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  • Hersteller: EMI,
  • EAN: 5099914343636
  • Artikelnr.: 44329165
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 25.09.2023

Zwischen Traum und Wirklichkeit

FRANKFURT Alles schön mehrdeutig: Gaetano Donizettis späte Oper "Don Pasquale" überzeugt im Bockenheimer Depot szenisch und musikalisch.

Von Axel Zibulski

Mit der Schreibfeder in der Hand beginnt Don Pasquale, seiner Phantasie freien Lauf zu lassen und von einer Hochzeit im reifen Alter zu träumen. Etwas mehr als zwei Opernstunden später wird er wieder eine Feder in die Hand nehmen, doch ist sie dann zum Symbol der Freiheit geworden. Solche Doppeldeutigkeiten und verschobenen Zuordnungen sind ganz typisch für die Neuinszenierung von Gaetano Donizettis Oper "Don Pasquale", die Caterina Panti Liberovici im vergangenen Winter für die Tiroler Festspiele Erl erarbeitet hat. Die Oper Frankfurt hat die Produktion jetzt ins Bockenheimer Depot übernommen, wo die Premiere szenisch und musikalisch zum vollen Erfolg wurde.

Changierend zwischen Traum und Bühnenwirklichkeit erzählt die italienische Regisseurin die Geschichte vom gealterten Junggesellen Don Pasquale, der seinem Neffen Ernesto die Heirat mit der mittellosen Norina verbietet, zugleich aber selbst noch einmal sein Eheglück probieren möchte und von dem Strippenzieher Malatesta hinters Licht geführt wird. Denn die ihm vermittelte, stille Sofronia entpuppt sich direkt nach der inszenierten Eheschließung als Furie, und Pasquale ist froh, als er sie wieder loswird. Was leicht gelingt, ist "Sofronia" doch keine andere als die verkleidete Norina, die nun ihren eigentlichen Geliebten Ernesto heiraten darf.

So geradlinig Donizetti und sein Ko-Librettist Giovanni Domenico Ruffini diese heitere Intrige in ihrer 1843 in Paris uraufgeführten Buffa anlegen, erzählt Caterina Panti Liberovici die Geschichte freilich nicht. Verankert ist die Szene auf Sergio Mariottis Guckkastenbühne zwischen grauen Hauswänden, von denen sich der ebenso grau gealterte Pasquale in der schon lange nicht mehr gewechselten Nachtwäsche kaum mehr abhebt.

Was er, wenn er sich einmal wieder in sein Bett zurückzieht, halluziniert und was er wirklich erlebt, das ist alles andere als eindeutig: Schon bei ihrem ersten Auftritt im Imaginationsraum auf der hinteren Bühne trägt Norina zwei Masken in der Hand, sowohl sie als auch Neffe Ernesto werden von Tänzerinnen gedoppelt (Mirjam Motzke und Madeline Ferricks-Rosevear). Strippenzieher Malatesta ist schon deshalb schwer zu fassen, weil er deutlich als Figur noch aus der Commedia dell'arte abgebildet wird, auf die Raphaela Roses Masken und Kostüme immer wieder Bezug nehmen. Mehr Typen als Individuen spielen Don Pasquale also übel mit, während er selbst Züge des gealterten Donizetti trägt, der seinerseits von Halluzinationen gequält worden sein soll und mit "Don Pasquale" die Genretradition der Opera buffa zu einem abschließenden Höhepunkt führte.

Wenn sich das Spiel auf mehreren Ebenen zwischenzeitlich kaum mehr überblicken lässt, geht es dem Publikum nicht anders als Don Pasquale, der im Bockenheimer Depot von Bozidar Smiljanic vokal mit höchster Wendigkeit verkörpert wird. Wenn sein Bassbariton zum schnellen Plappern und zum munteren Parlando ansetzt, erzeugt das viel kunstvollere Komik, als jeder vordergründige szenische Gag vermitteln könnte; darauf verzichtet die Regisseurin glücklicherweise völlig und vertraut vielmehr der starken Präsenz ihrer Sängerdarsteller, von denen die Sopranistin Bianca Tognocchi, Ensemblemitglied der Oper Frankfurt und schon in Erl als Norina zu hören, mit so fulminant wie gepflegt gesungenen Koloraturen glänzt. Der jugendliche Tenor von Pablo Martínez, hier ein nobler, fast scheuer Ernesto, lässt zukünftig viel erwarten, ebenso Mikolaj Trabka mit seinem hellen, hoch beweglichen Bariton als undurchsichtiger Doktor Malatesta.

Die maßvollen Kürzungen lassen den Chor der Diener und Zofen überflüssig werden, was die Szene noch konzentrierter erscheinen lässt. Musikalisch verrät das Orchester so manches, was auf der Szene gar nicht mehr verdoppelt zu werden braucht, die klar zu hörende Ohrfeige, die Norina Pasquale auf dem Höhepunkt ihrer Auseinandersetzung gibt, aber auch die Irritation, die zuvor bei Ernestos vermeintlichem Abschied von seiner geliebten Norina entstanden ist. Dort begleitet ausgerechnet die gar nicht lyrische Solo-Trompete diese Trennung - was schon ahnen lässt, dass da etwas nicht stimmt. Solche Effekte spielt das Frankfurter Opern- und Museumsorchester unter der Leitung von Simone Di Felice beredt aus und nimmt sich, nachdem es anfangs vor der Szene noch zu dominant wirkte, bald einfühlsamer und empfindsamer zurück.

Don Pasquale, Oper Frankfurt im Bockenheimer Depot, weitere Vorstellungen am 27. und 29. September jeweils um 19.30 Uhr sowie im Oktober

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