9,99 €
inkl. MwSt.

Versandfertig in über 4 Wochen
Produktdetails
Trackliste
CD
1Intavolatura di Liuto et di Chitarrone (1. Buch) (1623) (Auszug)
2Partite sopra quest' aria francese detta l'Alemana00:04:54
3Corrente sopra l'Alemana00:00:52
4Toccata Nr. 800:02:32
5Corrente prima00:01:17
6Toccata cromatica00:03:29
7Il Primo Libro D'Intavolatura di Liuto (Auszug)
8Corrente00:01:48
9Libro di Intavolature di Chitarrone IV (Gitarrenbuch IV) (1640) (Auszug)
10Bergamasca00:02:49
11Canzona Nr. 100:03:44
12Uscita00:01:00
13Ballo00:00:59
14Gagliarda00:01:25
15Intavolatura di Liuto et di Chitarrone (1639) (Auszug)
16Corrente Nr 200:01:11
17Ricercar Primo00:01:44
18Passacaglia00:04:44
19Cappricci a due stromenti cioe Tiorba et Tiorbino (1622) (Auszug)
20Fulminante Gagliarda00:01:51
Weitere 9 Tracks anzeigen
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 31.05.2008

Lautenmusik auf Zehenspitzen

Rabindranath Tagore teilte die Menschen ein wie folgt und traf damit einen Nerv unserer Zeit: "Narren eilen, Kluge warten, Weise gehen in den Garten". Er hätte auch ebensogut sagen können, dass weise Menschen die Laute spielen, meditativ wie ein entrückter Gartenspaziergang. So jedenfalls hält es der Lautenist Joachim Held: Dank seiner Liebe zu Renaissancelaute, Theorbe und Chitarrone kam er der globalisierten Welt von Lärm und Tempo abhanden. Ihr setzt er mit der Beharrlichkeit eines Überzeugungstäters die spirituelle Konzentration auf ein erstaunlich weites Pianissimospektrum entgegen. Die leise Laute birgt eine emotionale Energie des zerbrechlichen Klangs, die den Hörer zu intensivem Lauschen verführen kann, vorausgesetzt, dass er im Dröhnen der Gegenwart überhaupt noch etwas wahrnehmen will.

Die Musik war Held, der in einem Heim aufwuchs, bis er zu einer kunstsinnigen Adoptivmutter kam, nicht gerade in die Wiege gelegt. Über Klavier, Gitarre und Cembalo tastete er sich erst in späteren Gymnasialjahren an die Laute heran. Geprägt von bedeutenden Lehrern an der Schola Cantorum Basiliensis, erkannte er in der Laute seinen wesensverwandten Dialogpartner und machte sich bekannt mit dessen Jahrhunderte alter Geschichte. Die Laute stammt ab von der arabischen Al-Ud, von der sie ihren Namen erbte, sie kam nach Europa vor tausend Jahren, wurde in der Renaissance neben der Orgel zur Königin der Instrumente gekürt, kam im Verlauf des achtzehnten Jahrhunderts aus der Mode bis zur Wiederentdeckung in der Jugendbewegung des frühen zwanzigsten Jahrhunderts und später in der Alte-Musik-Szene.

Zunächst war Held vor allem begehrt als Continuo-Lautenist in bedeutenden Originalklang-Ensembles, etwa dem Giardino Armonico, dem Freiburger Barockorchester, Concentus Musicus Wien oder Concerto Köln. Erst allmählich hat er sich aus dieser dienenden Funktion in der Verborgenheit solistisch emanzipiert, erst seit 1996 eigene CDs eingespielt und seit drei Jahren steht er unter Vertrag bei Hänssler Classic im Vertrieb von Naxos. Bei diesem Label hat es der Mittvierziger inzwischen in rascher Folge auf fünf Alben gebracht. In jedem von ihnen leuchtet er eine bestimmte Epoche, einen Stil aus. In der "Lautenmusik der Renaissance" von 2005 widmete er sich der Hamburger Lautentabulatur von Ernst Schele aus dem Jahr 1619 (Hänssler 98.218), auf dem Album "Erfreuliche Lautenlust" entlässt er Barockmusiken aus dem Habsburgerreich stilsicher in quasi improvisatorische Freiheit - besonders ausdrucksvoll im Schlussstück, der Lautenbearbeitung von Heinrich Ignaz Franz Bibers Violin-Passacaglia c-Moll (98.232), und die CD "Deutsche Lautenmusik des Barock" (98.234) greift weit aus bis in Sturm und Drang und galantes Zeitalter. Das Angebot an oft kühnen Modulationen und Klangfarbenwechseln beantwortet Held mit fesselnder Anschlagsvielfalt, die bis hin zum Anriss mit dem Fingernagel reicht. Ein klangsinnliches Glanzstück ist schließlich das Album mit teilweise ersteingespielter italienischer Lautenmusik, das seinen Titel "Che Soavità" verdient hat: Lieblich, aber auch virtuos prägen sich die oft üppig verzierten Variationsketten ein. Held, unterstützt von Carsten Lohffs Orgelpositiv, nutzt hier das gesamte Klangspektrum der Instrumentenfamilie aus, bis hinab in die Bassregion der Erzlaute (98.260). Unerhört sublim ist dies Ton für Ton: lauter Zehenspitzentänze in unendlichen Pianissimo-Schattierungen.

Herzschmerzinniges musiziert Held nun gemeinsam mit seiner Ehefrau, der Sängerin Bettina Pahn (98.284). Die an der Musikhochschule Rostock lehrende Erfurterin singt fast zwei Dutzend Volkslieder mit frei strömendem, in der Wortdiktion prägnantem Sopran - bezwingend natürlich und doch mit der Kunstfertigkeit einer geübten Barock- und Mozart-Interpretin. Die Selbstbeteiligung deutet auf den biographischen Hintergrund der Sängerin hin: Die Tochter eines Phoniaters und einer Sprecherzieherin wuchs quasi mit dem Volkslied auf. In der DDR wurde diesem mehr political correctness zugestanden als in Westdeutschland, wo erst das Hitler-Regime, später Adornos Verdikt diese Gattung auf Dauer in Verruf brachte. Auch darin äußerte sich Deutschlands Spaltung. Trotzdem fand Pahn, wie sie gerne betont, im Volkslied ihre "seelische Heimat". Das hört man.

ELLEN KOHLHAAS

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr