Produktdetails
- Anzahl: 1 Audio CD
- Erscheinungstermin: 1. Februar 2013
- Hersteller: Universal Vertrieb - A Divisio / Concord,
- EAN: 0888072338746
- Artikelnr.: 36947074
CD | |||
1 | Don't Look Twice | 00:03:13 | |
2 | I'm In I'm Out And I'm Gone | 00:04:37 | |
3 | We Can't End This Way | 00:03:34 | |
4 | I Don't Believe A Word You Say | 00:03:17 | |
5 | You Found Another Lover (I Lost Another Friend) | 00:04:13 | |
6 | I Ride At Dawn | 00:04:42 | |
7 | Blood Side Out | 00:02:52 | |
8 | Get Up! | 00:06:17 | |
9 | She Got Kick | 00:02:56 | |
10 | All That Matters Now | 00:04:53 |
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 05.04.2013Ohren auf für diese Blutsbrüderschaft
Ben Harper und Charlie Musselwhite gehen auf Wurzelsuche und stoßen auf die Essenz des zeitgenössischen Blues
Alles auf Anfang: Als Ben Harper in den Achtzigern die Slide-Gitarre als Sehnsuchtsobjekt entdeckte, avancierte der Mississippi-Blues-Sänger Robert Johnson zu seinem größten Vorbild. Auf Harpers Debütalbum "Pleasure And Pain" mit dem Multiinstrumentalisten Tom Freund finden sich denn auch mit "Dust My Broom" und "Sweet Home Chicago" zwei Robert-Johnson-Klassiker. Der Folkblues wurde die erste und wichtigste Inspirationsquelle für Ben Harper.
Jetzt schließt sich der Kreis: Mit "Get Up!" hat der Pionier der Weissenborn-Lap-Steel-Gitarre ein reinrassiges Blues-Album vorgelegt, das trotzdem die Tradition leichthändig transzendiert. Harper hat sich dafür mit dem Mundharmonika-Melodiker Charlie Musselwhite verbündet. Die beiden trafen sich 1997 zum ersten Mal bei einer Session mit John Lee Hooker, wo sie den Titel "Burnin' Hell" einspielten. Hooker war von der funkensprühenden Chemie, die zwischen den beiden herrschte, offenbar so angetan, dass er Harper und Musselwhite dazu ermutigte, unbedingt zusammen weiterzumachen. Gute fünfzehn Jahre später haben die beiden ihre musikalische Freundschaft erneuert und mit "Get Up!" eine Art Steckbrief ihrer Seelenverwandschaft geliefert.
Zunächst schockiert Harpers Schlaflosigkeit: Wird der Mann denn niemals müde? Neben seinem Weissenborn-Weckruf mit "Welcome To The Cruel World" von 1994, der anschließenden Erfolgsgeschichte seiner Band The Innocent Criminals, dem Gospelexperiment mit den Blind Boys of Alabama im Jahr 2004, der härteren Gangart mit seiner Rockband Relentless 7 fünf Jahre später und dem Singer-Songwriter-Projekt "Fistful Of Mercy" mit Dhani Harrison und Joseph Arthur vor drei Jahren hat Ben Harper noch eine Unmenge von weiteren Projekten und Kooperationen durch seine hohe, wispernde Tenorstimme und sein delikates Slide-Spiel geadelt. Aber jetzt, auf "Get Up!", wirkt er so wach und hungrig wie selten.
Er gibt hier gleichermaßen den sanften Verführer und brutalen Hardrocker. Nicht zufällig erinnert sein Song "I Don't Believe A Word You Say" eher an Led Zeppelin als an Muddy Waters. Das dunkle Herz dieser Musik pocht wie in dem Gospel-Walzer "We Can't End This Way" auch schon mal im Viervierteltakt. Mit "I'm In I'm Out And I'm Gone" liefern Harper und Musselwhite nebenbei eine der dreckigsten Bluesnummern der vergangenen Jahre, eher provozierende Predigt als inniges Gebet.
Charlie Musselwhite erweist sich für Harper als musikalischer Glücksfall: Aufgewachsen in Memphis, musikalisch weiter sozialisiert in Chicago durch den elektrischen Blues von Howlin' Wolf und John Lee Hooker, erkämpfte sich Musselwhite, neben dem bereits verstorbenen Paul Butterfield, als einer der wenigen nicht-schwarzen Mundharmonika-Spieler seinen Platz im Pantheon der Blues-Harp.
In seinem leicht elektrifizierten, übersteuerten Harmonikaspiel kann er zwar die Einflüsse von Little Walter und die Sanglichkeit eines Sonny Boy Williamson nicht verheimlichen; doch "Memphis Charlie", wie Musselwhite noch heute liebevoll genannt wird, hat sich dabei einen Klangfarbenkosmos ganz eigener Art geschaffen. Mal klingt seine Harp wie eine Grabesstimme, dann wieder wie ein bohrendes Saxophon oder ein verzerrtes Gitarrenriff.
Es ist die atmosphärische Dichte des Albums, die den Hörer betört, seine beiläufige Beredtsamkeit, die aus beinahe jedem Titel spricht. Teamwork gilt hier als Herzensangelegenheit, emotionale Tiefe lässt dabei alle virtuose Finesse und popstrategische Cleverness hinter sich. In dem gespenstisch-verhangenen Riff von "I Ride At Dawn" verbirgt sich nicht weniger als die Substanz des zeitgenössischen Blues. Immer wieder umtanzen die Mundharmonikamelodien die heiser-hohlen Gesangslinien von Harper. Mit weit geöffneten Ohren kommunizieren die beiden miteinander, bisweilen von Bass, Schlagzeug und Rhythmusgitarre zusätzlich aufgestachelt. Im Titelsong "Get Up!" weist ein perlender Basslauf den Weg: "Don't tell me I can't break the law, cause the law has broken me."
Jeder Ton auf dieser Platte klingt handgemacht. Die seelische Selbstentblößung, die Harper und Musselwhite hier ganz unprätentiös betreiben, zieht den Hörer in einen Mahlstrom aus Gefühlsintensitäten - Blues in Reinkultur! Oder, wie Charlie Musselwhite seit Jahren betont: "Ich kenne nur ein einziges Stück, und das spiele ich mal schneller, mal langsamer oder ändere die Tonart. Aber es ist immer dasselbe Stück, das ich mein Leben lang spiele. Mehr weiß ich nicht." Wer "Get Up!" hört, spürt: Das ist mehr als genug.
PETER KEMPER
Ben Harper &
Charlie
Musselwhite,
Get Up!
Stax Records 72342293 (Universal)
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Ben Harper und Charlie Musselwhite gehen auf Wurzelsuche und stoßen auf die Essenz des zeitgenössischen Blues
Alles auf Anfang: Als Ben Harper in den Achtzigern die Slide-Gitarre als Sehnsuchtsobjekt entdeckte, avancierte der Mississippi-Blues-Sänger Robert Johnson zu seinem größten Vorbild. Auf Harpers Debütalbum "Pleasure And Pain" mit dem Multiinstrumentalisten Tom Freund finden sich denn auch mit "Dust My Broom" und "Sweet Home Chicago" zwei Robert-Johnson-Klassiker. Der Folkblues wurde die erste und wichtigste Inspirationsquelle für Ben Harper.
Jetzt schließt sich der Kreis: Mit "Get Up!" hat der Pionier der Weissenborn-Lap-Steel-Gitarre ein reinrassiges Blues-Album vorgelegt, das trotzdem die Tradition leichthändig transzendiert. Harper hat sich dafür mit dem Mundharmonika-Melodiker Charlie Musselwhite verbündet. Die beiden trafen sich 1997 zum ersten Mal bei einer Session mit John Lee Hooker, wo sie den Titel "Burnin' Hell" einspielten. Hooker war von der funkensprühenden Chemie, die zwischen den beiden herrschte, offenbar so angetan, dass er Harper und Musselwhite dazu ermutigte, unbedingt zusammen weiterzumachen. Gute fünfzehn Jahre später haben die beiden ihre musikalische Freundschaft erneuert und mit "Get Up!" eine Art Steckbrief ihrer Seelenverwandschaft geliefert.
Zunächst schockiert Harpers Schlaflosigkeit: Wird der Mann denn niemals müde? Neben seinem Weissenborn-Weckruf mit "Welcome To The Cruel World" von 1994, der anschließenden Erfolgsgeschichte seiner Band The Innocent Criminals, dem Gospelexperiment mit den Blind Boys of Alabama im Jahr 2004, der härteren Gangart mit seiner Rockband Relentless 7 fünf Jahre später und dem Singer-Songwriter-Projekt "Fistful Of Mercy" mit Dhani Harrison und Joseph Arthur vor drei Jahren hat Ben Harper noch eine Unmenge von weiteren Projekten und Kooperationen durch seine hohe, wispernde Tenorstimme und sein delikates Slide-Spiel geadelt. Aber jetzt, auf "Get Up!", wirkt er so wach und hungrig wie selten.
Er gibt hier gleichermaßen den sanften Verführer und brutalen Hardrocker. Nicht zufällig erinnert sein Song "I Don't Believe A Word You Say" eher an Led Zeppelin als an Muddy Waters. Das dunkle Herz dieser Musik pocht wie in dem Gospel-Walzer "We Can't End This Way" auch schon mal im Viervierteltakt. Mit "I'm In I'm Out And I'm Gone" liefern Harper und Musselwhite nebenbei eine der dreckigsten Bluesnummern der vergangenen Jahre, eher provozierende Predigt als inniges Gebet.
Charlie Musselwhite erweist sich für Harper als musikalischer Glücksfall: Aufgewachsen in Memphis, musikalisch weiter sozialisiert in Chicago durch den elektrischen Blues von Howlin' Wolf und John Lee Hooker, erkämpfte sich Musselwhite, neben dem bereits verstorbenen Paul Butterfield, als einer der wenigen nicht-schwarzen Mundharmonika-Spieler seinen Platz im Pantheon der Blues-Harp.
In seinem leicht elektrifizierten, übersteuerten Harmonikaspiel kann er zwar die Einflüsse von Little Walter und die Sanglichkeit eines Sonny Boy Williamson nicht verheimlichen; doch "Memphis Charlie", wie Musselwhite noch heute liebevoll genannt wird, hat sich dabei einen Klangfarbenkosmos ganz eigener Art geschaffen. Mal klingt seine Harp wie eine Grabesstimme, dann wieder wie ein bohrendes Saxophon oder ein verzerrtes Gitarrenriff.
Es ist die atmosphärische Dichte des Albums, die den Hörer betört, seine beiläufige Beredtsamkeit, die aus beinahe jedem Titel spricht. Teamwork gilt hier als Herzensangelegenheit, emotionale Tiefe lässt dabei alle virtuose Finesse und popstrategische Cleverness hinter sich. In dem gespenstisch-verhangenen Riff von "I Ride At Dawn" verbirgt sich nicht weniger als die Substanz des zeitgenössischen Blues. Immer wieder umtanzen die Mundharmonikamelodien die heiser-hohlen Gesangslinien von Harper. Mit weit geöffneten Ohren kommunizieren die beiden miteinander, bisweilen von Bass, Schlagzeug und Rhythmusgitarre zusätzlich aufgestachelt. Im Titelsong "Get Up!" weist ein perlender Basslauf den Weg: "Don't tell me I can't break the law, cause the law has broken me."
Jeder Ton auf dieser Platte klingt handgemacht. Die seelische Selbstentblößung, die Harper und Musselwhite hier ganz unprätentiös betreiben, zieht den Hörer in einen Mahlstrom aus Gefühlsintensitäten - Blues in Reinkultur! Oder, wie Charlie Musselwhite seit Jahren betont: "Ich kenne nur ein einziges Stück, und das spiele ich mal schneller, mal langsamer oder ändere die Tonart. Aber es ist immer dasselbe Stück, das ich mein Leben lang spiele. Mehr weiß ich nicht." Wer "Get Up!" hört, spürt: Das ist mehr als genug.
PETER KEMPER
Ben Harper &
Charlie
Musselwhite,
Get Up!
Stax Records 72342293 (Universal)
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main