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Produktdetails
Trackliste
CD + DVD Video 1
1Fine Line00:03:05
2How Kind Of You00:04:47
3Jenny Wren00:03:46
4At The Mercy00:02:37
5Friends To Go00:02:43
6English Tea00:02:12
7Too Much Rain00:03:24
8A Certain Softness00:02:41
9Riding Vanity Fair00:05:06
10Follow Me00:02:31
11Promise To You Girl00:03:09
12This Never Happened Before00:03:24
13Anyway00:07:24
14Keine Titelinformation (Data Track)
CD + DVD Video 2
1Documentary "Between Chaos And Creation" (Video)
2Fine Line (Studio Performance Video)
3Animated Film "Line Art Featuring Instrumental Tracks "Riding To Vanity Fair'" (Video)
4Menu "How Kind Of You"
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 17.09.2005

Paul McCartney und die Schöpfung

Wohl keiner, der sich für Popmusik interessiert und in den sechziger Jahren aufwuchs, blieb von den Veröffentlichungen der "Beatles"-Platten unberührt. Es waren Zäsuren des Jahrzehnts, Zeitereignisse. Man wartete wochenlang, dann hörte man die neuen Lieder über Tage ohne Unterlaß, man tauschte sich aus mit anderen Enthusiasten, und dann begann die Wartezeit auf das nächste Album der vier. Immer größer wurde im Lauf der Zeit der Schatz an ewigen Songs. Daß sie ewig sein würden, war einem schon damals klar. Seinerzeit mag das der Beschränktheit des Blicks geschuldet gewesen sein. In jungen Jahren ist man geneigt, die Gegenwart für unendlich zu halten. Doch die Magie der "Beatles" hielt tatsächlich über ihre Trennung hinaus. Womöglich verstärkte sie sich sogar, als sich das "vierköpfige Monster", von dem Mick Jagger einst ungnädig sprach, in vier unabhängige Musikerpersönlichkeiten aufspaltete. Wer in den siebziger Jahren aufwuchs, wurde deshalb gleich mehrfach beschenkt: Man entdeckte im Rückgriff das OEuvre der fab four und erlebte als Zeitgenosse die Veröffentlichungen der vier als Solisten. Mit jeder neuen Platte wurde das "Beatles"-Gesamtwerk vielschichtiger. Im Grunde brauchte man keine andere Musik.

So blieb es lange. Doch ist die Zeit, indem sie vergeht, kein Freund des Pop. Das Leben schreitet voran, und man erkennt, was Paul McCartney schon bei der Trennung der "Beatles" formuliert hatte: Daß es Wichtigeres gebe, als ein Beatle zu sein. Damals hatte man den Satz nicht verstanden. Was hätte für das eigene Leben wichtiger sein sollen als Musik der "Beatles"? Heute, mehr als drei Jahrzehnte später, sind die Positionen gänzlich verkehrt. McCartney ist ein älterer Herr von "sixtythree", der sich, wie er nicht müde wird zu bekunden, die naive Freude an der Musik bewahrt hat - und am Repertoire der "Beatles", das inzwischen den Mehrwert seiner Konzertprogramme ausmacht und dabei womöglich frischer und jünger klingt als damals, als die "Beatles" noch selbst musizierten. Die Haltung McCartneys zur Musik, die er nach wie vor mit zwingender Selbstverständlichkeit als zirzensische Intuitionskunst vollführt, mag sich über die Jahrzehnte tatsächlich nicht verändert haben. Für andere indes ist bereits das Musikhören ständigem Wandel unterworfen. Der Wechsel in den Vorlieben kommt von ganz allein, vorausgesetzt, man hört mit offenen Ohren, auch für neue musikalische Erfahrungen. In der Bereitschaft zur Veränderung liegt freilich auch ein Dilemma. Indem sich der eigene Musikkosmos weitet, verkleinern sich zwangsläufig die Welten, die einem früher einzig schienen.

Ein Album von Paul McCartney mag heute vor allem Interesse wecken für den Umstand, daß es überhaupt erscheint, dafür, daß er sich noch die Mühe macht, neue Lieder aufzunehmen. Wie mag die Musik klingen, für die sich der erfolgreichste Musiker der Welt, der längst alles erreicht hat, was überhaupt zu erreichen war, heute interessiert? Immerhin ist McCartney der einzige Überlebende der drei kreativen "Beatles" - Ringo Starr stand, bei allem Respekt für die Leistung des ewigen Schlagzeugers im Verbund der vier, in der Schöpferrolle doch immer und zu Recht im Schatten der anderen. McCartneys neues Album "Chaos And Creation In The Backyard"(MPL/Parlophone/Capitol/EMI 337959 2) ist die erste Studioproduktion seit vier Jahren, seit "Driving Rain", dem mild-weisen Rückblick auf die wilden, frühen Jahre. Gestützt wurde die Sichtung von der Erkenntnis, die McCartney dem Schriftsteller D. H. Lawrence verdankt, daß zuviel Zivilisation den Gefühlen schade. "Driving Rain" war das erste echte Alterswerk eines Beatles, Lieder auf der Höhe der Zeit - und seines eigenen Lebens. Über den dreizehn Songs der neuen Platte hingegen liegt Unentschiedenheit. Sie überträgt sich auf den Hörer. Bis zum Ende vermag man nicht zu entscheiden, ob es vorangeht oder zurück, oder ob die Musik gar in anmutigen Schrittfolgen betont unauffällig auf der Stelle tritt. McCartney hat die Songs allesamt fast im Alleingang eingespielt - ganz so wie zu Beginn seiner Sololaufbahn. Es ist das Gelegenheitswerk eines Alleskönners, ein wenig genialisch, ein bißchen läppisch. Betrachtungen über das Leben und den Tod, die englische Teestunde und die sich immer wieder erneuernde Kraft der Liebe. Gleich im Eröffnungsstück philosophiert der Sänger über die dünne Linie, die Gut und Böse scheidet - über einer schlichten, auf- und absteigenden Melodie. Das ist einfach und wirkungsvoll und hätte auch anderen einfallen können. Doch es braucht die unprätentiöse Souveränität Paul McCartneys, um diese Lieder so zu singen und zu spielen, daß man sie auch bei der wiederholten Begegnung gern hört. McCartneys neues Album ist - als hätte es dessen noch bedurft - neuerlicher Ausweis seiner einzigartigen Handwerkskunst auf allen Klaviaturen des Pop und der ewigen Verwandlung zum reinen Tor der Töne. Insofern ist diese Musik ein Beispiel für schönsten, sinnfreien Luxus. Man braucht sie nicht zum Leben, doch sie macht Spaß.

ANDREAS OBST

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