Produktdetails
- Anzahl: 1 Audio CD
- Erscheinungstermin: 21. August 2009
- Hersteller: Universal Vertrieb - A Divisio / WE LOVE MU,
- EAN: 0602527153841
- Artikelnr.: 26735421
CD | |||
1 | The Bandstand | 00:04:02 | |
2 | Riding The Crest | 00:04:17 | |
3 | What There Is | 00:03:43 | |
4 | Foot Of The Mountain | 00:04:00 | |
5 | Real Meaning | 00:03:39 | |
6 | Shadowside | 00:04:55 | |
7 | Nothing Is Keeping You Here | 00:03:17 | |
8 | Mother Nature Goes to Heaven | 00:04:08 | |
9 | Sunny Mystery | 00:03:31 | |
10 | Start The Simulator | 00:05:17 |
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 01.08.2009Spiel's noch einmal, Band
Böse Menschen sagen, dass Schriftsteller wie Journalisten irgendwann beginnen, bei sich selbst abzuschreiben. Freundliche Menschen dagegen nennen das den unverwechselbaren Ton eines Autors, so, wie eine Popgruppe den einen Sound hat, an dem man sie aus Tausenden erkennen kann. Nur drängt es diese Popgruppen oft dazu, vor allem, je älter sie werden, sich ständig neu zu erfinden - eine anstrengende Sache eigentlich: Man würde ja auch von einem Schriftsteller nicht erwarten, dass er mit jedem Buch seine Grammatik ändert. Andererseits haben Bands ihre größten Hits vom Augenblick der Idee an über die Aufnahme bis hin zur ersten Tour und den vielen weiteren danach irgendwann eine Million Mal gespielt: Das ist ein monotones Schicksal. Da stehen sie dann oben auf der Bühne und wollen, tödlich gelangweilt von sich selbst, ihr neues Material spielen, und unten stehen die Fans und rufen immer nach dem einen Sommerhit von 1984 (weil sie sich sehnen nach dem Sommer 1984, aber sie haben den eben nur einmal erlebt, die Bandmitglieder inzwischen eine Million Mal).
Die Simple Minds aus Glasgow begannen vor dreißig Jahren, Musik aufzunehmen. Auf ihrem Debüt waren sie so gitarrenpoppig wie heute vielleicht die Kaiser Chiefs, danach erschienen bis 1982 fünf unfassbar gute Platten, die von elektronischem Ernst über weißen Kunstfunk und düstere Großstadtsoundtracks bis zu glänzendem Romantikpop rasend schnell die Stile musterten, anprobierten und ablegten. Danach begann die Stadionrockkarriere der Simple Minds, das war die einzige gravierende Änderung für lange Zeit, bedauert von den einen, gefeiert von den anderen Fans.
Bis zu "Graffiti Soul" (Universal), dem neuesten Album der Band um Jim Kerr, erschienen über die Jahre allerhand andere, die einem egal sein konnten, und selbst diese neue Platte hat schwache Momente. Sie ragt aber dann doch wieder heraus, weil sich an ihr etwas beobachten lässt, das auch anderen Helden der achtziger Jahren wie A-ha passiert ist: dass eine Band vom Sound ihrer Vergangenheit eingeholt wird, weil der plötzlich wieder zum Sound der Gegenwart geworden ist, und die Band deshalb, um Anschluss zu halten, einfach die alten Tricks neu einstudiert. Damit rennt sie zwar immer noch der Gegenwart hinterher, klingt aber oft viel besser.
Martin Gore hat zur Inspiration für das neueste Album seiner Band Depeche Mode bei Ebay alte Synthesizer ersteigert. So weit sind die Simple Minds nicht gegangen: "Graffiti Soul" versucht mit der Breite des Stadions von heute die analoge Klaustrophobie früher Platten wie "Empires and Dance" nachzuempfinden. Das glückt bei "Moscow Underground" mal mehr, bei "Stars Will Lead the Way" mal weniger. Spricht man mit Jim Kerr, dem aufmerksamen Sänger der Simple Minds, über die Evolution seiner Band, dann freut man sich darüber, wie klar dem Mann ist, früher, am Anfang seiner Karriere, eine Hellsicht und andere genialische Gaben besessen zu haben, die sich irgendwann verflüchtigten oder Routine wurden. Fast ist es, als redete Kerr von sich und den Seinen damals in der dritten Person. Er möchte diese Typen gern einmal wieder treffen, er hat sie im Studio gesucht und für ein paar Momente auch gefunden.
Die Norweger A-ha dagegen, ebenfalls groß geworden in den achtziger Jahren, haben in der vergangenen Zeit ziemlich erfolgreich das Etikett abstreifen können, nur eine Teenieband mit lustigen Haaren zum Ausschneiden und An-die-Wand-Hängen zu sein. Und so konnten sie auf die frühen Hits wie "Take on Me" oder "Stay on these Roads" spätere wie "Summer Move on" oder "Celice" folgen lassen. Dabei verwandelten sich die drei von A-ha aber mehr und mehr in eine Gitarrenband auf der Suche nach lagerfeuerfesten Melodien, gerade Magne Furuholmen liebte eine Band wie Travis vielleicht ein bisschen zu sehr. Da aber Bands wie Travis in einer Welt, die von Lily Allen oder Lady Gaga mit großartig genialischer Einfalt der Mittel besungen wird, nicht viel zu gewinnen haben, klingt "Foot of the Mountain" (Universal) von der ersten Sekunde an elektronisch. "The Bandstand" ballert regelrecht los wie Kirmesmusik, danach regieren die hellen Fanfaren des Pop aus den frühen Tagen des Videos.
Und wie schon damals zeigen Magne Furuholmen, Pal Waaktaar-Savoy und der Sänger Morten Harket auch jetzt, dass man Gitarren zum Songwriting nicht unbedingt braucht. Das Titelstück "Foot of the Mountain", das leise "Nothing is Keeping You Here" und zum Schluss das noch leisere "Start the Simulator" sind wirklich feine, elektronische Lieder. Auf den Pressefotos, die mit der Platte kommen, versuchen die drei Herren im mittleren Alter so stromlinienförmig getunt auszusehen wie vor ein paar Jahren Zoot Woman, als die wiederum versuchten, alte analoge Formeln für den Pop des einundzwanzigsten Jahrhunderts zurückzugewinnen. A-ha tun das jetzt auch, aber für sie ist es das erste Mal. Vielleicht heißt Wiederholung aber nur, dass man macht, was man am besten kann.
TOBIAS RÜTHER
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Böse Menschen sagen, dass Schriftsteller wie Journalisten irgendwann beginnen, bei sich selbst abzuschreiben. Freundliche Menschen dagegen nennen das den unverwechselbaren Ton eines Autors, so, wie eine Popgruppe den einen Sound hat, an dem man sie aus Tausenden erkennen kann. Nur drängt es diese Popgruppen oft dazu, vor allem, je älter sie werden, sich ständig neu zu erfinden - eine anstrengende Sache eigentlich: Man würde ja auch von einem Schriftsteller nicht erwarten, dass er mit jedem Buch seine Grammatik ändert. Andererseits haben Bands ihre größten Hits vom Augenblick der Idee an über die Aufnahme bis hin zur ersten Tour und den vielen weiteren danach irgendwann eine Million Mal gespielt: Das ist ein monotones Schicksal. Da stehen sie dann oben auf der Bühne und wollen, tödlich gelangweilt von sich selbst, ihr neues Material spielen, und unten stehen die Fans und rufen immer nach dem einen Sommerhit von 1984 (weil sie sich sehnen nach dem Sommer 1984, aber sie haben den eben nur einmal erlebt, die Bandmitglieder inzwischen eine Million Mal).
Die Simple Minds aus Glasgow begannen vor dreißig Jahren, Musik aufzunehmen. Auf ihrem Debüt waren sie so gitarrenpoppig wie heute vielleicht die Kaiser Chiefs, danach erschienen bis 1982 fünf unfassbar gute Platten, die von elektronischem Ernst über weißen Kunstfunk und düstere Großstadtsoundtracks bis zu glänzendem Romantikpop rasend schnell die Stile musterten, anprobierten und ablegten. Danach begann die Stadionrockkarriere der Simple Minds, das war die einzige gravierende Änderung für lange Zeit, bedauert von den einen, gefeiert von den anderen Fans.
Bis zu "Graffiti Soul" (Universal), dem neuesten Album der Band um Jim Kerr, erschienen über die Jahre allerhand andere, die einem egal sein konnten, und selbst diese neue Platte hat schwache Momente. Sie ragt aber dann doch wieder heraus, weil sich an ihr etwas beobachten lässt, das auch anderen Helden der achtziger Jahren wie A-ha passiert ist: dass eine Band vom Sound ihrer Vergangenheit eingeholt wird, weil der plötzlich wieder zum Sound der Gegenwart geworden ist, und die Band deshalb, um Anschluss zu halten, einfach die alten Tricks neu einstudiert. Damit rennt sie zwar immer noch der Gegenwart hinterher, klingt aber oft viel besser.
Martin Gore hat zur Inspiration für das neueste Album seiner Band Depeche Mode bei Ebay alte Synthesizer ersteigert. So weit sind die Simple Minds nicht gegangen: "Graffiti Soul" versucht mit der Breite des Stadions von heute die analoge Klaustrophobie früher Platten wie "Empires and Dance" nachzuempfinden. Das glückt bei "Moscow Underground" mal mehr, bei "Stars Will Lead the Way" mal weniger. Spricht man mit Jim Kerr, dem aufmerksamen Sänger der Simple Minds, über die Evolution seiner Band, dann freut man sich darüber, wie klar dem Mann ist, früher, am Anfang seiner Karriere, eine Hellsicht und andere genialische Gaben besessen zu haben, die sich irgendwann verflüchtigten oder Routine wurden. Fast ist es, als redete Kerr von sich und den Seinen damals in der dritten Person. Er möchte diese Typen gern einmal wieder treffen, er hat sie im Studio gesucht und für ein paar Momente auch gefunden.
Die Norweger A-ha dagegen, ebenfalls groß geworden in den achtziger Jahren, haben in der vergangenen Zeit ziemlich erfolgreich das Etikett abstreifen können, nur eine Teenieband mit lustigen Haaren zum Ausschneiden und An-die-Wand-Hängen zu sein. Und so konnten sie auf die frühen Hits wie "Take on Me" oder "Stay on these Roads" spätere wie "Summer Move on" oder "Celice" folgen lassen. Dabei verwandelten sich die drei von A-ha aber mehr und mehr in eine Gitarrenband auf der Suche nach lagerfeuerfesten Melodien, gerade Magne Furuholmen liebte eine Band wie Travis vielleicht ein bisschen zu sehr. Da aber Bands wie Travis in einer Welt, die von Lily Allen oder Lady Gaga mit großartig genialischer Einfalt der Mittel besungen wird, nicht viel zu gewinnen haben, klingt "Foot of the Mountain" (Universal) von der ersten Sekunde an elektronisch. "The Bandstand" ballert regelrecht los wie Kirmesmusik, danach regieren die hellen Fanfaren des Pop aus den frühen Tagen des Videos.
Und wie schon damals zeigen Magne Furuholmen, Pal Waaktaar-Savoy und der Sänger Morten Harket auch jetzt, dass man Gitarren zum Songwriting nicht unbedingt braucht. Das Titelstück "Foot of the Mountain", das leise "Nothing is Keeping You Here" und zum Schluss das noch leisere "Start the Simulator" sind wirklich feine, elektronische Lieder. Auf den Pressefotos, die mit der Platte kommen, versuchen die drei Herren im mittleren Alter so stromlinienförmig getunt auszusehen wie vor ein paar Jahren Zoot Woman, als die wiederum versuchten, alte analoge Formeln für den Pop des einundzwanzigsten Jahrhunderts zurückzugewinnen. A-ha tun das jetzt auch, aber für sie ist es das erste Mal. Vielleicht heißt Wiederholung aber nur, dass man macht, was man am besten kann.
TOBIAS RÜTHER
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main