Produktdetails
- Anzahl: 2 Vinyls
- Erscheinungstermin: 8. November 2024
- Hersteller: Edel Music & Entertainment CD / DVD / earache,
- EAN: 5055006951646
- Artikelnr.: 71435066
- Herstellerkennzeichnung
- Edel Music & Entertainment GmbH
- Neumühlen 17
- 22763 Hamburg
- www.edel.com
Frankfurter Allgemeine ZeitungRock in den Grenzen von 1971 bis 1973
Eine echte Fortentwicklung: Die Rival Sons geben sich den Monsterblues
Im Namen des Bluesrock wurden schon viele schreckliche Verbrechen begangen. Zur Entschuldigung mag ins Feld geführt werden, dass das zwölftaktige Bluesschema mit seinem straffen Korsett aus Tonika, Subdominante und Dominante eben jederzeit für jedermann verfügbar ist - ein gemachtes Bett, in das uninspirierte Anfänger und abgehalfterte Routiniers ihre kreischenden Bluestonleitern und Standardlicks genauso ablegen können wie all jene, die unvorbereitet proben, jammen oder eine Zugabe geben müssen.
Geradezu zeitgemäß erschien dagegen, wie die Rival Sons auf ihrem Album "Head Down" von 2012 alle möglichen Versatzstücke aus der Blues- und Protohardrock-Schublade so variationsreich zusammenmontierten, dass dabei ein unbekümmerter, erfrischend energiehaltiger Bluesrockansatz herauskam. Wobei mit "zeitgemäß" eher nicht das Jahr 2012 gemeint ist, sondern das goldene Zeitalter von Legenden wie Led Zeppelin, Free und Bad Company, welches die kalifornische Band selbstbewusst wiederauferstehen ließ - quasi als Reenactment in den strikten Grenzen von 1971 bis 1973 (F.A.Z. vom 2. Juli 2013).
Das klang schmutzig und kantig genug, um die glattgeschmirgelten Versionen von Bluesrock vergessen zu lassen, wie sie verdiente Rockstars auf ihre alten Tage gerne fabrizieren. Es war aber auch kompakt, sexy und eingängig genug, um ein größeres junges Publikum anzulocken. Zumal die Lieder so vorzüglich komponiert und druckvoll produziert waren, dass man einige von ihnen ruhig für verschollene Klassiker halten konnte. Dabei half gewiss, dass Sänger Jay Buchanan eine maulig-maskuline Stimme mit großem Umfang besitzt, die nicht nur entfernt an die von Robert Plant gemahnt.
Auf der neuen Platte "Great Western Valkyrie" (Earache/Soulfood) hat sich auch zunächst einmal gar nicht so viel verändert, jedenfalls in der ersten Hälfte der zehn Stücke. Die Band spielt nun mehr mit Effekten, seien es der dicke Oktaveffekt im tiefergelegten Riff des Auftakts "Electric Man" oder die immer wieder durch den Raum schwebenden Sechziger-Tremolos. Insbesondere Scott Holidays Gitarre wartet mit einem knarzenden Fuzzsound auf, der weniger nach dem mächtigem Hardrock der Siebziger klingt als nach dem kratzigen Dilettantismus früherer Krachmacher wie der Stooges, dadurch paradoxerweise aber moderner anmutet, da dieser Ton von zeitgenössischen Retrobands inzwischen häufiger ausgegraben wird.
Ausfälle finden sich auf diesem Album praktisch keine, Eingängigkeit ist weiterhin Trumpf. Deshalb gibt es auch wieder eine Handvoll potentieller Klassiker zu hören, darunter die bleischwer stampfende Hymne "Open my Eyes", die pünktlich zur Mitte der Platte allerdings eine Fortentwicklung des Gruppensounds markiert: Deep Purple übernehmen das Ruder, Stadionrock grüßt. Spätere Lieder wenden sich noch entschiedener vom Bluesschema ab. Hier ein Offbeat, da ein Zwischenspiel mit der Orgel und dort eine ausgedehnte Instrumentalorgie mit wechselnden Tempi - die Rival Sons gehen den Weg, den die Vorbilder damals auch einschlugen und der schließlich in dem mündete, was man heute als "Classic Rock" bezeichnet.
In zweien dieser Stücke wildert die Band sogar in den Gefilden des Progressivrock. "Belle Starr" mit seinen endlosen Gesängen in verhallten Räumen voller spaciger Gitarren könnte so auch von den späten Led Zeppelin oder den frühen Rush stammen, das arg pathetische "Rich and the Poor" von der ersten, zu Recht nicht so berühmten Deep-Purple-Besetzung. Mit dem letzten Titel, "Destination on Course", gelingt es jedoch, diese auseinanderstrebenden Einflüsse in einem pulsierenden Monsterblues zusammenzuführen, wie ihn, schon wieder, Deep Purple 1974 zum Beispiel mit "Mistreated" im Angebot hatten. Womit sich, rockhistorisch gesehen, die Rival Sons also mindestens um ein Jahr weiterentwickelt hätten!
Dank dieser maßvollen Öffnung präsentiert sich "Great Western Valkyrie" nicht ganz so trocken, traditionell und homogen wie der Vorgänger; und natürlich vermag die Gruppe die neuen Äcker nicht genauso ungestüm umzupflügen, wie sie weiland den Bluesrocksumpf durchquirlte. Dazu fehlen ihr einfach die Experimentierfreude und Transformationsenergie zum Beispiel der Black Keys, die aus den Zutaten für alte Musik ganz und gar heutige machen. Aber die Rival Sons bewirtschaften reichlich inspiriert und für ihre Verhältnisse innovativ eine nicht so kleine Nische, die der Welt einfach nicht den Gefallen tun will, auszusterben. Und dies vielleicht auch gar nicht braucht.
Als indes die großen Bands der siebziger Jahre an dem Punkt angekommen waren, ihren Sound in alle Richtungen auszuweiten, verloren sie ihren Fokus und gingen eine nach der anderen ein, zumindest kreativ, um sich dann irgendwann die Wunden zu lecken und auf irgendwelche langweiligen Kernkompetenzen zurückzuziehen. Da müssen sich die Rival Sons wirklich vorsehen. Wer die Geschichte kennt und aus ihr gelernt hat, sollte nicht gezwungen sein, sie zu wiederholen.
MARK-STEFAN TIETZE
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Eine echte Fortentwicklung: Die Rival Sons geben sich den Monsterblues
Im Namen des Bluesrock wurden schon viele schreckliche Verbrechen begangen. Zur Entschuldigung mag ins Feld geführt werden, dass das zwölftaktige Bluesschema mit seinem straffen Korsett aus Tonika, Subdominante und Dominante eben jederzeit für jedermann verfügbar ist - ein gemachtes Bett, in das uninspirierte Anfänger und abgehalfterte Routiniers ihre kreischenden Bluestonleitern und Standardlicks genauso ablegen können wie all jene, die unvorbereitet proben, jammen oder eine Zugabe geben müssen.
Geradezu zeitgemäß erschien dagegen, wie die Rival Sons auf ihrem Album "Head Down" von 2012 alle möglichen Versatzstücke aus der Blues- und Protohardrock-Schublade so variationsreich zusammenmontierten, dass dabei ein unbekümmerter, erfrischend energiehaltiger Bluesrockansatz herauskam. Wobei mit "zeitgemäß" eher nicht das Jahr 2012 gemeint ist, sondern das goldene Zeitalter von Legenden wie Led Zeppelin, Free und Bad Company, welches die kalifornische Band selbstbewusst wiederauferstehen ließ - quasi als Reenactment in den strikten Grenzen von 1971 bis 1973 (F.A.Z. vom 2. Juli 2013).
Das klang schmutzig und kantig genug, um die glattgeschmirgelten Versionen von Bluesrock vergessen zu lassen, wie sie verdiente Rockstars auf ihre alten Tage gerne fabrizieren. Es war aber auch kompakt, sexy und eingängig genug, um ein größeres junges Publikum anzulocken. Zumal die Lieder so vorzüglich komponiert und druckvoll produziert waren, dass man einige von ihnen ruhig für verschollene Klassiker halten konnte. Dabei half gewiss, dass Sänger Jay Buchanan eine maulig-maskuline Stimme mit großem Umfang besitzt, die nicht nur entfernt an die von Robert Plant gemahnt.
Auf der neuen Platte "Great Western Valkyrie" (Earache/Soulfood) hat sich auch zunächst einmal gar nicht so viel verändert, jedenfalls in der ersten Hälfte der zehn Stücke. Die Band spielt nun mehr mit Effekten, seien es der dicke Oktaveffekt im tiefergelegten Riff des Auftakts "Electric Man" oder die immer wieder durch den Raum schwebenden Sechziger-Tremolos. Insbesondere Scott Holidays Gitarre wartet mit einem knarzenden Fuzzsound auf, der weniger nach dem mächtigem Hardrock der Siebziger klingt als nach dem kratzigen Dilettantismus früherer Krachmacher wie der Stooges, dadurch paradoxerweise aber moderner anmutet, da dieser Ton von zeitgenössischen Retrobands inzwischen häufiger ausgegraben wird.
Ausfälle finden sich auf diesem Album praktisch keine, Eingängigkeit ist weiterhin Trumpf. Deshalb gibt es auch wieder eine Handvoll potentieller Klassiker zu hören, darunter die bleischwer stampfende Hymne "Open my Eyes", die pünktlich zur Mitte der Platte allerdings eine Fortentwicklung des Gruppensounds markiert: Deep Purple übernehmen das Ruder, Stadionrock grüßt. Spätere Lieder wenden sich noch entschiedener vom Bluesschema ab. Hier ein Offbeat, da ein Zwischenspiel mit der Orgel und dort eine ausgedehnte Instrumentalorgie mit wechselnden Tempi - die Rival Sons gehen den Weg, den die Vorbilder damals auch einschlugen und der schließlich in dem mündete, was man heute als "Classic Rock" bezeichnet.
In zweien dieser Stücke wildert die Band sogar in den Gefilden des Progressivrock. "Belle Starr" mit seinen endlosen Gesängen in verhallten Räumen voller spaciger Gitarren könnte so auch von den späten Led Zeppelin oder den frühen Rush stammen, das arg pathetische "Rich and the Poor" von der ersten, zu Recht nicht so berühmten Deep-Purple-Besetzung. Mit dem letzten Titel, "Destination on Course", gelingt es jedoch, diese auseinanderstrebenden Einflüsse in einem pulsierenden Monsterblues zusammenzuführen, wie ihn, schon wieder, Deep Purple 1974 zum Beispiel mit "Mistreated" im Angebot hatten. Womit sich, rockhistorisch gesehen, die Rival Sons also mindestens um ein Jahr weiterentwickelt hätten!
Dank dieser maßvollen Öffnung präsentiert sich "Great Western Valkyrie" nicht ganz so trocken, traditionell und homogen wie der Vorgänger; und natürlich vermag die Gruppe die neuen Äcker nicht genauso ungestüm umzupflügen, wie sie weiland den Bluesrocksumpf durchquirlte. Dazu fehlen ihr einfach die Experimentierfreude und Transformationsenergie zum Beispiel der Black Keys, die aus den Zutaten für alte Musik ganz und gar heutige machen. Aber die Rival Sons bewirtschaften reichlich inspiriert und für ihre Verhältnisse innovativ eine nicht so kleine Nische, die der Welt einfach nicht den Gefallen tun will, auszusterben. Und dies vielleicht auch gar nicht braucht.
Als indes die großen Bands der siebziger Jahre an dem Punkt angekommen waren, ihren Sound in alle Richtungen auszuweiten, verloren sie ihren Fokus und gingen eine nach der anderen ein, zumindest kreativ, um sich dann irgendwann die Wunden zu lecken und auf irgendwelche langweiligen Kernkompetenzen zurückzuziehen. Da müssen sich die Rival Sons wirklich vorsehen. Wer die Geschichte kennt und aus ihr gelernt hat, sollte nicht gezwungen sein, sie zu wiederholen.
MARK-STEFAN TIETZE
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main