Produktdetails
- Anzahl: 1 Audio CD
- Erscheinungstermin: 30. August 2011
- Hersteller: Sony Music Entertainment / Surfdog Records,
- EAN: 0885150334447
- Artikelnr.: 33688062
CD | |||
1 | A Better Place | 00:01:51 | |
2 | Ghost On The Canvas | 00:04:13 | |
3 | The Billstown Crossroads | 00:01:04 | |
4 | A Thousand Lifetimes | 00:04:09 | |
5 | It's Your Amazing Grace | 00:03:14 | |
6 | Second Street North | 00:00:35 | |
7 | In My Arms | 00:03:27 | |
8 | May 21st, 1969 | 00:00:34 | |
9 | Nothing But The Whole Wide World | 00:03:41 | |
10 | Wild And Waste | 00:01:13 | |
11 | Hold On Hope | 00:03:33 | |
12 | Valley Of The Son | 00:00:57 | |
13 | Any Trouble | 00:03:00 | |
14 | Strong | 00:03:33 | |
15 | The Rest Is Silence | 00:00:50 | |
16 | There Is No Me...Without You | 00:06:16 |
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 15.09.2011Der Cowboy reitet gen Sonnenuntergang
Oft verkünden Künstler ihren Abschied, um sich im Gespräch zu halten und desto glanzvoller zurückzukehren. Beim Country-Entertainer Glen Campbell ist es endgültig: Dies ist seine letzte Platte.
Die klipp und klare Ankündigung eines letzten Werks ist in keiner Kunstsparte üblich. Deswegen dürfte auch diejenigen, die Glen Campbell schon länger nicht mehr auf der Rechnung hatten, folgende Ankündigung berühren: "Ghost On The Canvas is the last studio record of new songs that I ever plan to make." So steht es in den bewegenden liner notes, in denen der Sänger, Gitarrist, Songschreiber und Schauspieler mit Selbstbewusstsein, aber eben auch mit der Demut dessen, der sich in das Unabänderliche fügt, Rückschau hält: "I've done a lot in my life - played, sang, toured, hosted a TV show, acted in a movie - most of the things that happened were because of music, because of the records, and now it's time to just close that book."
Glen Campbell hat Alzheimer. Nun könnte man sagen, die Ausübung von Rockmusik wäre sowieso nicht an einen funktionierenden Verstand gebunden; aber so ist es nicht. Glen Campbell hat die sechziger Jahre zwar an vorderster Front mitgemacht, aber er konnte sich bis zum Ausbruch der Krankheit, die in diesem Frühjahr diagnostiziert wurde, auch noch daran erinnern.
Er lebte ja von diesem Erbe: als blankpolierter, meist verbindlich lächelnder Country-Entertainer, der im Schatten jener, die dann doch noch größer waren, zwar manche Karriereenttäuschung zu verdauen hatte - etwa das Engagement bei den Beach Boys, die Steigbügelhalterzeit bei Elvis Presley und Frank Sinatra -, der aber dank einem hohen Maß an Professionalität eigene Fernsehsendungen machen und einmal sogar an der Seite John Waynes, im Film "True Grit" ("Der Marschall"), die sonst immer nur glaubwürdig besungene Rolle eines Westerners spielen durfte und konnte. Letzteres war 1969. Glen Campbell stand auf der Höhe seines Ruhms, er hatte mit John Hartfords "Gentle On My Mind" die Lunte an eine beachtliche Hitserie gelegt, die er mit den Jimmy-Webb-Songs "By the Time I Get to Phoenix", "Wichita Lineman" und "Galveston" fortsetzte, und war von der Country-Vereinigung in Nashville gerade zum Unterhaltungskünstler des Jahres gewählt worden; die fünf Grammys flogen ihm dann gewissermaßen noch so zu.
So glühte sein Ruhm in den Siebzigern noch warm genug nach; der "Rhinestone Cowboy", der Song, mit dem er seither quasi identisch war, kam ja erst 1975, die "Southern Nights", die ihm der New-Orleans-Großmogul Allen Toussaint großzügig überlassen hatte, noch zwei Jahre später. Damals sang er auch sein vielleicht berührendstes, subtilstes Lied, "Guide Me", das dann allerdings die wahrscheinlich genretypische Frömmelei vorwegnahm, mit der er später von sich reden machte, wenn er nicht gerade, suffbedingt, in Prügeleien verwickelt war.
Ja, es ist wahr: Glen Campbell hat in seinem Leben wenig ausgelassen und durfte mit den schönsten Frauen zu einer Zeit singen (und wahrscheinlich nicht nur singen), als beide Seiten noch etwas davon hatten; genannt seien nur die allerschönsten: Bobby Gentry, Rita Coolidge und Tanya Tucker. Aber allzu sehr krachen ließ er es dann doch nie. Zu den Country-Outlaws Johnny Cash, Waylon Jennings, Kris Kristofferson und Merle Haggard hielt er Abstand und wusste die uramerikanischen Abgründe, die selbstverständlich auch in ihm schlummerten, immer unter der sauberen Oberfläche seiner Anmut zu verbergen, die seine Karriere lange Zeit in der Balance hielt.
Und anders als die Genannten ebnete er das ihm meistens von Kollegen gelieferte Songmaterial mit seinem biegsamen, in den Höhen optimistisch strahlenden Tenor so ein, dass er damit ein sehr großes Publikum erreichte. Damit verkörperte er zumindest ästhetisch eine Mitte, die heute, wo vieles in der Rockmusik ganz einfach ausgereizt ist, wieder interessant werden könnte.
Mit Wucht und Würde meldet Glen Campbell sich nun also wieder zurück. "Ghost On The Canvas": Der Titel des Albums klingt so gespenstisch wie passend, man denkt an den Dylan-Song "When I Paint My Masterpiece", und ein Meisterwerk ist es bis zu einem gewissen Grade auch geworden. Das Cover zeigt ihn johnny-cash-artig im langen, dunklen Mantel, und man hoffte, dies wäre, wie beim vier Jahre älteren Cash - Campbell ist jetzt fünfundsiebzig -, auch der Beginn von vier-, fünf- oder sechsteiligen American Recordings.
Womöglich in dem Bewusstsein, dass daraus nichts wird, hat Campbell jetzt sechzehn Lieder aufgenommen, eigentlich ein Doppelalbum, und so gute Songschreiber wie Paul Westerberg, Teddy Thompson (Sohn von Richard) und Jakob Dylan (Sohn von Bob) haben ihm mit haltbaren Kompositionen unter die Arme gegriffen. Gitarre spielen unter anderen Brian Setzer und Billy Corgan - die Jüngeren wissen also, was sich gehört. Angenehm transparent produziert wurde die Platte von Julian Raymond. Rocken im Alter geht also auch ohne Rick Rubin.
Das klingt dann nicht nur elegisch. Seltsam fiebrig gibt Campbell sich in "It's Your Amazing Grace" nach wie vor diesseitiger Schönheit hin und seinem Hengst dann noch einmal richtig die Sporen, wie in dem Song "May 21st, 1969", wo er uns wissen lässt: "There rides the Cowboy". Man höre auch den erstaunlichen Rockabilly "In My Arms" oder das ruppig-trotzige "A Thousand Lifetimes" - denn, wahrhaftig, das wünschte man ihm: die richtige Liebste im Arm und noch mindestens ein weiteres Leben.
Dieses erlischt langsam, man kann es kaum glauben, und er selbst konnte es anfangs wahrscheinlich auch nicht so richtig fassen, wie den liner notes zu entnehmen ist: "I've been saying it to my friends and family, but now that it's in writing, it really seems final." Aber noch lebt er. Im Moment ist er sogar in seiner Heimat ein letztes Mal auf Tournee, und es ist bedauerlich, dass für Europa offenbar keine Termine geplant sind. Es hätte auch uns den Abschied von einem Kerl wie ihm erleichtern können - oder erschweren, je nachdem.
EDO REENTS
Glen Campbell, Ghost On The Canvas
Surfdog Records/Neo 233446 (Sony Music)
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Oft verkünden Künstler ihren Abschied, um sich im Gespräch zu halten und desto glanzvoller zurückzukehren. Beim Country-Entertainer Glen Campbell ist es endgültig: Dies ist seine letzte Platte.
Die klipp und klare Ankündigung eines letzten Werks ist in keiner Kunstsparte üblich. Deswegen dürfte auch diejenigen, die Glen Campbell schon länger nicht mehr auf der Rechnung hatten, folgende Ankündigung berühren: "Ghost On The Canvas is the last studio record of new songs that I ever plan to make." So steht es in den bewegenden liner notes, in denen der Sänger, Gitarrist, Songschreiber und Schauspieler mit Selbstbewusstsein, aber eben auch mit der Demut dessen, der sich in das Unabänderliche fügt, Rückschau hält: "I've done a lot in my life - played, sang, toured, hosted a TV show, acted in a movie - most of the things that happened were because of music, because of the records, and now it's time to just close that book."
Glen Campbell hat Alzheimer. Nun könnte man sagen, die Ausübung von Rockmusik wäre sowieso nicht an einen funktionierenden Verstand gebunden; aber so ist es nicht. Glen Campbell hat die sechziger Jahre zwar an vorderster Front mitgemacht, aber er konnte sich bis zum Ausbruch der Krankheit, die in diesem Frühjahr diagnostiziert wurde, auch noch daran erinnern.
Er lebte ja von diesem Erbe: als blankpolierter, meist verbindlich lächelnder Country-Entertainer, der im Schatten jener, die dann doch noch größer waren, zwar manche Karriereenttäuschung zu verdauen hatte - etwa das Engagement bei den Beach Boys, die Steigbügelhalterzeit bei Elvis Presley und Frank Sinatra -, der aber dank einem hohen Maß an Professionalität eigene Fernsehsendungen machen und einmal sogar an der Seite John Waynes, im Film "True Grit" ("Der Marschall"), die sonst immer nur glaubwürdig besungene Rolle eines Westerners spielen durfte und konnte. Letzteres war 1969. Glen Campbell stand auf der Höhe seines Ruhms, er hatte mit John Hartfords "Gentle On My Mind" die Lunte an eine beachtliche Hitserie gelegt, die er mit den Jimmy-Webb-Songs "By the Time I Get to Phoenix", "Wichita Lineman" und "Galveston" fortsetzte, und war von der Country-Vereinigung in Nashville gerade zum Unterhaltungskünstler des Jahres gewählt worden; die fünf Grammys flogen ihm dann gewissermaßen noch so zu.
So glühte sein Ruhm in den Siebzigern noch warm genug nach; der "Rhinestone Cowboy", der Song, mit dem er seither quasi identisch war, kam ja erst 1975, die "Southern Nights", die ihm der New-Orleans-Großmogul Allen Toussaint großzügig überlassen hatte, noch zwei Jahre später. Damals sang er auch sein vielleicht berührendstes, subtilstes Lied, "Guide Me", das dann allerdings die wahrscheinlich genretypische Frömmelei vorwegnahm, mit der er später von sich reden machte, wenn er nicht gerade, suffbedingt, in Prügeleien verwickelt war.
Ja, es ist wahr: Glen Campbell hat in seinem Leben wenig ausgelassen und durfte mit den schönsten Frauen zu einer Zeit singen (und wahrscheinlich nicht nur singen), als beide Seiten noch etwas davon hatten; genannt seien nur die allerschönsten: Bobby Gentry, Rita Coolidge und Tanya Tucker. Aber allzu sehr krachen ließ er es dann doch nie. Zu den Country-Outlaws Johnny Cash, Waylon Jennings, Kris Kristofferson und Merle Haggard hielt er Abstand und wusste die uramerikanischen Abgründe, die selbstverständlich auch in ihm schlummerten, immer unter der sauberen Oberfläche seiner Anmut zu verbergen, die seine Karriere lange Zeit in der Balance hielt.
Und anders als die Genannten ebnete er das ihm meistens von Kollegen gelieferte Songmaterial mit seinem biegsamen, in den Höhen optimistisch strahlenden Tenor so ein, dass er damit ein sehr großes Publikum erreichte. Damit verkörperte er zumindest ästhetisch eine Mitte, die heute, wo vieles in der Rockmusik ganz einfach ausgereizt ist, wieder interessant werden könnte.
Mit Wucht und Würde meldet Glen Campbell sich nun also wieder zurück. "Ghost On The Canvas": Der Titel des Albums klingt so gespenstisch wie passend, man denkt an den Dylan-Song "When I Paint My Masterpiece", und ein Meisterwerk ist es bis zu einem gewissen Grade auch geworden. Das Cover zeigt ihn johnny-cash-artig im langen, dunklen Mantel, und man hoffte, dies wäre, wie beim vier Jahre älteren Cash - Campbell ist jetzt fünfundsiebzig -, auch der Beginn von vier-, fünf- oder sechsteiligen American Recordings.
Womöglich in dem Bewusstsein, dass daraus nichts wird, hat Campbell jetzt sechzehn Lieder aufgenommen, eigentlich ein Doppelalbum, und so gute Songschreiber wie Paul Westerberg, Teddy Thompson (Sohn von Richard) und Jakob Dylan (Sohn von Bob) haben ihm mit haltbaren Kompositionen unter die Arme gegriffen. Gitarre spielen unter anderen Brian Setzer und Billy Corgan - die Jüngeren wissen also, was sich gehört. Angenehm transparent produziert wurde die Platte von Julian Raymond. Rocken im Alter geht also auch ohne Rick Rubin.
Das klingt dann nicht nur elegisch. Seltsam fiebrig gibt Campbell sich in "It's Your Amazing Grace" nach wie vor diesseitiger Schönheit hin und seinem Hengst dann noch einmal richtig die Sporen, wie in dem Song "May 21st, 1969", wo er uns wissen lässt: "There rides the Cowboy". Man höre auch den erstaunlichen Rockabilly "In My Arms" oder das ruppig-trotzige "A Thousand Lifetimes" - denn, wahrhaftig, das wünschte man ihm: die richtige Liebste im Arm und noch mindestens ein weiteres Leben.
Dieses erlischt langsam, man kann es kaum glauben, und er selbst konnte es anfangs wahrscheinlich auch nicht so richtig fassen, wie den liner notes zu entnehmen ist: "I've been saying it to my friends and family, but now that it's in writing, it really seems final." Aber noch lebt er. Im Moment ist er sogar in seiner Heimat ein letztes Mal auf Tournee, und es ist bedauerlich, dass für Europa offenbar keine Termine geplant sind. Es hätte auch uns den Abschied von einem Kerl wie ihm erleichtern können - oder erschweren, je nachdem.
EDO REENTS
Glen Campbell, Ghost On The Canvas
Surfdog Records/Neo 233446 (Sony Music)
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main