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Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 12.04.2021

Der Glamour ist weg
Werden die Fratellis jetzt Schmalspurrocker?

Die Fratellis sind keineswegs die einzige britische Band, die ihre rockistische Durchschlagskraft drosselte zugunsten eines komplexeren, weicheren, manchmal auch windelweichen Stils; Radiohead und Coldplay sind dafür die wohl krassesten Beispiele, Franz Ferdinand und die Arctic Monkeys weitere. Nach zwei, drei Platten ist meistens Schluss mit der Kompromisslosigkeit, dann geht es los mit der Frickelei, dann wird es ambitioniert - oder bloß uninspiriert. Die Fratellis wussten ihre Essenz von allen noch am meisten zu wahren. Selbst auf dem vergleichsweise schwachen Album "In Your Own Sweet Time" (2018) spürt man noch ihr Händchen für Gassenhauer.

Ihr eben erschienenes, "Half Drunk Under A Full Moon", entbehrt gleichfalls der metallischen Härte. Es ist, man muss es leider so sagen, ihr bisher schlechtestes, aber immer noch der Rede wert. Denn den Fratellis kann man schon aufgrund der Melodien, die sie, auf bisweilen aufreizend simpler rhythmischer Grundlage, in den allermeisten Liedern unterbringen, nur schwer widerstehen.

Damit wurden sie schließlich auch berühmt. Im Grunde kann man ihre Musik, wie einst die von Status Quo, als die Weiterentwicklung der Marschmusik bezeichnen, auch wenn sie selbst es darauf kaum abgesehen haben dürften. Tatsächlich aber nötigten sie mit ihrem Debüt "Costello Music" (2006) die Hörer dazu, entweder zackig mitzumarschieren, auf und ab zu springen oder einfach bloß lauthals mitzusingen. Songs wie "Baby Fratelli" und besonders das alsbald in Fußballstadien als Einheizer zum Einsatz gebrachte "Chelsea Dagger" wirkten wie ein machtvoll einschlagender Meteorit von einem anderen, längst erloschenen Stern, Prototyp einer überwunden geglaubten, verführerischen Primitivität, die nicht unbedingt das Schlechteste im Menschen hervorholte, sondern für Bewegung, eine fast hemmungslose Entäußerung sorgte.

Seither ist aus dem schottischen Trio mit jeder Platte mehr Druck entwichen, Auf dieser findet sich kein einziges Stück mehr, das mit Jon Fratellis am Punk geschultem Rhythmusgitarrenspiel noch an die anfängliche Rohheit anknüpfte. Das ist zweifellos ein Verlust, der aber durch Sentiment halbwegs wettgemacht wird. "Half Drunk Under A Full Moon" - der Titel ist vielleicht eine Anspielung auf das Emmylou-Harris-Album "Quarter Moon In A Ten Cent Town" (1978), der Rest hat nicht das Geringste damit zu tun - überzeugt jedenfalls eher mit hallenden Balladen, unter denen "Stranger In The Street" wegen seiner zu Herzen gehenden Verlorenheit herausragt. Jon Fratelli verkneift sich inzwischen bald jedes Riff, Wirkungstreffer erzielt er jetzt nur noch mit Gesangs- und Synthesizerlinien, die mit ihren behutsam ausgearbeiteten Arrangements manchmal an den frühen Elton John erinnern.

Vom Glamrock, auf den die Fratellis anfangs festgenagelt wurden - Jon sah aber auch wirklich fast genauso aus wie Marc Bolan von T. Rex; auch Slade waren nicht weit -, hat sich das alles noch mehr entfernt. Traditionalisten sind sie trotzdem geblieben. Von ferne nämlich klingt etwas anderes durch, das schon das Debüt prägte, jedoch von der Kritik nie ins Spiel gebracht wurde: Es ist der britische Schmalspurrock der Mitt- und Spätsiebziger, der sich vor allem am Doo Wop ausrichtete, also seinerseits schon sehr "retro" war. Aber so retro kann eine Gegenwart gar nicht sein, dass sich jemand allen Ernstes zu Bands wie Racey, Showaddywaddy oder Mud noch bekennen würde. Sei's drum. Die Fratellis bleiben auch mit dieser schwachen Platte eine Band aus eigenem Recht.

EDO REENTS

The Fratellis:

"Half Drunk Under A Full Moon".

Cooking Vinyl (Sony)

711297526721

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