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Produktdetails
  • Herstellerkennzeichnung
  • 375 Media GmbH
  • Schlachthofstraße 36A
  • 21079 Hamburg
  • 375media.com
Trackliste
CD
1Pretty People
2Belarus
3Breaker
4Dragonfly
5Sandinista
6Always Fade
7Dust on the Window
8Hatchet
9Your Poison
10Take Your Time
11In Silence
12Murderer
13Violent Past
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 24.03.2007

Wie ein Smith-Song
Aus dem Flüstertonstudio: Apokalyptik von "Low"

Darf ein Angehöriger der Kirche Jesu Christi der Heiligen der letzten Tage Präsident der Vereinigten Staaten werden? Die Kandidatur Mitt Romneys, des republikanischen früheren Gouverneurs von Massachusetts, stellt die Amerikaner vor die Frage, was geschehen würde, wenn ihr oberster Staatsbeamter die Rede von Gottes eigenem Land so wörtlich verstünde, wie es sich aus den an Joseph Smith ergangenen Offenbarungen ergibt. Der Furcht, ein mormonischer Oberbefehlshaber werde den Evangelikalen Bush in der eschatologischen Verschärfung noch überbieten und sein Volk in den allerletzten Heiligen Krieg führen, könnte Präsident Romney entgegentreten, indem er das Trio "Low" aus Minnesota einlüde, bei seiner Amtseinführung aufzuspielen. Denn die Eheleute Alan Sparhawk und Mimi Parker, die Gründer und guten Geister der Band, sind bekannt als bekennende Mormonen, und ihre achte, in dieser Woche veröffentlichte Langspielplatte "Drums and Guns" ist weithin als Manifest gegen den Irak-Krieg aufgenommen worden. Der Titel des Albums ist ein Zitat des irischen Liedes "Johnny, I hardly knew ye" über einen verstümmelten Kriegsheimkehrer.

Wenn dann in einem eisigen Januarmorgen auf der Mall in Washington alles anfinge wie auf der neuen Plate, also Mimi Parker über die Oberflächen ihres Schlagzeugarsenals kratzte, Matt Livingston seinen Bass brummen ließe und dazu ein paar Dauertöne gemischt würden, die nach Interferenzstörungen beim wechselseitigen Abhören von CIA und FBI klingen, bevor endlich Alan Sparhawk todesglockenhelldunkel seine Verkündigung vorbrächte, das "All you soldiers, you're all gonna die" - dann sähen die Vereinigten Stabschefs vielleicht gar keinen Grund zum Staatsstreich. Denn Waffenrockträger wissen, dass sie ihren Chef als Todgeweihte salutieren; das Memento mori wäre wenig wirkungsvoll, wären die zuerst Angesprochen wirklich die hauptsächlich Gemeinten.

Doch das Lied geht ja noch weiter, und die plakative Lesart will nicht kleben bleiben. Zwar kann man "all little babies" der irakischen Zivilbevölkerung zuschlagen, zwar weiß man natürlich, wer "all the liars" sind, und "all the poets" sind dann mehrheitlich Prosaisten wie Hitchens und Ignatieff. Aber "all the pretty people", die dem Lied auch den Titel geben, sind wohl nicht nur die Gattinnen von Halliburton-Vorständlern nebst Blair und Berlusconi, sondern eben alle, die mit der Mode gehen und nicht mit der Zeit, die Städter, von denen sich die Mormonen vom ersten Tag an abgesetzt haben.

Auch "In silence", ein Lamento über wummernder Kriegstrommel, ist auf den Irak bezogen worden. Aber was soll das genau bedeuten: "They thought the desert would divide us"? Dass der Krieg die Opposition spalten sollte? Ist das etwa nicht eingetreten? "Missouri" auf dem Album "Secret Name" von 1999 spielte auf die Vertreibung der Mormonen aus diesem Bundesstaat 1839 an. Immer weiter wurden sie nach Westen getrieben, bis ihnen nur die Salzwüste als Zufluchtsort blieb. Die Erwartung, dort würden sie sich zerstreuen, erfüllte sich nicht.

Der Klangraum der von Dave Fridmann produzierten Platte ist eine Exodus-Simulation. Links scheppert und knattert, mahlt und malmt instrumentale Gewalt wie im Museum der industriellen Revolution. Rechts kreisen die Stimmen von Sparhawk und Parker in engelhaftem Dialog oder Selbstgespräch. Soll der Hörer selbst, um Jan Assmanns Figur der mosaischen Unterscheidung abzuwandeln, die mormonische Unterscheidung treffen?

Sucht man für die Wucht der Platte einen Grund im Reich jener religiösen Ideen, die nach Sparhawks Auskunft im Prozess des Komponierens Gestalt annehmen, so liegt er darin, dass sich die aus der Vertreibung geborene Eschatalogie als kontaminiert erweist. Auf das Schweigen reimt sich die Gewalt: "They filled our hearts and hands with violence, with violence, with violence." Auf der Platte "Trust" von 2002 handelte "The Lamb" vom Martyrium des Propheten Joseph Smith. Jetzt enthüllt sich, dass die Geschlachteten zu Schlächtern geworden sind. Ein Lied hat die Form eines Gebets: Der Sänger bietet sich dem Herrn als Opfer dar, indem er sich als Täter bewirbt. "You may need a murderer, someone to do your dirty work." Das Unheimliche dieser himmelschreienden Gottesanklage ist, dass der Glaube die Evidenz der Religionskritik verbürgt: "I've seen you pound your fists into the earth."

Die Lieder sind so langsam und dicht, wie man es von Low zu kennen meint. Aber unüberhörbar staut sich eine Autoaggressivität, deren lebensgeschichtlicher Grund Sparhawks Kampf mit seinen Depressionen ist. Und man begreift, dass die für "Low" charakteristischen Endlosschleifen der sozusagen in Zeitlupe geträllerten Melodien gar nicht Musik aus einer anderen Welt sein wollen.

Ein Flüstern, "worthless and tender", besingt Mimi Parker, "breaking my arm that won't heal". Wie kann ein Wispern Knochen brechen? So steht es geschrieben bei Joseph Smith, zu dem 1832 Gott wie zu Elias im 1. Buch der Könige als "the still small voice" sprach, "which whispereth through and pierceth all things". Es gilt den Christen als Beweis der Unwahrheit des Buches Mormon, dass dort Jesajas Fluch über Ariel, er werde erniedrigt werden und "aus der Erde reden und aus dem Staube mit deiner Rede murmeln, daß deine Stimme sei wie die eines Zauberers aus der Erde und deine Rede aus dem Staube wispele", in eine Verheißung umgedeutet wird. Aber man könnte glauben, Jesaja kündige sogar mit Namen die Musikgruppe an, die, Zaubersprüche murmelnd, den Getretenen ein staubbedecktes Stimmchen gibt, das so furchtbare Geheimnisse wie die reinigende Wirkung des Blutbads anspricht. In der Bibel König Jakobs, approbiert vom Engel Moroni, heißt es im vierten Vers des neunundzwanzigsten Kapitels des Buches Jesaja: "And thy speech shall be low."

PATRICK BAHNERS

Low, Drums and Guns. ADVCD 736 (Sub Pop)

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