Produktdetails
- Anzahl: 1 Audio CD
- Erscheinungstermin: 17. Juli 2012
- Hersteller: Universal Vertrieb - A Divisio / Island,
- EAN: 0602537102327
- Artikelnr.: 36024574
- Herstellerkennzeichnung
- Universal Music GmbH
- Mühlenstr. 25
- 10243 Berlin
- productsafety@umusic.com
CD | |||
1 | Start (Album Version) | 00:00:46 | |
2 | Thinkin Bout You (Spring Sampler / 2012) | 00:03:22 | |
3 | Fertilizer (Album Version) | 00:00:40 | |
4 | Sierra Leone (Album Version) | 00:02:29 | |
5 | Sweet Life (Album Version) | 00:04:23 | |
6 | Not Just Money (Album Version) | 00:01:00 | |
7 | Super Rich Kids (Album Version) | 00:05:05 | |
8 | Pilot Jones (Album Version) | 00:03:04 | |
9 | Crack Rock (Album Version) | 00:03:44 | |
10 | Pyramids (Album Version) | 00:09:53 | |
11 | Lost (Album Version) | 00:03:55 | |
12 | White (Album Version) | 00:01:16 | |
13 | Monks (Album Version) | 00:03:20 | |
14 | Bad Religion (Album Version) | 00:02:55 | |
15 | Pink Matter (Album Version) | 00:04:29 | |
16 | Forrest Gump (Album Version) | 00:03:15 | |
17 | End / Golden Girl (Album Version) | 00:08:43 |
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 25.08.2012Kleopatra geht strippen, er malocht dazu
Den Kopf in den Wolken und doch am Puls der Zeit: Frank Ocean ist der große Soul-Chronist der kapitalistischen Misere.
Von Daniel Haas
Moderner R & B ist der Soundtrack des Kapitalismus. Protzig, sportlich, oft tanzbar, meistens affirmativ, selbst wenn die Attitüde kritisch daherkommt. Bei den Frauen gilt die Formel: Aeorobic plus Feminismus. Von Janet Jackson ("What have you done for me lately?") bis Beyoncé ("Pay my own fun, pay my own bills!") verkaufen weibliche Stars ihre Idee von Selbstermächtigung. Bei den Männern sind die Verhältnisse kompliziert geworden. Der afroamerikanische Macho, der Begehren und Ressourcen steigert, gilt nicht mehr als einziges Rollenmodell. Man muss sich nur die neuen Alben der Genregrößen anhören, da sind alle Identitätsformate vorhanden: sensibler Grübler (Usher), lässiger Romantiker (R. Kelly), kritischer Lover (Chris Brown). Und jetzt Frank Ocean: ein Mann, der singen kann wie Prince und produzieren wie Damon Albarn, der sich nicht nur mit Hip-Hoppern einlässt, sondern tatsächlich mit einem Rap-Kollektiv, der Odd-Future-Crew, erste Erfolge verbuchte. Und der, anders als die erwähnten Stars, gerade die neuralgischen Momente seiner Vita zur Sprache bringt. Ocean, 1987 in New Orleans geboren und nach der Katrina-Katastrophe nach Los Angeles abgewandert, bekannte sich auf einer Website zu seiner ersten Liebe, einem Mann, und damit hatten dann alle, Fans, Kritiker, Kollegen, ein Problem: Das Outing bringt nicht nur etwas zum Vorschein, es verhüllt auch: die Artistik dieser Platte.
Natürlich war es höchste Zeit, dass das Recht auf freie sexuelle Ausrichtung endlich auch im einflussreichsten Popformat neben Country geltend gemacht wird, und die Solidaritätsadressen für Ocean von Jay-Z bis Eminem sind ehrenwert. Aber das Album "Channel Orange" auf Belegstellen für libidinöse Neigungen abzusuchen ist Biographismus, der das Werk an entscheidender Stelle verkennt.
Frank Oceans Songs sind tatsächlich kapitalistische Musik, verstanden als Rollentheater, auf dessen Bühne die Täter-Opfer des verwerteten Lebens ihre skurrilen und zugleich anrührenden Auftritte haben. Weil der Gestus solcher Darstellung nur melancholisch sein kann, sind die Beats bis auf narkotische Trägheit gedrosselt. Die Orchestrierung konzentriert sich auf betont künstliche Streicher und E-Gitarren, dazwischen tupft ein Fender Rhodes rauchige Jazzclub-Motive.
"Keeping it surreal / Not Sugar Free / My TV ain't HD that too real", heißt es im Stück "Sweet Life" - darin ist die ganze Ästhetik dieses Werks enthalten. In der literarischen Verfremdung, nicht in hyperrealistischer Mimikry kommt die Süße, also die Dichte der Kunst zustande. Und mit genau diesem Verfahren zeigen sich die tausendfach beschriebene Lage, die Zurichtungen von Menschen am Markt, die Entfremdung der Lust zur Ware noch einmal mit bestürzender Schärfe. Da erklären die Verwöhnt-Verwahrlosten in "Super Rich Kids": "Why see the world when you got the beach?" Ja, warum die Welt sehen, wenn wir an den Strand gehen können?
In "The Peaches & Mangos" weiß das lyrische Ich: "Sie ist besser dran mit einem, der einen festen Job hat." Der Song "Pyramids", fast zehn Minuten lang und das Schlüsselszenario des Albums, erzählt von Kleopatra, nur dass die mythische Kaiserin hier eine Stripperin ist, die im Pyramid Club malochen geht. "Die Art und Weise, wie du meinen Namen sagst, lässt mich glauben, ich sei was Besonderes", sagt ein Verehrer. "Aber ich bin immer noch arbeitslos."
Und wenn Erlösung, Versöhnung, das, was Pop nicht einlösen kann, aber doch als Hoffnung und wenn auch noch so ironisch gebrochen, wachhält - davon ist nichts zu hören auf dem orange Kanal? Doch, aber die Utopie ist hier wirklich ein Nichtort, auch wenn er nach sehr realen, sehr krisenanfälligen Vorbildern modelliert ist: "Wir hoffen, der Himmel hält uns warm", singt Ocean mit seinem herrlichen Falsett, und: "Wenn ich ein Apartment in den Wolken hätte, dann dürftest du dort bleiben." Solche Immobilien kann keine Blase entwerten. Und sie taugen auch nicht zur Kulisse für Aerobic.
Frank Ocean,
Channel Orange
Island Records 2871567 (Universal)
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Den Kopf in den Wolken und doch am Puls der Zeit: Frank Ocean ist der große Soul-Chronist der kapitalistischen Misere.
Von Daniel Haas
Moderner R & B ist der Soundtrack des Kapitalismus. Protzig, sportlich, oft tanzbar, meistens affirmativ, selbst wenn die Attitüde kritisch daherkommt. Bei den Frauen gilt die Formel: Aeorobic plus Feminismus. Von Janet Jackson ("What have you done for me lately?") bis Beyoncé ("Pay my own fun, pay my own bills!") verkaufen weibliche Stars ihre Idee von Selbstermächtigung. Bei den Männern sind die Verhältnisse kompliziert geworden. Der afroamerikanische Macho, der Begehren und Ressourcen steigert, gilt nicht mehr als einziges Rollenmodell. Man muss sich nur die neuen Alben der Genregrößen anhören, da sind alle Identitätsformate vorhanden: sensibler Grübler (Usher), lässiger Romantiker (R. Kelly), kritischer Lover (Chris Brown). Und jetzt Frank Ocean: ein Mann, der singen kann wie Prince und produzieren wie Damon Albarn, der sich nicht nur mit Hip-Hoppern einlässt, sondern tatsächlich mit einem Rap-Kollektiv, der Odd-Future-Crew, erste Erfolge verbuchte. Und der, anders als die erwähnten Stars, gerade die neuralgischen Momente seiner Vita zur Sprache bringt. Ocean, 1987 in New Orleans geboren und nach der Katrina-Katastrophe nach Los Angeles abgewandert, bekannte sich auf einer Website zu seiner ersten Liebe, einem Mann, und damit hatten dann alle, Fans, Kritiker, Kollegen, ein Problem: Das Outing bringt nicht nur etwas zum Vorschein, es verhüllt auch: die Artistik dieser Platte.
Natürlich war es höchste Zeit, dass das Recht auf freie sexuelle Ausrichtung endlich auch im einflussreichsten Popformat neben Country geltend gemacht wird, und die Solidaritätsadressen für Ocean von Jay-Z bis Eminem sind ehrenwert. Aber das Album "Channel Orange" auf Belegstellen für libidinöse Neigungen abzusuchen ist Biographismus, der das Werk an entscheidender Stelle verkennt.
Frank Oceans Songs sind tatsächlich kapitalistische Musik, verstanden als Rollentheater, auf dessen Bühne die Täter-Opfer des verwerteten Lebens ihre skurrilen und zugleich anrührenden Auftritte haben. Weil der Gestus solcher Darstellung nur melancholisch sein kann, sind die Beats bis auf narkotische Trägheit gedrosselt. Die Orchestrierung konzentriert sich auf betont künstliche Streicher und E-Gitarren, dazwischen tupft ein Fender Rhodes rauchige Jazzclub-Motive.
"Keeping it surreal / Not Sugar Free / My TV ain't HD that too real", heißt es im Stück "Sweet Life" - darin ist die ganze Ästhetik dieses Werks enthalten. In der literarischen Verfremdung, nicht in hyperrealistischer Mimikry kommt die Süße, also die Dichte der Kunst zustande. Und mit genau diesem Verfahren zeigen sich die tausendfach beschriebene Lage, die Zurichtungen von Menschen am Markt, die Entfremdung der Lust zur Ware noch einmal mit bestürzender Schärfe. Da erklären die Verwöhnt-Verwahrlosten in "Super Rich Kids": "Why see the world when you got the beach?" Ja, warum die Welt sehen, wenn wir an den Strand gehen können?
In "The Peaches & Mangos" weiß das lyrische Ich: "Sie ist besser dran mit einem, der einen festen Job hat." Der Song "Pyramids", fast zehn Minuten lang und das Schlüsselszenario des Albums, erzählt von Kleopatra, nur dass die mythische Kaiserin hier eine Stripperin ist, die im Pyramid Club malochen geht. "Die Art und Weise, wie du meinen Namen sagst, lässt mich glauben, ich sei was Besonderes", sagt ein Verehrer. "Aber ich bin immer noch arbeitslos."
Und wenn Erlösung, Versöhnung, das, was Pop nicht einlösen kann, aber doch als Hoffnung und wenn auch noch so ironisch gebrochen, wachhält - davon ist nichts zu hören auf dem orange Kanal? Doch, aber die Utopie ist hier wirklich ein Nichtort, auch wenn er nach sehr realen, sehr krisenanfälligen Vorbildern modelliert ist: "Wir hoffen, der Himmel hält uns warm", singt Ocean mit seinem herrlichen Falsett, und: "Wenn ich ein Apartment in den Wolken hätte, dann dürftest du dort bleiben." Solche Immobilien kann keine Blase entwerten. Und sie taugen auch nicht zur Kulisse für Aerobic.
Frank Ocean,
Channel Orange
Island Records 2871567 (Universal)
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main