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Produktdetails
Trackliste
CD
1All in it00:02:11
2Lights out for darker skies00:06:36
3No Lucifer00:03:27
4Waving flags00:04:07
5Canvey Island00:03:41
6Down on the ground00:04:23
7A trip out00:03:16
8The great skua00:04:35
9Atom00:05:38
10No need to cry00:03:43
11Open the door00:04:56
12We close our eyes00:08:04
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 22.01.2008

Aus dem Maschinenraum der Rockmusik

Diese Band errettet den Hörer aus der Schwermut, in die sie ihn überhaupt erst gestoßen hat: Das dritte Album von British Sea Power aus Brighton stellt eine entscheidende Frage und beantwortet sie zugleich - "Do You Like Rock Music?"

Manchmal, und besonders an grauen Januartagen, kommt einem die Popmusik vor wie ein geschlossenes System, das sich nur aus sich selbst speist, wieder und wieder. Zum Beispiel kann man gerade beobachten, dass eine zwanzig Jahre alte britische Pop-Formel zurückkehrt, die man damals "Shoegaze" nannte: Dünne, verträumte, blasse Menschen, die mit hellen Stimmen feine Melodien sangen, aber wahnsinnig laut und verzerrt in die Gitarren droschen und - deshalb der Name - dabei schüchtern auf ihre Schuhe starrten. Die innovativste Band dieser eher schleichenden Bewegung waren My Bloody Valentine: Als sie kürzlich nach jahrelanger Pause wieder Konzerte ankündigte, waren die ungefähr genauso schnell ausverkauft wie das Reunion-Konzert von Led Zeppelin im vergangenen Dezember.

Aber nicht nur wegen dieser ausverkauften Konzerte ist "Shoegaze" zurück oder weil die Hollywood-Regisseurin Sophia Coppola ihre Kinofilme schon immer am liebsten mit dieser Musik bespielte: Es gibt eine ganze Reihe junger Bands, das berühmteste Beispiel sind wohl die Editors aus Birmingham, die sich den Breitwandsound von damals angeeignet, ihn allerdings tanzbarer gemacht haben - also weniger schleichend. Damals wurden die Füße nur angestarrt, jetzt bewegen sie sich, weil (auch das gehört zum System Popmusik) man ein paar Jahre nach Franz Ferdinand und den Arctic Monkeys in der britischen Gitarrenmusik eben nur schwer ohne bewegliche Füße auskommt.

Das zeigt auch die neue, dritte Platte der Shoegazer von British Sea Power, einer vierköpfigen Band aus Brighton. Sie heißt "Do You Like Rock Music?", was entweder der dämlichste oder der beste Albumtitel des angebrochenen Jahres ist. Jedenfalls muss niemand, der British Sea Power mag, diese Frage verneinen: Denn wer sie mag, muss laute Gitarren im Sturm mögen, aber auch das Drama längerer Ruhe, auf die eine Explosion von Feedback folgt. Die Band selbst sagt: "U2, Mussolini und Tuberkulose sind keine Rockmusik" und räumt so einen Vergleich vom Tisch, dem sie unseligerweise seit ihrem Debüt "The Decline of British Sea Power" von 2003 ständig ausgesetzt ist - dem mit U2 natürlich, nicht mit Mussolini, auch wenn der imperiale Bandname vielleicht andere Schlüsse zulassen könnte.

"Do You Like Rock Music?" wurde in Tschechien, Montreal und Cornwall aufgenommen, aber nicht, dass sich diese kleine Weltreise auf die Musik ausgewirkt hätte: British Sea Power sind genauso britisch, wie der Bandname besagt, sie mögen Fußball und Bier und spielten im September 2006 ein Konzert zu Ehren des englischen Volksdichters John Betjeman. Aber vor allem kann diese Band das besonders gut, was so viele andere britische Bands (wie The Wedding Present, um nur eine zu nennen) schon vor ihnen gekonnt haben und was am Ende vielleicht das größte Talent britischer Bands ist: Den Menschen unter den Kopfhörern aus jener Schwermut zu retten, in die ihn die Musik aus den Kopfhörern überhaupt erst gestoßen hat.

"The Great Skua" ist so ein Lied, fünf Minuten lang dehnt es sich ohne Gesang, es handelt von einem räuberischen Seevogel, der es in polarer Kälte aushält. Oder "Waving Flags", vielleicht das schönste Lied auf der gesamten Platte, die immer dann, wie hier, am besten ist, wenn sie schwelgt, wenn sie mit ganz großen Gitarren aufspielt. Es geht um Pathos: Diese Band hat nah am Wasser gebaut.

Im Englischen gibt es für diese Art von Songs, die Flächen aufmacht, die sich Platz schafft, um sich darauf zu weiden, den Begriff "Soundscapes": Eskapistische Musik, die sich einen anderen Ort erträumt, den man nur über die Plattennadel oder eben die Kopfhörer erreichen kann. "We know a place / where no cars go", sangen die Kanadier von Arcade Fire im vorigen Jahr, eine Band, mit der British Sea Power ebenfalls ständig verglichen werden, weil sie sich ähnlich theatralisch inszenieren. Und an diesem Ort, den man auch nicht mit Schiffen erreichen kann, spielen auch die meisten Lieder von "Do You Like Rockmusic?".

TOBIAS RÜTHER

British Sea Power, Do You Like Rock Music? Rough Trade 300

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