erwartungen über den Haufen werfend und glänzend aufgenommen. Den obertonreichen Bass vom gut aufgelegten Günter Lenz hat man selten so präsent gehört. Und der sonst eher feinmechanische Ästhet Pierre Favre haut hier manchmal fast rock-maniriert auf die Felle und Bleche. Darüber freuen sich alle.
u.o.
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Natürlich ist das Quatsch, bunte Knete, Heu und Stroh der Sprache: "Derrida lacht, lacht und gibt". Was soll damit gemeint sein? Aber auf Italienisch klingt das schon anders: "Derrida ride ride e da". Über einem rumpelnden Tarantella-Rhythmus vollführt die sizilianische Sängerin Etta Scollo einen Trommelwirbel der Zunge im schnellen Wechsel von ,D' und ,R'. "Derrida" heißt dieses lustige Lied nach einem eigenen Text, das Scollo zusammen mit der Cellistin Susanne Paul in das Album "Tempo al Tempo - Scollo con Cello" (Jazzhaus Records/Inakustik) eingeschleust hat. Paul trommelt dazu auf dem Korpus ihres Violoncellos. Gewidmet ist das Lied dem französischen Philosophen Jacques Derrida. Es feiert, wie dessen Philosophie, das freie Spiel der sprachlichen Zeichen in weitgehender Lösung vom Bezeichneten. Aber es fällt dem Philosophen zugleich lustvoll in den Rücken: Wo er Kritik am "Phonozentrismus" des Abendlandes übte, also an der Bindung des eigentlichen Sinns an die hörbare, klingende Sprache, da schafft das Lied Sinn im Unsinn allein durch den Klang. Weitere Lieder nach zeitgenössischer Lyrik, etwa einem Text von Joachim Sartorius, umgeben es.
jbm.
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"Hotel California" ist, trotz des feinen Gitarrensolos von Joe Walsh, einer dieser Songs, die einem durch ihren jahrzehntelangen Dauereinsatz auf Grillfesten, in Dorfdiscos und Hotel-Lobbys längst gehörig auf die Nerven gehen. Dass es sich dabei eigentlich mehr um eine finstere Moritat handelt, ist schnell hinter viel kalifornischem Puderzucker (oder einer ähnlich aussehenden Substanz) verschwunden. Die ewige New Yorker Underground-Ikone Lydia Lunch, die immer noch mehr spricht als singt und dabei klingt, als würde sie auf einer Chaiselongue liegen, exorziert das Lied mit ihrem morbiden Charme. Einmal mehr hat sie sich auf "Twin Horses" (Rustblade/Broken Silence) mit dem Bluesgitarristen Cypress Grove zusammengetan, der seine Akkorde gerne wie weiland Morricone zitternd mit viel Hall im Raum stehenlässt. Dass die beiden dabei neben eigenen Songs mit "Death Is Hanging Over Me" auch an Nikki Sudden erinnern, einen britischen Finsterling und Glamrocker, der nach seinem Tod vor knapp zehn Jahren leider schnell in Vergessenheit geriet, ist ein feiner Zug.
roth
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Wenn es kein Witz sein sollte, dass der Singer/Songwriter Sufjan Stevens über jeden der fünfzig amerikanischen Bundesstaaten ein Album aufnehmen wollte, dann hat er nach "Michigan" (2003) und "Illinois" (2005) noch immer achtundvierzig Alben vor sich. Dafür hat er allerdings mittlerweile ganze zehn Weihnachtsalben aufgenommen, und die muss man eigentlich alle haben, denn sie sind wunderschön. Weniger schön klingt dagegen die Geschichte seiner im vergangenen Jahr gestorbenen Mutter Carrie Stevens, die wohl so ziemlich alle Härten des Lebens kennengelernt hat: Depression, Drogensucht, Obdachlosigkeit. Ihr und seinem Stiefvater hat Stevens nun das Erinnerungsalbum "Carrie & Lowell" (Asthmatic Kitty/Cargo Records) gewidmet, das nicht auf die großen Arrangements von ehedem setzt (man denke an die zig Versionen des Songs "Chicago"), sondern meist nur auf Gesang, Gitarre und wabernde Klangeffekte, die es vom zu Herzen gehenden "Death With Dignity" bis zum rätselhaften "Blue Bucket of Gold" wie einen Hauch vorbeiziehen lassen. Es geht hier wohl weniger um einzelne Songs, aber besonders verfängt die Zeile "All of me wants all of you".
wiel
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main