Produktdetails
- Anzahl: 2 Vinyls
- Erscheinungstermin: 26. September 2014
- Hersteller: 375 Media GmbH / ROUGH TRADE/BEGGARS GROUP / INDIGO,
- EAN: 0883870008006
- Artikelnr.: 41348964
LP+Download 1 | |||
1 | Step Into My Office, Baby | 00:04:12 | |
2 | Dear Catastrophe Waitress | 00:02:22 | |
3 | If She Wants Me | 00:05:05 | |
4 | Piazza, New York Catcher | 00:03:03 | |
5 | Asleep On A Sunbeam | 00:03:22 | |
6 | I'm A Cuckoo | 00:05:26 | |
LP+Download 2 | |||
1 | You Don't Send Me | 00:03:08 | |
2 | Wrapped Up In Books | 00:03:34 | |
3 | Lord Anthony | 00:04:14 | |
4 | If You Find Yourself Caught In Love | 00:04:15 | |
5 | Roy Walker | 00:02:57 | |
6 | Stay Loose | 00:06:41 |
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 08.11.2003Die Krönung
"Belle and Sebastian" genießen ihren Midlife-Triumph
Als man noch vom "Spätkapitalismus" sprach, glaubte man vor allem in der Musik schon den Vorklang einer bereits im Türrahmen der Weltgeschichte stehenden neuen Zeit zu hören: Pop als Echo aus der Zukunft auf die Schreie der Gegenwart. Je frühkapitalistischer aber die Musikindustrie selber wurde, desto mehr mußten Bands ihre Unabhängigkeit von der Ökonomie erklären: Independent nannte sich einmal eine Richtung, die dann selbst zur Marke wurde. Daß "The Smiths" - in den Achtzigern die wichtigste Band - ausgerechnet aus dem begriffsgeschichtlich vorbelasteten Manchester kamen, war zur Zeit des härtesten Thatcherismus kein Zufall.
Heute tragen nur wenige Bands die Krone der Unabhängigkeit so stolz wie "Belle and Sebastian" aus Schottland. Sie verweigerten sich nicht nur dem normalen Vermarktungswahnsinn, sondern brachten ihre wunderbaren Lieder so verschwenderisch-inflationär unters Volk, als wollten sie damit die Maschine von Angebot und Nachfrage aus dem Tritt bringen: So schnell wie "Belle and Sebastian" neue EPs auf den Markt warfen, konnte man sich gar keine neuen Lieder von ihnen wünschen. Nach großartigen Werken wie "If You're Feeling Sinister" von 1997 oder, ein Jahr später, "The Boy With the Arab Strap" war zuletzt aber auch der Kurswert der einzelnen Songs etwas gesunken. Als sich "Belle and Sebastian" nun - nach dem Ausstieg der Komponistin, Sängerin und Cellistin Isobel Campbell - für ihre neue Platte Trevor Horn als Produzenten wählten, durfte man Schlimmes befürchten: Wie sollten die zart besaiteten, melodiös-melancholischen Songs von Stuart Murdoch die grellen Hitgewänder von der Stange tragen können, die einst "Frankie Goes to Hollywood" und zuletzt "Tatu" zierten?
Das neue, erstmals auf Rough Trade erschienene Album "Dear Catastrophe Waitress" zerstreut solche Schubladenbedenken. Es ist eines der besten Werke der zum Septett geschrumpften Band und ihr abwechslungsreichstes: Nur wenige Stücke wie das Simon-and-Garfunkelnde "Piazza, New York Catcher" verlassen sich in ihrer Wirkung allein auf die Gesangsmelodie. Das Frühwerk ist abgeschlossen, beim Spätwerk sind wir aber noch lange nicht. Gleich der Einstieg "Step Into My Office, Baby", eine Liebesgeschichte aus der workaholicisierten Angestelltenwelt, liefert ungewohnte Kombinationen mit bluesigen Rockstrophen und entrückten Gesangund Streicher-Arrangements im Refrain. Der darauf folgende Titelsong kommt mit "Style Council"-Anklägen daher und erzählt von der stets überforderten Kellnerin, wie sie jeder kennt, deren Charme doch ihren Dilettantismus immer überstrahlt.
Auch wenn sich Murdochs Stimme bei solchen Geschichten in Falsett-Höhen aufschwingt, wirkt sie nie angestrengt. Der Sound ist insgesamt orchestraler, ohne dabei überladen oder bombastisch zu werden. Mal erklingt ein Xylophon, dann setzen wieder Bläser die Akzente; Trompetensoli liegen über elfenhafter Streicherbegleitung: Himmel voller Geigen und ganz am Schluß gar eine Höllenmaschine von Gitarre. Wie die mit ihrer ganzen Gewalt in "Roy Walker" dem Bläsersatz in die Parade fährt, das würde man im Fußball wohl eine Blut-Schweiß-und-Tränen-Grätsche nennen. Überhaupt drehen "Belle and Sebastian" am Ende noch einmal richtig auf. Das Finale im besten New-Wave-Stil bewahrt vor einem allzu verträumten Ausklang. Schon zuvor wurde klargemacht, daß es nicht um Romantik geht, sondern darum, mit heiler Haut aus dieser haarigen Sache namens Liebe rauszukommen: "If you find yourself caught in love / Say a prayer to the man above / You should thank him for every day you pass / Thank him for saving your sorry ass."
RICHARD KÄMMERLINGS.
Belle and Sebastian, Dear Catastrophe Waitress. Rough Trade 34611162 (Zomba)
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
"Belle and Sebastian" genießen ihren Midlife-Triumph
Als man noch vom "Spätkapitalismus" sprach, glaubte man vor allem in der Musik schon den Vorklang einer bereits im Türrahmen der Weltgeschichte stehenden neuen Zeit zu hören: Pop als Echo aus der Zukunft auf die Schreie der Gegenwart. Je frühkapitalistischer aber die Musikindustrie selber wurde, desto mehr mußten Bands ihre Unabhängigkeit von der Ökonomie erklären: Independent nannte sich einmal eine Richtung, die dann selbst zur Marke wurde. Daß "The Smiths" - in den Achtzigern die wichtigste Band - ausgerechnet aus dem begriffsgeschichtlich vorbelasteten Manchester kamen, war zur Zeit des härtesten Thatcherismus kein Zufall.
Heute tragen nur wenige Bands die Krone der Unabhängigkeit so stolz wie "Belle and Sebastian" aus Schottland. Sie verweigerten sich nicht nur dem normalen Vermarktungswahnsinn, sondern brachten ihre wunderbaren Lieder so verschwenderisch-inflationär unters Volk, als wollten sie damit die Maschine von Angebot und Nachfrage aus dem Tritt bringen: So schnell wie "Belle and Sebastian" neue EPs auf den Markt warfen, konnte man sich gar keine neuen Lieder von ihnen wünschen. Nach großartigen Werken wie "If You're Feeling Sinister" von 1997 oder, ein Jahr später, "The Boy With the Arab Strap" war zuletzt aber auch der Kurswert der einzelnen Songs etwas gesunken. Als sich "Belle and Sebastian" nun - nach dem Ausstieg der Komponistin, Sängerin und Cellistin Isobel Campbell - für ihre neue Platte Trevor Horn als Produzenten wählten, durfte man Schlimmes befürchten: Wie sollten die zart besaiteten, melodiös-melancholischen Songs von Stuart Murdoch die grellen Hitgewänder von der Stange tragen können, die einst "Frankie Goes to Hollywood" und zuletzt "Tatu" zierten?
Das neue, erstmals auf Rough Trade erschienene Album "Dear Catastrophe Waitress" zerstreut solche Schubladenbedenken. Es ist eines der besten Werke der zum Septett geschrumpften Band und ihr abwechslungsreichstes: Nur wenige Stücke wie das Simon-and-Garfunkelnde "Piazza, New York Catcher" verlassen sich in ihrer Wirkung allein auf die Gesangsmelodie. Das Frühwerk ist abgeschlossen, beim Spätwerk sind wir aber noch lange nicht. Gleich der Einstieg "Step Into My Office, Baby", eine Liebesgeschichte aus der workaholicisierten Angestelltenwelt, liefert ungewohnte Kombinationen mit bluesigen Rockstrophen und entrückten Gesangund Streicher-Arrangements im Refrain. Der darauf folgende Titelsong kommt mit "Style Council"-Anklägen daher und erzählt von der stets überforderten Kellnerin, wie sie jeder kennt, deren Charme doch ihren Dilettantismus immer überstrahlt.
Auch wenn sich Murdochs Stimme bei solchen Geschichten in Falsett-Höhen aufschwingt, wirkt sie nie angestrengt. Der Sound ist insgesamt orchestraler, ohne dabei überladen oder bombastisch zu werden. Mal erklingt ein Xylophon, dann setzen wieder Bläser die Akzente; Trompetensoli liegen über elfenhafter Streicherbegleitung: Himmel voller Geigen und ganz am Schluß gar eine Höllenmaschine von Gitarre. Wie die mit ihrer ganzen Gewalt in "Roy Walker" dem Bläsersatz in die Parade fährt, das würde man im Fußball wohl eine Blut-Schweiß-und-Tränen-Grätsche nennen. Überhaupt drehen "Belle and Sebastian" am Ende noch einmal richtig auf. Das Finale im besten New-Wave-Stil bewahrt vor einem allzu verträumten Ausklang. Schon zuvor wurde klargemacht, daß es nicht um Romantik geht, sondern darum, mit heiler Haut aus dieser haarigen Sache namens Liebe rauszukommen: "If you find yourself caught in love / Say a prayer to the man above / You should thank him for every day you pass / Thank him for saving your sorry ass."
RICHARD KÄMMERLINGS.
Belle and Sebastian, Dear Catastrophe Waitress. Rough Trade 34611162 (Zomba)
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main