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Trackliste
CD
1Dig, Lazarus, dig!!!
2Today's lesson
3Moonland
4Night of the lotus eaters
5Albert goes west
6We call upon the author
7Hold on to yourself
8Lie down here (and be my girl)
9Jesus of the moon
10Midnight man
11More news from nowhere
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 08.03.2008

Erklär dich doch selbst
Nick Cave meldet sich mit den Bad Seeds zurück

"Dig, Lazarus, Dig!!!" heißt die neue Platte von Nick Cave und den Bad Seeds, die nach dem reduzierten "Grinderman"-Projekt Caves wieder vollständig angetreten sind und nun zwischen dem Anschluss an glorreiche Bandzeiten und dem großen Aufbruch irrlichtern, denn ein solcher Aufbruch liegt nach der Pause natürlich nahe.

Das beginnt mit dem wurstigen Titelstück, eingeleitet von Mick Harveys knarziger Gitarre und auch sonst einer anständigen Portion Krach; darüber singt Cave eine wirre Geschichte von einem Lazarus-Larry, der sich quer durch Amerika treiben lässt und nirgendwo seinen Frieden findet. Wie üblich, ist das in religiöse Metaphern gefasst, die Bad Seeds fordern im Refrain immer drängender "dig yourself, Lazarus!!!!!!", Cave ergänzt, dass jemand ihn in einem Gebet erwähnt, aber das kann, man denke an Pilatus, natürlich auch ein schlechtes Zeichen sein - Hybris aber ist es so oder so. Und Larry, der, wie Cave in gesungenen Großbuchstaben mitteilt, niemals um seine Auferweckung gebeten hatte, der sich neurotisch und obszön gebärdet, endet im Gefängnis, im Irrenhaus und neuerlich im Grab.

Wüst geht es zu auf Caves neuer Platte, der vierzehnten mit den Bad Seeds, die Gitarren dominieren den Klang wie nie zuvor (zuungunsten des früher so omnipräsenten Klaviers), Schlagzeug und Percussion stehen geradezu aufdringlich im Vordergrund. Die Texte sprechen von Ratlosigkeit und Wut, von Verlust und Ohnmacht, und das ist man von Cave zwar gewohnt, doch die elegischen Melodien fehlen auf dieser Platte: Keine Erinnerung an "Into my arms", "Ship Song", "Lament" oder "Love Letter" will sich einstellen, und die eigenwillige Orthographie mit dem exzessiven Gebrauch von coolen Abkürzungen, Großbuchstaben oder Ausrufezeichen tut das Ihre, um den Eindruck zu unterstreichen, dass der fünfzigjährige Cave zwar mit Macht zu neuen Ufern will, ohne recht eigentlich dort anzukommen.

Oder, wie es in "Jesus of the Moon" heißt, der Ballade mit der drängenden Rhythmusgruppe im Zentrum: "People often talk about being scared of change / But for me I'm more afraid of things staying the same / cause the game is never won / by standing in any place too long." Aber um was für ein Spiel geht es da - um den Nachweis, das Vermögen des Songschreibers und Arrangeurs sei noch lange nicht erschöpft? Die alten Albträume ließen sich immer noch in bestürzende Lieder ummünzen? Der bescheuerte Schnauzbart des Sängers stehe seiner Kreativität nicht im Wege?

Immerhin: In guten Momenten der Platte kommt man ums Mitwippen nicht herum, etwa bei "Albert goes west" mit den trügerischen Zeilen "Me, I aint going anywhere / just sit & watch the sun come up / I like it here!!!", aber so recht glauben mag man dieses Bekenntnis nicht, zu offensichtlich kontrastiert die Musik damit, und das Lied spricht dann auch massiv von zerstörten Biographien. Schön ist das - allerdings von verfremdeten Möwengeschrei unangenehm untermalte - Verlustlied "Hold On to Yourself", noch schöner wäre es in einer Unplugged-Version, aber man kann nicht alles haben.

Höhepunkt der Platte (und gleichzeitig ihre Essenz) ist dann aber das Lied "We Call Upon the Author (To Explain)", das vom Kunstwerk in Zeiten der allgegenwärtigen Interpretationsmaschinerie spricht und musikalisch immer wieder in den Bruch steuert. Dass man besagten Autor mit dem Schöpfer, das Kunstwerk entsprechend mit der Schöpfung überblenden kann, überrascht bei so viel religiöser Metaphorik nicht weiter. Und weil Cave sich darin, so scheint es, immer treu bleiben wird, ist auch für jene Fans, die am Alten hängen, nicht alles verloren.

TILMAN SPRECKELSEN.

Nick Cave and the Bad Seeds, Dig, Lazarus, dig!!! Mute 51830526 (EMI)

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