The songs on the first album are the children.
The songs on the second album are their parents.
Ghosteen is a migrating spirit.'Nick Cave
Schon jetzt ist das neue Werk zum Liebling der Kritiker geworden. So bezeichnet etwa der Rolling Stone die neue Musik als "lichtgeflutete, erhabene, geradezu kosmische Songs. Vielleicht die schönsten im Werk des sinistren Melancholikers". Spex bezeichnet das Album als "seine bislang vielleicht intimste Platte - aber auch ein Aufruf an die Erdbevölkerung"."Ghosteen" wurde von Nick Cave in seinen The Red Hand Files angekündigt, nachdem ein Fan sich nach neuer Musik erkundigt hatte. Das Album wurde 2018 und Anfang 2019 im Woodshed in Malibu, Nightbird in Los Angeles, Retreat in Brighton und Candybomber in Berlin aufgenommen. Es wurde von Nick Cave,Warren Ellis, Lance Powell und Andrew Dominik im Conway in Los Angeles gemixt. Das Cover wurde von Tom duBois gemalt.
Nick Cave - vocals, piano, synthesizer, backing vocal
Warren Ellis - synthesizer, loops, flute, violin, piano, backing vocals
Thomas Wydler - drums
Martyn Casey - bass
Jim Sclavunos - vibraphone, percussion
George Vjestica - guitar
The songs on the second album are their parents.
Ghosteen is a migrating spirit.'Nick Cave
Schon jetzt ist das neue Werk zum Liebling der Kritiker geworden. So bezeichnet etwa der Rolling Stone die neue Musik als "lichtgeflutete, erhabene, geradezu kosmische Songs. Vielleicht die schönsten im Werk des sinistren Melancholikers". Spex bezeichnet das Album als "seine bislang vielleicht intimste Platte - aber auch ein Aufruf an die Erdbevölkerung"."Ghosteen" wurde von Nick Cave in seinen The Red Hand Files angekündigt, nachdem ein Fan sich nach neuer Musik erkundigt hatte. Das Album wurde 2018 und Anfang 2019 im Woodshed in Malibu, Nightbird in Los Angeles, Retreat in Brighton und Candybomber in Berlin aufgenommen. Es wurde von Nick Cave,Warren Ellis, Lance Powell und Andrew Dominik im Conway in Los Angeles gemixt. Das Cover wurde von Tom duBois gemalt.
Nick Cave - vocals, piano, synthesizer, backing vocal
Warren Ellis - synthesizer, loops, flute, violin, piano, backing vocals
Thomas Wydler - drums
Martyn Casey - bass
Jim Sclavunos - vibraphone, percussion
George Vjestica - guitar
CD 1 | |||
1 | Spinning song | 00:04:43 | |
2 | Bright horses | 00:04:52 | |
3 | Waiting for you | 00:03:54 | |
4 | Night raid | 00:05:07 | |
5 | Sun forest | 00:06:46 | |
6 | Galleon ship | 00:04:14 | |
7 | Ghosteen speaks | 00:04:02 | |
8 | Leviathan | 00:04:48 | |
CD 2 | |||
1 | Ghosteen | 00:12:10 | |
2 | Fireflies | 00:03:23 | |
3 | Hollywood | 00:14:12 |
Frankfurter Allgemeine ZeitungEin kleines Gespenst tanzt ihm auf der Hand
In diesem Musik-Kosmos ist die Grenze zwischen Leben und Tod durchlässig: Nick Caves Album "Ghosteen"
Wenn einer singt "I am beside you", immer und immer wieder, mit tiefer, voluminöser Stimme, wenn er fordert "look for me" und dann von den Freunden spricht, die sich um ihn versammelt haben und singen, um "frei" zu sein, dann beschreibt das eine Situation, die zumindest uneindeutig ist. Die Begleitung - der voll brummende Bass, die zwischen Schweben und Blubbern changierenden Synthesizerklänge, die verzerrten menschlichen Harmoniestimmen - unterstreicht das Befremdliche dieses Lieds. Die Abgründe aber, um die es hier geht, ahnt man wohl vollends erst beim Blick auf den Titel: "Ghosteen speaks", so heißt das Lied, das siebte eines Albums namens "Ghosteen", das Nick Cave mit den Bad Seeds soeben auf CD und LP herausgebracht hat, nachdem es seit Oktober schon als Download erhältlich war.
Dass der "kleine Geist" des Titels kaum unabhängig von den Folgen der Katastrophe verstanden werden kann, die Nick Cave und seine Familie vor vier Jahren mit dem Tod seines Sohnes Arthur ereilte, liegt nahe. Doch die Farben dieser Platte sind komplett anders als die von "Skeleton Tree", dem Vorgängeralbum, das verhalten, musikalisch gebrochen und in seinen Texten von Trauer durchzogen ist - das Unglück traf die Familie während der Aufnahmen zu diesem Album, und zumindest das Eröffnungslied spricht deutlich davon.
Doch bereits das Cover von "Ghosteen" hat in seinem wolkigen Fantasykitsch mit dem von "Skeleton Tree" rein gar nichts zu tun, und die Ruhe, mit der hier ein elegisches Lied nach dem anderen mit der größten Selbstverständlichkeit der Welt die musikalischen und textlichen Motive der Platte variiert, ist gegenüber dem bisweilen geradezu fragmentarischen Charakter von "Skeleton Tree" ganz entgegengesetzt.
Exklamationen wird man hier nicht finden, die treibenden Rhythmen von Cave-Klassikern wie "Get Ready For Love" oder "Bring It On", vom Punk der frühen Alben ganz zu schweigen, sind dieser Platte ganz fremd. "Peace will come", so hofft, fleht, beschwört Caves hier überraschend dünne Kopfstimme am Ende von "Spinning Song", dem Lied, das die Platte eröffnet, aber der anwachsende Hintergrundgesang, der diese Stimme in den Wiederholungen dann unterstützt und kräftigt, ist programmatisch für das gesamte Album, musikalisch wie inhaltlich: Die Texte sprechen unaufhörlich davon, dass man zusammengehöre, die Liebenden, ob sie nun lebendig oder tot sind, "I'm by your side, holding your hand", heißt es in "Bright Horses", und die elegische Ballade "Waiting for You" mündet am Ende des letzten Refrains in den Zusatz "to return", was schon eine sehr robuste Konstitution beim Hörer verlangt, um sich davon nicht anrühren zu lassen. Ein anderes Lied beschwört gleich zu Beginn das Bild von Jesus in den Armen seiner Mutter herauf, tot also, aber auf die Auferstehung wartend, und die Durchlässigkeit der Sphären von Dies- und Jenseits ist das eigentliche Thema von "Ghosteen". Die vom Sänger ersehnte Ruhe kann sich dabei nicht einstellen, auch musikalisch nicht, bei allem Wabern und Rauschen, und so wächst das Bewusstsein für die trickreichen Soundcollagen beim mehrfachen Anhören der Platte enorm.
Das Miniaturgespenst lässt sich nicht abweisen, es ist überall präsent, nicht nur im Kopf des Trauernden, auch tanzend auf seiner Handfläche, wie es in "Ghosteen" heißt, "slowly twirling, twirling all around / A glowing circle in my hand / Dancing, dancing, dancing all around". Im Kosmos von "Ghosteen" hat der Tod sein Recht aufs letzte Wort verloren.
TILMAN SPRECKELSEN
Nick Cave and the Bad Seeds: "Ghosteen".
Ghosteen Ltd
(Rough Trade)
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
In diesem Musik-Kosmos ist die Grenze zwischen Leben und Tod durchlässig: Nick Caves Album "Ghosteen"
Wenn einer singt "I am beside you", immer und immer wieder, mit tiefer, voluminöser Stimme, wenn er fordert "look for me" und dann von den Freunden spricht, die sich um ihn versammelt haben und singen, um "frei" zu sein, dann beschreibt das eine Situation, die zumindest uneindeutig ist. Die Begleitung - der voll brummende Bass, die zwischen Schweben und Blubbern changierenden Synthesizerklänge, die verzerrten menschlichen Harmoniestimmen - unterstreicht das Befremdliche dieses Lieds. Die Abgründe aber, um die es hier geht, ahnt man wohl vollends erst beim Blick auf den Titel: "Ghosteen speaks", so heißt das Lied, das siebte eines Albums namens "Ghosteen", das Nick Cave mit den Bad Seeds soeben auf CD und LP herausgebracht hat, nachdem es seit Oktober schon als Download erhältlich war.
Dass der "kleine Geist" des Titels kaum unabhängig von den Folgen der Katastrophe verstanden werden kann, die Nick Cave und seine Familie vor vier Jahren mit dem Tod seines Sohnes Arthur ereilte, liegt nahe. Doch die Farben dieser Platte sind komplett anders als die von "Skeleton Tree", dem Vorgängeralbum, das verhalten, musikalisch gebrochen und in seinen Texten von Trauer durchzogen ist - das Unglück traf die Familie während der Aufnahmen zu diesem Album, und zumindest das Eröffnungslied spricht deutlich davon.
Doch bereits das Cover von "Ghosteen" hat in seinem wolkigen Fantasykitsch mit dem von "Skeleton Tree" rein gar nichts zu tun, und die Ruhe, mit der hier ein elegisches Lied nach dem anderen mit der größten Selbstverständlichkeit der Welt die musikalischen und textlichen Motive der Platte variiert, ist gegenüber dem bisweilen geradezu fragmentarischen Charakter von "Skeleton Tree" ganz entgegengesetzt.
Exklamationen wird man hier nicht finden, die treibenden Rhythmen von Cave-Klassikern wie "Get Ready For Love" oder "Bring It On", vom Punk der frühen Alben ganz zu schweigen, sind dieser Platte ganz fremd. "Peace will come", so hofft, fleht, beschwört Caves hier überraschend dünne Kopfstimme am Ende von "Spinning Song", dem Lied, das die Platte eröffnet, aber der anwachsende Hintergrundgesang, der diese Stimme in den Wiederholungen dann unterstützt und kräftigt, ist programmatisch für das gesamte Album, musikalisch wie inhaltlich: Die Texte sprechen unaufhörlich davon, dass man zusammengehöre, die Liebenden, ob sie nun lebendig oder tot sind, "I'm by your side, holding your hand", heißt es in "Bright Horses", und die elegische Ballade "Waiting for You" mündet am Ende des letzten Refrains in den Zusatz "to return", was schon eine sehr robuste Konstitution beim Hörer verlangt, um sich davon nicht anrühren zu lassen. Ein anderes Lied beschwört gleich zu Beginn das Bild von Jesus in den Armen seiner Mutter herauf, tot also, aber auf die Auferstehung wartend, und die Durchlässigkeit der Sphären von Dies- und Jenseits ist das eigentliche Thema von "Ghosteen". Die vom Sänger ersehnte Ruhe kann sich dabei nicht einstellen, auch musikalisch nicht, bei allem Wabern und Rauschen, und so wächst das Bewusstsein für die trickreichen Soundcollagen beim mehrfachen Anhören der Platte enorm.
Das Miniaturgespenst lässt sich nicht abweisen, es ist überall präsent, nicht nur im Kopf des Trauernden, auch tanzend auf seiner Handfläche, wie es in "Ghosteen" heißt, "slowly twirling, twirling all around / A glowing circle in my hand / Dancing, dancing, dancing all around". Im Kosmos von "Ghosteen" hat der Tod sein Recht aufs letzte Wort verloren.
TILMAN SPRECKELSEN
Nick Cave and the Bad Seeds: "Ghosteen".
Ghosteen Ltd
(Rough Trade)
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main