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Produktdetails
  • Anzahl: 1 Audio CD
  • Erscheinungstermin: 18. Oktober 2004
  • Hersteller: GOODTOGO / DOMINO RECORDS,
  • EAN: 5034202114727
  • Artikelnr.: 20169330
Trackliste
CD
1Coast To Coast00:05:34
2Let's Get Lost00:02:27
3Pretty (Ugly Before)00:04:45
4Don't Go Down00:04:34
5Strung Out Again00:03:12
6A Fond Farewell00:03:57
7King's Crossing00:04:58
8Ostrich & Chirping00:00:32
9Twilight00:04:30
10A Passing Feeling00:03:32
11The Last Hour00:03:27
12Shooting Star00:06:01
13Memory Lane00:02:30
14Little One00:03:15
15A Distorted Reality Is Now A Necessity To Be Free00:04:34
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.11.2004

Das Leben, so schwer
Ein Jahr nach seinem Tod erscheint das letzte Album von Elliott Smith

Die Polizei schließt Mord nicht aus. Wahrscheinlicher ist jedoch, daß sich der Sänger Elliott Smith, 34 Jahre alt, am 21. Oktober vergangenen Jahres in seiner Wohnung in Los Angeles selbst ein Messer ins Herz gestochen hat. Und jetzt, ein Jahr nach seinem Tod, scheint zu passieren, wovor die Kunst doch schützen sollte: Elliott Smith, der schon im Leben so leise war, könnte vergessen werden. Und das, obwohl er Hunderttausende von Platten verkauft hat.

Eben ist seine letzte Platte erschienen, "From a Basement on the Hill", ein Nachruf. Es ist sein sechstes Album, das fast fertig war, als er starb, und es ist eines seiner besten geworden - und das mißverständlichste: Wer es als Abschiedsbrief liest, wer nach Schatten und Vorahnungen sucht, wird genug Stoff finden für fünf bis zehn Seiten Tagebuch. Allerdings hatte Smith viele der Lieder schon jahrelang auf Konzerten gesungen, und die Möglichkeit, dem Leben ein Ende zu setzen, zieht sich durch sein gesamtes Werk hindurch, wird wieder und wieder ergebnislos hin und her reflektiert von Elliott Smith, dem berüchtigt Traurigen, den ein Bandkollege bei einem Konzert so vorstellte: "An der Gitarre Søren Kierkegaard!"

Die sinnvollere Frage wäre: Hat je eines seiner Lieder auf das Leben hingedeutet, auf den ästhetischen, unbeschwerten Genuß? Nur einmal hatte Smith eine Rolle im Gedankenspiel über eine bessere Welt, als Regisseur Gus Van Sant 1997 ein paar Stücke des damals kaum Bekannten für den Soundtrack seines Films "Good Will Hunting" auswählte und ein zusätzliches in Auftrag gab, "Miss Misery".

Der Song wurde für den Oscar nominiert, Kategorie Bester Originalsong, und auf einmal fand sich Smith in Hollywood wieder, mit seiner Knollennase, seinen fettigen Haaren, Aknenarben und in einem weißen Prada-Smoking stand er mit seiner Gitarre auf der Oscar-Bühne. Ein Fremdling. Er war gekommen, um sein Lied zu beschützen, es wäre sonst von einem der von ihm so gehaßten Rockstars gesungen wurden. Der Oscar ging schließlich an Céline Dion für ihre "Titanic"-Nummer, sie soll sehr nett zu ihm gewesen sein. Die Filmszene fand Gefallen an Smith mit seinen traurigen Liedern: Steven Spielbergs Firma Dream-Works nahm ihn unter Vertrag, und seine Musik wurde in Filmen eingesetzt, die irgendwie "anders" sein wollten, "The Royal Tenenbaums" zum Beispiel.

"Miss Misery" hat er nie wieder gesungen. Vielleicht war es der Hochmut des Künstlers, der die Mehrheit seines Publikums für dumm hält - oder es war einfach Angst. Die Angst einer empfindlichen Seele, die keine Distanz zum eigenen Werk hat. Auf seinen Platten ist sein Gesang nie mehr als ein Flüstern, meistens zwei Mal übereinander aufgenommen, geisterhaft und sakral. Im Studio spielte er meistens alle Instrumente selbst. Konzerte gab er allein mit der Gitarre, oft brach er Lieder nach einer Strophe ab, weil er es sich anders überlegt hatte, den Text vergaß oder wegdämmerte.

Er fühle sich wie ein Flipperball, der ohne Gegenwehr hin und her geworfen wird, wispert Elliott Smith in einem seiner Lieder, und in dieser Passivität liegt wohl auch die Magie seiner Musik. Für Heroin und Alkohol, seine langjährigen, unwiderstehlichen Feinde, wählte er die schönsten Metaphern - weiße Ladies, Nadeln am Weihnachtsbaum, Venen voller Tinte -, obwohl er dann doch spuckend über der Küchenspüle hängt: "Das ist nicht mein Leben, sondern nur der herzliche Abschied von einem Freund." Das posthume Album ist brutal, wenn man die Texte liest - aber wenn man Elliott Smith singen hört, klingt es wie der unglaubliche Versuch, ein zerrissenes Leben zu befrieden, alle Widersprüche zusammen in eine Streichholzschachtel zu stecken. Keiner muß das nachvollziehen können, und keiner kann das so nachsingen.

"Indem man verzweifelt, wählt man wieder; und was wählt man da? Man wählt sich selber, nicht in seiner Unmittelbarkeit, nicht als dieses zufällige Individuum, sondern man wählt sich selbst in seiner ewigen Gültigkeit." Das steht bei Kierkegaard, in "Entweder - Oder".

Ein halbes Jahr vor seinem Tod erlebten zwei Interviewer den ehemaligen Philosophiestudenten Elliott Smith in redseliger Laune. Er sprach vom Erfolg der Suchttherapie, spielte neue Stücke vor und erklärte, warum er in Konzerten oft an den eigenen Liedern scheitere: "Am liebsten mag ich es, wenn sich jeder Song wie ein Stierkampf anfühlt. Das heißt: Entweder ich entscheide mich für den Kampf oder dagegen. Vorbeischummeln kommt nicht in Frage." Warum er das am Ende doch getan hat, warum Elliott Smith zwar zu allem Ja sagen konnte, sich aber trotzdem umgebracht hat - selbst wenn wir es wüßten, es geht uns nichts an.

JOACHIM HENTSCHEL.

Elliott Smith "From a Basement on the Hill", erschienen bei Rough Trade.

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