„Willkommen in Deutschland – Ein Gedenkkonzert"
Das Sinfonieorchester der Robert Schumann Hochschule und die Toten Hosen spielen „Entartete Musik“
Die Rezension einer Musik-CD – gehört das in die Literatur-Lounge? Ja! Literatur und Musik sind eng miteinander verbundene Kustformen. Lieder
haben Texte und diese sind eine Form von Literatur. Ich sehe jetzt zwar im Geiste Deutschlehrer die…mehr„Willkommen in Deutschland – Ein Gedenkkonzert"
Das Sinfonieorchester der Robert Schumann Hochschule und die Toten Hosen spielen „Entartete Musik“
Die Rezension einer Musik-CD – gehört das in die Literatur-Lounge? Ja! Literatur und Musik sind eng miteinander verbundene Kustformen. Lieder haben Texte und diese sind eine Form von Literatur. Ich sehe jetzt zwar im Geiste Deutschlehrer die Augen verdrehen, aber so manches Gedicht wurde ja auch vertont.
Als ich die CD kaufte, faszinierte mich der Gedanke wie passen Punk-Rock und Sinfonisches Orchester zusammen. Es gab ja schon einige Rock-Bands, die mit einem Orchester gearbeitet haben, warum also nicht diese Konstellation.
Der Anlass dieser CD ist bedrückend, aber das Ergebnis umwerfend. Das Nazi-Regime hatte bekanntermaßen Probleme mit allem was nicht in ihr Weltbild passte und nicht ruhig war. Künstler waren oft beides. Somit erklärten die Nazis verschiedene Künstler zu unerwünschten Personen, erteilten Berufsverbote, verbrannten Bücher und erklärten Musik als „entartet“. Was war das aber für Musik?
Neben Musik von Juden (Comedian Harmonists) oder Swing, weil dieser seine Wurzeln im Blues der Farbigen Amerikas hat, war auch die Zwölftonmusik Schönbergs auf der Blacklist. Dem unbedarften Zuhörer mag diese letztere Art von moderner Musik durchaus schräg und ohne jede Logik vorkommen, allerdings folgt sie äußerst strengen Regeln, die denen von Bach und Beethoven in nichts nachstehen. Ich muss zugeben, dass ich sie auch nie verstanden habe. Sie ist für unser harmoniegewohntes Gehör ungewohnt. Aber die Einleitung zu Schönbergs „A Survivor from Warsaw op.46“ hat mir einen ungeahnten Zugang gewährt. Aus dem, was die Komponisten dieser Musikrichtung erlebt haben, mussten die Werke so atonal sein. Ihre Welt war ebenso unharmonisch.
Das Erste Stück steht dazu im völligen Kontrast. „The Sea Hawk – Suite“ von Erich Wolfgang Korngold ist ein bombastisches Werk, welches direkt Assoziationen mit monumentalen Kinofilmen Hollywoods auslöst. Dies ist auch ganz richtig. In den 30er Jahren emigriert, schrieb er 1940 dieses Stück für den gleichnamigen Film, der in Deutschland unter dem Titel „Herr der sieben Meere“ mit Erol Flynn bekannt wurde. Wunderbare Musik! Der einzige „Fehler“ des Komponisten war, dass er Jude war.
Das zweite Stück der CD ließ bei mir eher negative Erinnerungen an den Musikunterricht hochkommen. Wir mussten die „Moorsoldaten“ singen, uns war aber eher der Sinn nach „Bacardi Feeling“ und dem „Altbierlied“. Heute denke ich, wir waren einfach noch zu jung. Diese Version von den Toten Hosen und dem Sinfonieorchester möchte ich jedem Musiklehrer ans Herz legen. Sie lässt einem wirklich die Gänsehaut über den Rücken laufen und weckt die Gefühle von Grauen, die bei einer einzelnen Stimme am Klavier nicht rüber kommen und wie ich denke auch beabsichtigt waren.
Ein weiteres Stück, das mich fast noch mehr faszinierte, ist Campino’s Vertonung eines Gedichts von Erich Kästner „Stimmen aus dem Massengrab“. Letzteren kennen viele eher als Kinderbuchautor, aber er war durch seine kritischen Werke auch Persona non grata zur Nazi-Zeit.
Sollte gerade die Befürchtung aufkommen, dass diese Doppel-CD extrem schwere Kost sein könnte und so gar nichts Gewohntes von den Toten Hosen enthält, so möchte ich kurz Entwarnung geben. Auf der zweiten CD treffen wir auf gute, alte Bekannte wie Sascha, der sich immer noch für einen aufrechten Deutschen hält, wir schlagen drei Kreuze, dass wir hier sind und werfen den Ballast der Republik ab – oder auch nicht. Auch wenn viele Menschen sagen, Willkommen in Deutschland, so haben leider auch über zwanzig Jahre nach Veröffentlichung von Sascha es manche Menschen immer noch nicht kapiert.