Produktdetails
- Anzahl: 1 Vinyl
- Erscheinungstermin: 12. Oktober 2007
- Hersteller: 375 Media GmbH / SUB POP / CARGO,
- EAN: 0098787074512
- Artikelnr.: 23100407
LP | |||
1 | Is There A Ghost | ||
2 | Ode To Lrc | ||
3 | No One's Gonna Love You | ||
4 | Detlef Schrempf | ||
5 | The General Specific | ||
6 | Lamb On The Lam (In The City) | ||
7 | Islands On The Coast | ||
8 | Marry Song | ||
9 | Cigarettes, Wedding Bands | ||
10 | Window Blues |
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 13.11.2007Der Beat freilaufender Haustiere
Die Versöhnung von Schönheit und Widerspenstigkeit: "Band of Horses" lassen auf ihrem zweiten Album das ganze Spektrum amerikanischer Rockmusik anklingen.
Trotz Globalisierung: So ganz egal ist es doch nicht, wo man wohnt und arbeitet. Deshalb werden sich Benjamin Bridwell und Mat Brooke schon etwas dabei gedacht haben, als sie Mitte der neunziger Jahre von Tucson, Arizona, nach Seattle, Washington, gegangen sind. Nur was? Fürchteten sie, im Zonenrandgebiet zwischen Westcoast und Tex-Mex zu versauern und irgendwann jene Art von sonnenbeschienenem, schon leicht ausgedörrtem Softrock zu machen, mit dem eine Band wie "Poco" ihre erfolgreichste Zeit hatte - das Glas Mescal in der Hand und den Colt jederzeit griffbereit, falls eine Klapperschlange um die Ecke kommt? Doch was wollten sie im Nordwesten? Kurt Cobain war schon tot, und was vom Grunge noch übrig war, schickte sich an, in Form von "MTV Unplugged" der Verwertungskette des Mainstream zugeführt zu werden, an deren Ende die Stadiontour und die entsprechende Häme der Puristen standen.
Andererseits: Seinem Dämon kann man nicht entfliehen. Die von Bridwell und Brooke hieß "absolute Versöhnung". Und so werden sie sich auch gar nicht groß gewehrt haben, als sie in der neuen Heimat an Phil Ek gerieten, der als Produzent von Bands wie "Modest Mouse" und "Built To Spill" daran arbeitete, die Schönheit des klassischen Pop mit der Abgedrehtheit des Independent zu versöhnen, zugunsten der ersteren natürlich. Nichts anderes hatten auch die Zugezogenen im Sinn, die mit dem erlesenen Kammerpop ihrer Ensembles "Carissa's Weird" und "November 16th" schon weit über Seattles Hörgrenze hinausgedrungen waren, bevor sie sich "Band Of Horses" nannten. Die weitere Richtung war vorgegeben, als sie bei dem in Seattle ansässigen, verdienstvollen Label Sub Pop unterschrieben und damit in direkter Nachbarschaft zu den "Shins" landeten, diesen wohl unverschämtesten Eklektikern jüngerer Zeit.
Ganz so bunt treibt es die "Band Of Horses" nicht. Mit ihrem am Namen, den Texten und den Albumcovern ablesbaren Naturmystizismus kommt sie zwar so rührend spinnert daher wie vor fünfunddreißig Jahren "Jethro Tull" oder "Yes" - ganz abgesehen davon, dass Bridwell fast genauso hoch singt wie der alte "Yes"-Chef Jon Anderson -; aber stilistisch wirkt das doch sehr geschlossen. Ihr Debüt "Everything All The Time" war vor anderthalb Jahren einer der Überraschungscoups im unabhängigen Lager, fand aber in Europa nur geringe Beachtung. Das wird sich nun ändern. "Cease To Begin" ist ein Popalbum, wie es in dieser Perfektion nur selten gelingt und für das sich weder Brian Wilson noch irgend ein anderes Genie zu schämen brauchten. Der fünfte Song "The General Specific" ist, mit aufreizend hämmerndem Klavier, Tamburin und hand clapping, glattes "Wouldn't it be Nice"-Imitat, also Fleisch vom Fleische des Evangeliums "Pet Sounds".
Aber auch Independent-Fanatiker brauchen keine Angst vor dem von Phil Ek mit einem gewissen Hang zum Breitwandformat produzierten Album zu haben; dafür sorgen schon die Donnerakkorde des ersten Songs "Is There A Ghost", der so verträumt beginnt. "Ode To LRC", vielleicht das beste Lied, ist ein energischer Stampfer, den Bridwell mit wunderbar verzögertem Gesang vor dem Stumpfsinn bewahrt und schließlich auf eine überraschend hippieske Art mit viel sinnlosem "La-di-da" zu Ende bringt: insgesamt der Beweis dafür, dass gerade im Krach die Schönheit lauert - viel anders dürfte Paul McCartney auch an "Helter Skelter" nicht herangegangen sein. "Detlef Schrempf" ist, obwohl er mit Sport nicht viel zu tun hat, der zärtlich verhallende Gruß an den einzigen deutschen Spieler, dem es je gelungen ist, nordamerikanischer Basketball-Meister zu werden, und steht in der Tradition kurioser Ergebenheitsadressen, wie wir sie seit Michael Jacksons Ode auf seine Ratte "Ben" kennen. Während der Galopp von "Islands on the Coast" dem Bandnamen alle Ehre macht, ist der "Marry Song" Folk mit anderen Mitteln: wuchtig-dumpfes Schlagzeug, die anderen Instrumente plätschern so dahin. Es mag an Liedern wie diesem liegen, dass unter den vielen obligatorischen Vergleichen auch schon der Name "Barcley James Harvest" fiel. Dann aber zeigt das wieder sehr kryptisch betitelte "Cigarettes, Wedding Bands", wo es langgeht: nämlich nun Richtung Britpop, und zwar von der härteren Sorte.
Und der Geist von Arizona? Am ehesten steckt er noch in der Countryballade, die den Schlusspunkt unter diese beeindruckende Platte setzt: Der "Window Blues" hat die makellose Süße eines "Po-co"-Songs aus der Feder von Timothy B. Schmit, der dann ja später zu den "Eagles" gegangen ist. Aber erstens stammen "Poco" gar nicht aus Arizona, und zweitens wäre das ohnehin egal. "Arizona" ist nur eine Metapher wie "Texas" und "Kalifornien"; der Geist der amerikanischen Popmusik kennt keine Landesgrenzen. "Cease To Begin" wurde in Seattle und Asheville, North Carolina, aufgenommen, also in der Heimat von Ryan Adams, und zwar ohne Mat Brooke. Benjamin Bridwell hat nun die Fäden allein in der Hand bei der "Band Of Horses" und sollte sich vorsehen: Selbstherrlichkeit ist der erste Weg zur Verschlechterung - der Song "No One's Gonna Love You" klingt schon fast wie "Coldplay" zuletzt. Aber man soll nicht unken.
EDO REENTS
Band Of Horses, Cease To Begin. Sub Pop 745
(Cargo).
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Die Versöhnung von Schönheit und Widerspenstigkeit: "Band of Horses" lassen auf ihrem zweiten Album das ganze Spektrum amerikanischer Rockmusik anklingen.
Trotz Globalisierung: So ganz egal ist es doch nicht, wo man wohnt und arbeitet. Deshalb werden sich Benjamin Bridwell und Mat Brooke schon etwas dabei gedacht haben, als sie Mitte der neunziger Jahre von Tucson, Arizona, nach Seattle, Washington, gegangen sind. Nur was? Fürchteten sie, im Zonenrandgebiet zwischen Westcoast und Tex-Mex zu versauern und irgendwann jene Art von sonnenbeschienenem, schon leicht ausgedörrtem Softrock zu machen, mit dem eine Band wie "Poco" ihre erfolgreichste Zeit hatte - das Glas Mescal in der Hand und den Colt jederzeit griffbereit, falls eine Klapperschlange um die Ecke kommt? Doch was wollten sie im Nordwesten? Kurt Cobain war schon tot, und was vom Grunge noch übrig war, schickte sich an, in Form von "MTV Unplugged" der Verwertungskette des Mainstream zugeführt zu werden, an deren Ende die Stadiontour und die entsprechende Häme der Puristen standen.
Andererseits: Seinem Dämon kann man nicht entfliehen. Die von Bridwell und Brooke hieß "absolute Versöhnung". Und so werden sie sich auch gar nicht groß gewehrt haben, als sie in der neuen Heimat an Phil Ek gerieten, der als Produzent von Bands wie "Modest Mouse" und "Built To Spill" daran arbeitete, die Schönheit des klassischen Pop mit der Abgedrehtheit des Independent zu versöhnen, zugunsten der ersteren natürlich. Nichts anderes hatten auch die Zugezogenen im Sinn, die mit dem erlesenen Kammerpop ihrer Ensembles "Carissa's Weird" und "November 16th" schon weit über Seattles Hörgrenze hinausgedrungen waren, bevor sie sich "Band Of Horses" nannten. Die weitere Richtung war vorgegeben, als sie bei dem in Seattle ansässigen, verdienstvollen Label Sub Pop unterschrieben und damit in direkter Nachbarschaft zu den "Shins" landeten, diesen wohl unverschämtesten Eklektikern jüngerer Zeit.
Ganz so bunt treibt es die "Band Of Horses" nicht. Mit ihrem am Namen, den Texten und den Albumcovern ablesbaren Naturmystizismus kommt sie zwar so rührend spinnert daher wie vor fünfunddreißig Jahren "Jethro Tull" oder "Yes" - ganz abgesehen davon, dass Bridwell fast genauso hoch singt wie der alte "Yes"-Chef Jon Anderson -; aber stilistisch wirkt das doch sehr geschlossen. Ihr Debüt "Everything All The Time" war vor anderthalb Jahren einer der Überraschungscoups im unabhängigen Lager, fand aber in Europa nur geringe Beachtung. Das wird sich nun ändern. "Cease To Begin" ist ein Popalbum, wie es in dieser Perfektion nur selten gelingt und für das sich weder Brian Wilson noch irgend ein anderes Genie zu schämen brauchten. Der fünfte Song "The General Specific" ist, mit aufreizend hämmerndem Klavier, Tamburin und hand clapping, glattes "Wouldn't it be Nice"-Imitat, also Fleisch vom Fleische des Evangeliums "Pet Sounds".
Aber auch Independent-Fanatiker brauchen keine Angst vor dem von Phil Ek mit einem gewissen Hang zum Breitwandformat produzierten Album zu haben; dafür sorgen schon die Donnerakkorde des ersten Songs "Is There A Ghost", der so verträumt beginnt. "Ode To LRC", vielleicht das beste Lied, ist ein energischer Stampfer, den Bridwell mit wunderbar verzögertem Gesang vor dem Stumpfsinn bewahrt und schließlich auf eine überraschend hippieske Art mit viel sinnlosem "La-di-da" zu Ende bringt: insgesamt der Beweis dafür, dass gerade im Krach die Schönheit lauert - viel anders dürfte Paul McCartney auch an "Helter Skelter" nicht herangegangen sein. "Detlef Schrempf" ist, obwohl er mit Sport nicht viel zu tun hat, der zärtlich verhallende Gruß an den einzigen deutschen Spieler, dem es je gelungen ist, nordamerikanischer Basketball-Meister zu werden, und steht in der Tradition kurioser Ergebenheitsadressen, wie wir sie seit Michael Jacksons Ode auf seine Ratte "Ben" kennen. Während der Galopp von "Islands on the Coast" dem Bandnamen alle Ehre macht, ist der "Marry Song" Folk mit anderen Mitteln: wuchtig-dumpfes Schlagzeug, die anderen Instrumente plätschern so dahin. Es mag an Liedern wie diesem liegen, dass unter den vielen obligatorischen Vergleichen auch schon der Name "Barcley James Harvest" fiel. Dann aber zeigt das wieder sehr kryptisch betitelte "Cigarettes, Wedding Bands", wo es langgeht: nämlich nun Richtung Britpop, und zwar von der härteren Sorte.
Und der Geist von Arizona? Am ehesten steckt er noch in der Countryballade, die den Schlusspunkt unter diese beeindruckende Platte setzt: Der "Window Blues" hat die makellose Süße eines "Po-co"-Songs aus der Feder von Timothy B. Schmit, der dann ja später zu den "Eagles" gegangen ist. Aber erstens stammen "Poco" gar nicht aus Arizona, und zweitens wäre das ohnehin egal. "Arizona" ist nur eine Metapher wie "Texas" und "Kalifornien"; der Geist der amerikanischen Popmusik kennt keine Landesgrenzen. "Cease To Begin" wurde in Seattle und Asheville, North Carolina, aufgenommen, also in der Heimat von Ryan Adams, und zwar ohne Mat Brooke. Benjamin Bridwell hat nun die Fäden allein in der Hand bei der "Band Of Horses" und sollte sich vorsehen: Selbstherrlichkeit ist der erste Weg zur Verschlechterung - der Song "No One's Gonna Love You" klingt schon fast wie "Coldplay" zuletzt. Aber man soll nicht unken.
EDO REENTS
Band Of Horses, Cease To Begin. Sub Pop 745
(Cargo).
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main