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Produktdetails
Trackliste
CD
1Time Will00:04:34
2Hercules' theme00:04:29
3You Belong00:04:11
4Athene00:03:59
5Blind00:06:18
6Iris00:04:15
7Easy00:05:21
8This Is My Love00:04:58
9Raise Me Up00:03:51
10True/False, Fake/Real00:04:33
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 16.03.2008

Und ewig glitzert die Discokugel
Raus auf die Tanzfläche! Die Band Hercules & Love Affair überrascht mit ihrem Debütalbum

Endlich glitzert, glänzt und funkelt es wieder auf der Tanzfläche, vielleicht wie schon seit langem nicht mehr. Hercules & Love Affair heißt die in Brooklyn von Andrew Butler ausgebrütete Musiküberraschung dieses Frühjahrs, die einem nach Jahren der öden Timbaland-Diktatur mit all ihren Justins, Nellys und Rihannas doch noch den Glauben an originäre und trotzdem chartstaugliche Dancemusic zurückgibt. Und das Beste: Man kann sich sogar vorstellen, dazu auch ohne Brust-OP oder Anabolika-Oberarme zu tanzen. Butler, der in New York bislang vor allem als Mitbegründer des DanceHomosDance-Kollektivs sowie als DJ und Veranstalter der Cazzo-Pazzo-Clubnights im West Village von sich reden machte, hat mit Hilfe seiner besten Freunde, darunter Antony Hegarty von Antony & the Johnsons, ein rundum überzeugendes Album aufgenommen, das discokugelähnlich die facettenreiche Geschichte der schwarzen und weißen Dancemusic aufblinken lässt, ohne sich dabei in langweiligen Reminiszenzen zu verlieren.

Neo Disco, Experimental Disco oder Retro Disco lauten die vorschnell abgefeuerten Totschlagkategorien, mit denen Andrew Butlers Projekt zwar sehr wohlwollend, aber dann doch unzulänglich umschrieben wird. So leicht sollte man es sich mit Hercules & Love Affair und dem gleichnamigen Album nicht machen, auch wenn beim ersten Hören die zahlreichen Old-School-Disco-Referenzen offensichtlich sind. Doch taucht man tiefer in die Songs ein, vorbei an Italo- und Euro-Disco-Fragmenten, an Chicago- und Detroit-House-Huldigungen und allem, was DJ Larry Levan in den achtziger Jahren sonst noch so im legendären New Yorker Club "Paradise Garage" aufgelegt haben mag, merkt man recht schnell, dass Butler der Sprung ins 21. Jahrhundert ganz mühelos gelungen ist.

Erstaunlicherweise ist es vor allem Antony Hegartys Gesang, der Hercules & Love Affair so neu, modern und eben überhaupt nicht retro klingen lässt. Der androgyn-charismatische Sänger aus New York - ansonsten bekannt für seine hermetisch verkapselten, karg instrumentierten und manchmal auch etwas anstrengenden Klageballaden - ist gleich auf vier der zehn Tracks zu hören. "Time Will", der erste Song des Albums, beginnt mit seiner lasziv ausgestoßenen Drohung "Don't lie to me, don't make it up, don't snake it up, my friend". Dunkle Synthie-Bässe und verhalltes Fingerschnippen begleiten diesen emotional aufgeladenen Beginn, mit dem uns Freundchen Antony auf die für ihn typische ruhig-eindringliche Weise in seinen Bann zieht, um erst gegen Ende des Stücks in einen aufgeregteren, für ihn ungewöhnlich frenetischen Gesangsstil zu wechseln.

Auch mit "Blind", der ersten Single-Auskopplung, beweist Antony, welch überraschend mitreißende Discodiva-Qualitäten in ihm stecken. Die Vocals zu "Blind" haben Antony und Butler bereits 2003 aufgenommen, also noch vor Antonys kommerziellem Durchbruch, der ihm erst zwei Jahre später mit seinem Album "I Am a Bird Now" gelang. Und Antony war es auch, der Butler immer wieder dazu ermutigte, doch endlich sein Hercules-&-Love-Affair-Projekt voranzutreiben und sich ein Label zu suchen, bei dem er seine Musik gerne veröffentlicht sähe. Bei DFA Records, dem New Yorker Label, das auch LCD Soundsystem, The Rapture und Hot Chip unter Vertrag stehen hat, ist Butler nun schließlich untergekommen. Sein Debütalbum "Hercules & Love Affair", das er zusammen mit Tim Goldsworthy, einem der DFA-Labelchefs, produziert hat, ist gerade erschienen und darf wohl schon jetzt als eines der besten Dance-Alben des Jahres bezeichnet werden.

Andrew Butler, 29 Jahre alt und Absolvent des Studiengangs für elektronische Musik am Sarah-Lawrence-College in New York, möchte Hercules & Love Affair nicht als sein Soloprojekt, sondern als ein mit Freunden entstandenes Werk verstanden wissen. Neben Antony haben Kim Ann Foxman, Schmuckdesignerin und AcidHouse-DJ aus Brooklyn, sowie die R-'n'-B-Sängerin Nomi an "Hercules & Love Affair" mitgearbeitet und zu einigen Songs Vocals beigesteuert. So ist eine abwechslungsreiche Platte entstanden, auf der neben euphorischen Dance-Tracks auch ruhigere Stücke wie "Iris" oder "Easy" ihren Platz finden. Dennoch sind es vor allem die schnellen Stücke, die "Hercules & Love Affair" zu einem so ungewöhnlichen Album machen.

"Hercules Theme", eine mit schmetternden Trompeten, säuselnden Violinen und Yeah-Yeah-Yeah-Chor unterlegte abstrakt-fragmentierte Ode an Spätsiebziger-Disco-Tunes irgendwo zwischen Van McCoy, Belle Epoque und Gloria Gaynor, aber auch "You Belong", die wunderbare Hommage an "Good Life" von Inner City, lassen Butlers große Stärke erkennen: die Übertragung mittlerweile historischer Discomomente in einen an Classic House der neunziger Jahre geschulten, aktuellen Clubsound, der vom Minimal House Kölner oder Berliner Machart allerdings so weit entfernt ist wie Donna Summer von Sonic Youth.

Der opulente Sound des Albums mag mit Butlers Vorliebe für ekstatische, vocallastige Discomusik, wie sie seit Jahrzehnten in schwulen Clubs gespielt wird, zu tun haben. Seit seinem fünfzehnten Lebensjahr legt er diese Musik als DJ auch selber in schwulen Bars und Discos auf. Lieder voller Pathos, die letztendlich auf sehr egozentrische Weise von den Höhen und Tiefen des Lebens und Überlebens erzählen, von heimlicher oder nicht erwiderter Liebe, vom Wiedersehen, Verlassenwerden und Durchhalten.

Und genau diese Gefühlswelt ist es auch, die sich auf "Hercules & Love Affair" wiederfindet. Musik, die vom eher unglücklichen Herzen kommt und sich aber gerade deshalb die Zelebrierung des Lebens, der Nacht und jedes noch so kleinen, magischen Augenblicks nicht nehmen lässt. "My secret love", singt Antony in "Raise Me up", "I forgot to dance your name. I will never dance again". Allen anderen dürfte dies allerdings zu den Songs von Hercules & Love Affair sehr schwerfallen.

STEPHAN HERCZEG.

"Hercules & Love Affair" (EMI)

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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