Produktdetails
- Anzahl: 1 Audio CD
- Erscheinungstermin: 9. April 2010
- Hersteller: Warner Music Group Germany Hol / Rhino,
- EAN: 0081227981105
- Artikelnr.: 28941036
- Herstellerkennzeichnung Die Herstellerinformationen sind derzeit nicht verfügbar.
CD | |||
1 | Corpus Christi Carol | 00:02:40 | |
2 | Hammerhead | 00:04:15 | |
3 | Never Alone | 00:04:22 | |
4 | Over The Rainbow | 00:03:10 | |
5 | I Put A Spell On You | 00:02:59 | |
6 | Serene | 00:06:05 | |
7 | Lilac Wine | 00:04:44 | |
8 | Nessun Dorma | 00:02:56 | |
9 | There's No Other Me | 00:04:05 | |
10 | Elegy For Dunkirk | 00:05:03 |
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 22.05.2010Gitarren für ältere Leute
Es ist leicht, sich über alte Gitarristen lustig zu machen. Zum Beispiel darüber, dass Jeff Beck nicht aufhören kann, diese ärmellosen Muskelshirts zu tragen. Oder über seine ewige Neigung zu Motoren und ölverschmierten Händen. Oder über das Cover seiner neuen CD "Emotion&Commotion" (Rhino/Warner): Ein Adler kommt da mit voller Spannweite auf einem pathetischen Lichtstrahl angesegelt und trägt eine E-Gitarre in den Fängen - das Tier verhält sich nicht artgerecht. Und der Raubvogel erweist sich beim Zuhören als Kuscheltier.
Nun ist ein Ausnahmemusiker erhaben über kleinliche Einwände der Geschmackspolizei. Mit Eric Clapton und Jimmy Page gehört er zu den Gitarrenhelden, die Mitte der sechziger Jahre bei den Yardbirds die Meisterprüfung ablegten. Er ist der Einzige der drei, der in den vergangenen Jahren noch musikalisch Relevantes beizusteuern hatte. Mit den drei meisterhaften Alben "Who Else?", "You Had It Coming" und zuletzt "Jeff" hat er seiner Gitarre noch einmal atemberaubend Neuland erschlossen: ein hochenergetisches Gemisch aus Rock, Jazz, Techno und Blues, dessen Verbindung von scharfkantiger Härte und Lyrismus bisweilen an den elektrischen Miles Davis denken lässt. Zwischen bösartig stotternden Riffs und fiesen Licks wirkten langsame Stücke wie "Nadia" oder "Bulgaria" mit dem Saitengesang ihrer fragilen Melodiebögen wie Inseln der Ruhe.
Aber was, wenn die Ruhe epidemisch wird? Dann liegt Kitschangst in der Luft. Beck greift Melodien für Millionen auf: Opernarien, Filmmusik ("Elegy for Dunkirk"), abgehangene R&B-Klassiker wie "I Put a Spell on You" und Premium-Schnulzen wie "Over The Rainbow" oder "Lilac Wine". Ein fünfundsechzigköpfiges Orchester wirkt im Hintergrund; drei Gastsängerinnen tragen differente Klangfarben bei: Joss Stone (Soulröhre), Olivia Safe (klassischer Sopran) und Imelda May (irische Sirene). Allein die Eigenkomposition "Hammerhead" beschwört die harten Zeiten. Das mit Wah-Wah-Pedal gespielte Intro gemahnt an Jimi Hendrix' "Voodoo Chile (Slight Return)", bevor mit Wucht das leicht orientalisierende Streicherarrangement einsetzt und Becks Gitarre mit ausgreifender Gebärde von den alten Tagen erzählt, als Rock und Jazz sich viel zu sagen hatten.
Kapital des Gitarristen sind seine Hände und die in sie geflossene musikalische Intelligenz. Beck geht fahrlässig damit um. Früher hat er sich bei seinen manischen Sportwagen-Schraubereien heikle Verletzungen zugezogen; während der Arbeit am neuen Album (eine Verlagerung der Lebensgewohnheiten wird erkennbar) säbelte er sich beim Karottenschnippeln eine Fingerkuppe der Greifhand ab. "Das war's", habe er im ersten Schreck gedacht, nie wieder Gitarrengott. Zwar konnte die Sache behoben werden, aber beim Spielen war erst einmal Zurückhaltung geboten.
Beck hält sich wie nie zuvor an die Melodielinien und spart mit Noten, um im Gegenzug durch Dehnungen und Tremolo-Effekte so viel Ausdruck und Seele wie möglich in jeden Ton zu legen. Die Gesangsstimme ist das Maß. Man hört Becks Anschlag nicht (er spielt ohne Plektrum), die Töne kommen oft angeschwebt, als würde er Seifenblasen aus dem Instrument hebeln. Die Stratocaster, berühmt für ihren scharfen, gläsernen Klang - hier wird sie zum Wärmeleiter.
Zwischen schönem Schmelz und schalem Schmalz balanciert das Album. Mal glückt es haarscharf, wie bei "Never Alone" oder dem wunderbaren "Serene": Hier singt einfach alles, der mächtig ausschreitende E-Bass der jungen Tal Wilkenfeld, der aus dem Hintergrund leuchtende Sopran von Olivia Safe und das hochoktavige Lamento der Gitarre. Wenn das Fahrstuhlmusik ist - bitte einsteigen! Dann wieder geht etwas komplett daneben, wie Puccinis Turandot-Arie "Nessun Dorma". Jahrzehnte der Rock-Evolution werden hier zurückgenommen: Es ist die Rückverwandlung der elektrischen Gitarre in eine singende Säge. Und bleibt in der höchsten Pathos-Aufgipfelung peinlich zurück hinter der tränentreibenden Ausdruckskraft der Stimme. Dann doch lieber Pavarotti.
Aber Beck macht den Crossover-Kitsch gleich wieder gut mit "There's No Other Me", einem Song von großer Dynamik, dessen Spannung sich langsam aufbaut. Nervös zischelt das Schlagwerk, die Gitarre reagiert auf Joss Stones Soulstimme, umgarnt sie mit der Zartheit eines verliebten Urtiers, um dann, parallel zum schreienden Crescendo der Sängerin, sympathetisch loszuröhren. Da zeigt der Adler für zehn Sekunden die Krallen, endlich.
2009 war Becks erfolgreichstes Jahr. Diese Platte gefällt nun auch Hörern, denen sich bei den Stacheldraht-Sounds früherer Werke die Haare sträuben. Während sich Fitness-Gurus wie Mick Jagger oder Madonna an der ewigen Jugend abstrampeln, zollt der Sechsundsechzigjährige den Jahren entspannt Tribut: "Es ist eher für ältere Leute, die gern ruhigere Musik hören." Besser als ein Seniorenteller ist die Platte allemal.
WOLFGANG SCHNEIDER
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Es ist leicht, sich über alte Gitarristen lustig zu machen. Zum Beispiel darüber, dass Jeff Beck nicht aufhören kann, diese ärmellosen Muskelshirts zu tragen. Oder über seine ewige Neigung zu Motoren und ölverschmierten Händen. Oder über das Cover seiner neuen CD "Emotion&Commotion" (Rhino/Warner): Ein Adler kommt da mit voller Spannweite auf einem pathetischen Lichtstrahl angesegelt und trägt eine E-Gitarre in den Fängen - das Tier verhält sich nicht artgerecht. Und der Raubvogel erweist sich beim Zuhören als Kuscheltier.
Nun ist ein Ausnahmemusiker erhaben über kleinliche Einwände der Geschmackspolizei. Mit Eric Clapton und Jimmy Page gehört er zu den Gitarrenhelden, die Mitte der sechziger Jahre bei den Yardbirds die Meisterprüfung ablegten. Er ist der Einzige der drei, der in den vergangenen Jahren noch musikalisch Relevantes beizusteuern hatte. Mit den drei meisterhaften Alben "Who Else?", "You Had It Coming" und zuletzt "Jeff" hat er seiner Gitarre noch einmal atemberaubend Neuland erschlossen: ein hochenergetisches Gemisch aus Rock, Jazz, Techno und Blues, dessen Verbindung von scharfkantiger Härte und Lyrismus bisweilen an den elektrischen Miles Davis denken lässt. Zwischen bösartig stotternden Riffs und fiesen Licks wirkten langsame Stücke wie "Nadia" oder "Bulgaria" mit dem Saitengesang ihrer fragilen Melodiebögen wie Inseln der Ruhe.
Aber was, wenn die Ruhe epidemisch wird? Dann liegt Kitschangst in der Luft. Beck greift Melodien für Millionen auf: Opernarien, Filmmusik ("Elegy for Dunkirk"), abgehangene R&B-Klassiker wie "I Put a Spell on You" und Premium-Schnulzen wie "Over The Rainbow" oder "Lilac Wine". Ein fünfundsechzigköpfiges Orchester wirkt im Hintergrund; drei Gastsängerinnen tragen differente Klangfarben bei: Joss Stone (Soulröhre), Olivia Safe (klassischer Sopran) und Imelda May (irische Sirene). Allein die Eigenkomposition "Hammerhead" beschwört die harten Zeiten. Das mit Wah-Wah-Pedal gespielte Intro gemahnt an Jimi Hendrix' "Voodoo Chile (Slight Return)", bevor mit Wucht das leicht orientalisierende Streicherarrangement einsetzt und Becks Gitarre mit ausgreifender Gebärde von den alten Tagen erzählt, als Rock und Jazz sich viel zu sagen hatten.
Kapital des Gitarristen sind seine Hände und die in sie geflossene musikalische Intelligenz. Beck geht fahrlässig damit um. Früher hat er sich bei seinen manischen Sportwagen-Schraubereien heikle Verletzungen zugezogen; während der Arbeit am neuen Album (eine Verlagerung der Lebensgewohnheiten wird erkennbar) säbelte er sich beim Karottenschnippeln eine Fingerkuppe der Greifhand ab. "Das war's", habe er im ersten Schreck gedacht, nie wieder Gitarrengott. Zwar konnte die Sache behoben werden, aber beim Spielen war erst einmal Zurückhaltung geboten.
Beck hält sich wie nie zuvor an die Melodielinien und spart mit Noten, um im Gegenzug durch Dehnungen und Tremolo-Effekte so viel Ausdruck und Seele wie möglich in jeden Ton zu legen. Die Gesangsstimme ist das Maß. Man hört Becks Anschlag nicht (er spielt ohne Plektrum), die Töne kommen oft angeschwebt, als würde er Seifenblasen aus dem Instrument hebeln. Die Stratocaster, berühmt für ihren scharfen, gläsernen Klang - hier wird sie zum Wärmeleiter.
Zwischen schönem Schmelz und schalem Schmalz balanciert das Album. Mal glückt es haarscharf, wie bei "Never Alone" oder dem wunderbaren "Serene": Hier singt einfach alles, der mächtig ausschreitende E-Bass der jungen Tal Wilkenfeld, der aus dem Hintergrund leuchtende Sopran von Olivia Safe und das hochoktavige Lamento der Gitarre. Wenn das Fahrstuhlmusik ist - bitte einsteigen! Dann wieder geht etwas komplett daneben, wie Puccinis Turandot-Arie "Nessun Dorma". Jahrzehnte der Rock-Evolution werden hier zurückgenommen: Es ist die Rückverwandlung der elektrischen Gitarre in eine singende Säge. Und bleibt in der höchsten Pathos-Aufgipfelung peinlich zurück hinter der tränentreibenden Ausdruckskraft der Stimme. Dann doch lieber Pavarotti.
Aber Beck macht den Crossover-Kitsch gleich wieder gut mit "There's No Other Me", einem Song von großer Dynamik, dessen Spannung sich langsam aufbaut. Nervös zischelt das Schlagwerk, die Gitarre reagiert auf Joss Stones Soulstimme, umgarnt sie mit der Zartheit eines verliebten Urtiers, um dann, parallel zum schreienden Crescendo der Sängerin, sympathetisch loszuröhren. Da zeigt der Adler für zehn Sekunden die Krallen, endlich.
2009 war Becks erfolgreichstes Jahr. Diese Platte gefällt nun auch Hörern, denen sich bei den Stacheldraht-Sounds früherer Werke die Haare sträuben. Während sich Fitness-Gurus wie Mick Jagger oder Madonna an der ewigen Jugend abstrampeln, zollt der Sechsundsechzigjährige den Jahren entspannt Tribut: "Es ist eher für ältere Leute, die gern ruhigere Musik hören." Besser als ein Seniorenteller ist die Platte allemal.
WOLFGANG SCHNEIDER
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main