Produktdetails
- Anzahl: 2 Vinyls
- Erscheinungstermin: 25. März 2011
- Hersteller: ROUGH TRADE / Grönland,
- EAN: 5060238630467
- Artikelnr.: 32764658
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 13.08.2011Bariton mit Frauen
William Fitzsimmons heilt sich und uns mit Elektrofolk
Unter allen amerikanischen Singer-Songwritern besitzt William Fitzsimmons mit Sicherheit den größten Bart. Seiner Gesichtsbehaarung ist sogar eine eigene Facebook-Seite gewidmet - mit immerhin 598 Freunden. Ein richtiger Folksänger lebt eben rasurabstinent, siehe die Kollegen Ray LaMontagne und Samuel Beam.
Die Biographie des Musikers ist Bestandteil seiner Kunst. Als jüngstes Kind eines blinden Paares wächst er in Pennsylvania auf. Sein Vater baut zu Hause Pfeifenorgeln, William lernt Klavier und Posaune, singt mit seiner Mutter Lieder von James Taylor und John Denver. Doch die Ehe seiner Eltern scheitert. Fitzsimmons studiert Psychotherapie in Beaver Falls und verarbeitet die Scheidung in Songs, die er daheim aufnimmt. Als nach Jahren auch seine eigene Ehe in die Brüche geht, macht er diese Erfahrung zum Thema eines ganzen Albums, des wunderbar melancholischen "The Sparrow And The Crow", mit dem er 2008 einem größeren Publikum bekannt wird.
Mit "Gold In The Shadow" blickt Fitzsimmons nun nach vorn. Zehn traurig-schöne Songs irgendwo zwischen Folk und Electronica. "I want to be changed from / The shadow and the tomb", singt er im Refrain von "The Tide Pulls from the Moon". Im Hintergrund der einzigartige Klang einer Pedal-Steel-Gitarre. Dabei ist sein Gesang mehr ein Flüstern. Die Stimme entfaltet ihre Eindringlichkeit durch Intimität. Fitzsimmons scheint einem die Worte direkt ins Ohr zu hauchen, kein Hall, kein überwältigendes Pathos. Auch Gastsängerin Grace Read, deren zarte, dunkle Stimme hervorragend zu dem weichen Bariton passt, nimmt sich zurück.
Bereits auf dem letzten Album hat der Singer-Songwriter erkannt, dass viele seiner ruhigen Stücke durch weibliche Stimmen einen ganz eigenen Zauber entfalten. Jetzt hat er gleich drei Sängerinnen ins Studio gebeten: neben Read die New Yorkerin Laura DiStasi sowie Leigh Nash von der Band Sixpence None The Richer, die in "Let You Break" ein wunderschönes Solo singen darf. So fällt kaum auf, dass Fitzsimmons selbst seinen Gesang nur wenig variiert. Das tut der Wirkung jedoch keinen Abbruch; die wehmütige Atmosphäre bleibt über die Länge von zehn Stücken aufrechterhalten.
Das Tempo ist auffällig langsam, nur "The Winter from Her Leaving" wird von einem stampfenden Country-Rhythmus vorangetrieben, während Banjo und Mandoline fast Tanzstimmung aufkommen lassen. Und Jay Cliffords Wurlitzer-Piano ergänzt den Song mit seinem warmen Klang. Die Höhepunkte finden sich in der Mitte des Albums. "Fade and then Return" beginnt mit einer flirrenden E-Gitarre, die mittels Delay-Effekt den Songtitel widerspiegelt. Schichtweise baut sich das Stück auf: Banjolin, Keyboard, mehrstimmiger Gesang, ein pulsierender Beat. Elektronisch wird es auch bei "Psychasthenia": Der Song besticht durch die Kombination von Akustikgitarre und Synthesizern, den Stimmen von Fitzsimmons und DiStasi, einer simplen, aber umso ergreifenderen Melodie. "Cut me open please", singen die beiden im Refrain - der Song handelt von den Zwangsstörungen des Musikers, die er loszuwerden versucht.
William Fitzsimmons, der inzwischen wieder geheiratet hat und nach Illinois gezogen ist, scheint seine Dämonen besiegt zu haben. Obgleich das Vorgängeralbum einen stärker packte, tief hineinzog in die schwermütige Seelenwelt des Musikers, ist ihm mit "Gold In The Shadow" ein würdiger Nachfolger gelungen. Die bittersüßen Stücke strahlen verhaltenen Optimismus aus, wirken reif und souverän. Man merkt, dass sie das Resultat eines Heilungsprozesses sind - der düstere Weltschmerz ist gelassener Versonnenheit gewichen. Stilistisch bleibt Fitzsimmons bei seinem bewährten Rezept, das zu gleichen Teilen aus Melancholie, ruhigem Folk und klangtechnischen Experimenten besteht. Diesmal bietet er sogar ein ganzes Streichquartett auf.
Seltener kommt dagegen sein Markenzeichen zum Einsatz, die schnell arpeggierte Akustikgitarre, meistens in offener DADGAD-Stimmung, taucht lediglich in vier Songs auf. Auch wenn sich der Fokus stärker in Richtung Electronica verschoben hat, ist es ein warmes, organisches Album geworden, in dem komplexe Klangbilder und traditionelle Folkinstrumente harmonieren. "And lay your head / Beside a better burden / Until the heal has come", heißt es im letzten Stück. Der Psychotherapeut als Musiker - bei William Fitzsimmons kein Widerspruch. "You will see sunrise again", singt er zusammen mit Grace Read in der Schlusszeile des Albums. Es klingt wie ein Versprechen. Auch seinem Rauschebart gegenüber.
DANIEL GRINSTED
William Fitzsimmons,
Gold In The Shadow
Grönland 1146493 (Rough Trade)
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
William Fitzsimmons heilt sich und uns mit Elektrofolk
Unter allen amerikanischen Singer-Songwritern besitzt William Fitzsimmons mit Sicherheit den größten Bart. Seiner Gesichtsbehaarung ist sogar eine eigene Facebook-Seite gewidmet - mit immerhin 598 Freunden. Ein richtiger Folksänger lebt eben rasurabstinent, siehe die Kollegen Ray LaMontagne und Samuel Beam.
Die Biographie des Musikers ist Bestandteil seiner Kunst. Als jüngstes Kind eines blinden Paares wächst er in Pennsylvania auf. Sein Vater baut zu Hause Pfeifenorgeln, William lernt Klavier und Posaune, singt mit seiner Mutter Lieder von James Taylor und John Denver. Doch die Ehe seiner Eltern scheitert. Fitzsimmons studiert Psychotherapie in Beaver Falls und verarbeitet die Scheidung in Songs, die er daheim aufnimmt. Als nach Jahren auch seine eigene Ehe in die Brüche geht, macht er diese Erfahrung zum Thema eines ganzen Albums, des wunderbar melancholischen "The Sparrow And The Crow", mit dem er 2008 einem größeren Publikum bekannt wird.
Mit "Gold In The Shadow" blickt Fitzsimmons nun nach vorn. Zehn traurig-schöne Songs irgendwo zwischen Folk und Electronica. "I want to be changed from / The shadow and the tomb", singt er im Refrain von "The Tide Pulls from the Moon". Im Hintergrund der einzigartige Klang einer Pedal-Steel-Gitarre. Dabei ist sein Gesang mehr ein Flüstern. Die Stimme entfaltet ihre Eindringlichkeit durch Intimität. Fitzsimmons scheint einem die Worte direkt ins Ohr zu hauchen, kein Hall, kein überwältigendes Pathos. Auch Gastsängerin Grace Read, deren zarte, dunkle Stimme hervorragend zu dem weichen Bariton passt, nimmt sich zurück.
Bereits auf dem letzten Album hat der Singer-Songwriter erkannt, dass viele seiner ruhigen Stücke durch weibliche Stimmen einen ganz eigenen Zauber entfalten. Jetzt hat er gleich drei Sängerinnen ins Studio gebeten: neben Read die New Yorkerin Laura DiStasi sowie Leigh Nash von der Band Sixpence None The Richer, die in "Let You Break" ein wunderschönes Solo singen darf. So fällt kaum auf, dass Fitzsimmons selbst seinen Gesang nur wenig variiert. Das tut der Wirkung jedoch keinen Abbruch; die wehmütige Atmosphäre bleibt über die Länge von zehn Stücken aufrechterhalten.
Das Tempo ist auffällig langsam, nur "The Winter from Her Leaving" wird von einem stampfenden Country-Rhythmus vorangetrieben, während Banjo und Mandoline fast Tanzstimmung aufkommen lassen. Und Jay Cliffords Wurlitzer-Piano ergänzt den Song mit seinem warmen Klang. Die Höhepunkte finden sich in der Mitte des Albums. "Fade and then Return" beginnt mit einer flirrenden E-Gitarre, die mittels Delay-Effekt den Songtitel widerspiegelt. Schichtweise baut sich das Stück auf: Banjolin, Keyboard, mehrstimmiger Gesang, ein pulsierender Beat. Elektronisch wird es auch bei "Psychasthenia": Der Song besticht durch die Kombination von Akustikgitarre und Synthesizern, den Stimmen von Fitzsimmons und DiStasi, einer simplen, aber umso ergreifenderen Melodie. "Cut me open please", singen die beiden im Refrain - der Song handelt von den Zwangsstörungen des Musikers, die er loszuwerden versucht.
William Fitzsimmons, der inzwischen wieder geheiratet hat und nach Illinois gezogen ist, scheint seine Dämonen besiegt zu haben. Obgleich das Vorgängeralbum einen stärker packte, tief hineinzog in die schwermütige Seelenwelt des Musikers, ist ihm mit "Gold In The Shadow" ein würdiger Nachfolger gelungen. Die bittersüßen Stücke strahlen verhaltenen Optimismus aus, wirken reif und souverän. Man merkt, dass sie das Resultat eines Heilungsprozesses sind - der düstere Weltschmerz ist gelassener Versonnenheit gewichen. Stilistisch bleibt Fitzsimmons bei seinem bewährten Rezept, das zu gleichen Teilen aus Melancholie, ruhigem Folk und klangtechnischen Experimenten besteht. Diesmal bietet er sogar ein ganzes Streichquartett auf.
Seltener kommt dagegen sein Markenzeichen zum Einsatz, die schnell arpeggierte Akustikgitarre, meistens in offener DADGAD-Stimmung, taucht lediglich in vier Songs auf. Auch wenn sich der Fokus stärker in Richtung Electronica verschoben hat, ist es ein warmes, organisches Album geworden, in dem komplexe Klangbilder und traditionelle Folkinstrumente harmonieren. "And lay your head / Beside a better burden / Until the heal has come", heißt es im letzten Stück. Der Psychotherapeut als Musiker - bei William Fitzsimmons kein Widerspruch. "You will see sunrise again", singt er zusammen mit Grace Read in der Schlusszeile des Albums. Es klingt wie ein Versprechen. Auch seinem Rauschebart gegenüber.
DANIEL GRINSTED
William Fitzsimmons,
Gold In The Shadow
Grönland 1146493 (Rough Trade)
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main