Produktdetails
- Anzahl: 1 Audio CD
- Erscheinungstermin: 2. Januar 2006
- Hersteller: Naxos / OehmsClassics,
- Gesamtlaufzeit: 66 Min.
- EAN: 4260034865167
- Artikelnr.: 20157764
CD | |||
1 | As you are | 00:03:20 | |
2 | Londonderry air | 00:03:19 | |
3 | Erlaube mir, feins Mädchen | 00:01:59 | |
4 | All meine Herzgedanken op. 62 Nr. 5 | 00:03:31 | |
5 | Wenn der Wind weht über das Meer | 00:02:54 | |
6 | Misty | 00:04:24 | |
7 | Så skimrande var aldrig havet | 00:02:36 | |
8 | Sommerlied op. 146 Nr. 4 | 00:03:20 | |
9 | The three ravens | 00:04:42 | |
10 | Wasserfahrt op. 50 Nr. 4 | 00:01:46 | |
11 | J'ay vu la beauté, M'amie | 00:02:17 | |
12 | Our love is here to stay | 00:02:26 | |
13 | Brigg Fair | 00:03:03 | |
14 | London by night | 00:03:20 | |
15 | Des Abends, da kann ich nicht schlafen gehn | 00:01:41 | |
16 | Close to you | 00:02:42 | |
17 | Die Königskinder | 00:03:07 | |
18 | Crystal silence | 00:05:35 | |
19 | Goodnight my angel | 00:09:44 |
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 23.07.2005Glaubt's nur
Weniger ist mehr als ein Chor: "Singer Pur" trifft alle Herztöne
Unbegleitet singende Ensembles mit vier bis sechs Stimmen sind nicht gerade eine Spezialität des deutschen Musiklebens. Es weist kein Pendant zur britischen Tradition auf, die in den Fünfzigern durch das Deller-Consort und später durch Gruppen wie Pro Cantione Antiqua auch auf dem Kontinent bekannt wurde und dadurch sowie durch jüngere Ensembles wie The King's Singers oder das Hilliard Ensemble das Repertoire über altenglische und barocke Musik bis zur Gegenwart fortentwickelte. So behauptete hierzulande das 1966 gegründete Collegium Vocale Köln lange Zeit ziemlich einsam seinen Rang.
Dies scheint sich zu ändern, seit fünf ehemalige Regensburger Domspatzen sich im Jahre 1991 zum Gesangsensemble "Singer Pur" zusammentaten und die höhensichere Sopranistin Claudia Reinhard für die Oberstimme gewannen. Der erste Preis beim Deutschen Bundeswettbewerb 1994 war der Anfang einer Karriere, die sich in weiteren Auszeichnungen sowie Auftritten in mehr als dreißig Länden und bei internationalen Festivals spiegelt. Und natürlich in diversen Tonaufzeichnungen. Die jüngsten Alben des Ensembles dokumentieren sein interpretatorisches Weltformat, die stilistische Bandbreite. "Herztöne" (Love Songs) zeigt Singer Pur im populären Bereich arrangierter Liebesbekenntnisse aus Volks- und Kunstlied. Angloamerikanische Einflüsse sind dabei dominant. Das irische "Londonderry Air", Erroll Garners "Misty", Gershwins "Our love is here to stay" oder Chick Coreas "Crystal silence" verströmen jenen Schmelz, der mit Blue notes und sogar Glissandi dem Eingänglichen leichte Verruchtheit beimischt.
Andererseits weisen Volksliedbearbeitungen von Johannes Brahms und Robert Schumanns "Sommerlied" nach Rückert oder Felix Mendelssohn-Bartholdy Chorlieder "Königskinder" und "Wasserfahrt" durch geschliffenen Vortrag jeden Verdacht biederer Liedertafelei ab. Rückzüge in die Renaissance wie das von Jacques Chailley arrangierte "J'ay vu la beauté m'amie" oder in den Frühbarock wie Thomas Ravenscrofts "The three ravens" wirken allerdings trotz aller Kunstfertigkeit des Vortrags leicht geglättet. Die grenzenlos trostlose Interpretation des Liebestods im Lied von den drei Raben durch Pro Cantione Antiqua bleibt unerreicht.
Atemraubend gelungen ist dagegen das Album "Singer Pur featuring The Hilliard Ensemble": Es enthält ausschließlich für Singer Pur komponierte Werke, und der Titel bezieht sich auf die Vertonung eines Teils aus dem Canto XXIII von Dantes "Paradiso" durch die Amerikanerin Joanne Metcalfe "Il nome del bel fior". Nachdem sie 1994 für das Hilliard-Ensemble eine Marien-Motette über "Ave Maris Stella" geschrieben hatte, nutzte sie vier Jahre später die Dantesche ebenfalls auf die Mutter des Christengottes bezogene Meersternsymbolik für einen antiphonisch angelegten Vierteiler. In diesem sollten die auftraggebenden Singer Pur und die Hilliards ihre unterschiedliche Klangästhetik in ein anregendes Wechselspiel bringen - und sie tun es.
Der Verzicht von Singer Pur auf einen Countertenor zugunsten eines Frauensoprans sichert ihrem Klangbild größere Rundung, mehr Sinnlichkeit, triumphal vorgeführt in Ivan Moodys "Lamentation of the Virgin". Der englische Komponist, mit seinem Lehrer John Tavener Speerspitze des neoromantischen Sakralstils auf der Insel, konfrontiert den für Solosopran gesetzten Klageruf Mariens vor dem gekreuzigten Christus in einer mittelhochdeutschen Version aus Benediktbeuren (Carmina Burana) mit dem ritornellartig in drei Sprachen erklingenden Erbarmensruf der Orthodoxen Kirche (Trisagion). Dieser Gegensatz zwischen solistischem Leidensschrei und kollektiver Besänftigung erzeugt einen durch die kirchenräumliche Akustik unterstrichenen Schönklang von transzendierender Sogkraft. Dem Wechsel zwischen zeitgenössischer Expressivität und ritueller Rückbindung an eine kirchliche Tradition folgt auch Salvatore Sciarrino mit seinem "Responsorio delle tenebre". Es handelt sich um eine spannungsreiche Vertonung des 53. Psalms, in der das Gregorianische Responsorium auf heutige Möglichkeiten des Vokalstils fortgeschrieben wird.
Auch Wolfgang Rihm kennt in seinen Paßionsmotetten I-IV - entstanden im Umfeld seiner Lukas-Passion "Deus Paßus" - den Rückgriff auf alte Stilmittel. Aber bei ihm sind Quart-Quint-Intervalle und konsonante Akkorde nur Durchgangsstationen auf einem Weg zum Todesschmerz des sich von Gottvater verlassen fühlenden Christus. Für Rihm ist der leidende Gott das von allen anderen Weltreligionen unterschiedene Spezifikum des Christentums. Und in ihrer extremen Ausdruckssprache werden seine im lateinischen Wortlaut der Vulgata gefaßten Motetten zum Gefäß des Leidens in und an der Welt. Von Singer Pur wird die pausendurchsetzt im Bodenlosen versinkende Frage "Warum hast du mich verlassen?" wie die Übersteigerung im Aufschrei "Vater, in deine Hände befehle ich meinen Geist" mit gleichermaßen staunenswerter Souveränität gestaltet. Ein solches Niveau vokaler Consort-Musik ist keine ästhetische Glaubensfrage, sondern reine Offenbarung.
ULRICH SCHREIBER
Singer Pur featuring The Hilliard Ensemble. Werke von Wolfgang Rihm, Salvatore Sciarrino, Ivan Moody und Joanne Metcalf. Singer Pur, The Hilliard-Ensemble. Oehms Classics OC 354 (Codaex)
"Herztöne" (Love Songs). Werke von Felix Mendelssohn-Bartholdy, Robert Schumann, Johannes Brahms, George Gershwin und anderen. Singer Pur. Oehms Classics OC 516 (Codaex)
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Weniger ist mehr als ein Chor: "Singer Pur" trifft alle Herztöne
Unbegleitet singende Ensembles mit vier bis sechs Stimmen sind nicht gerade eine Spezialität des deutschen Musiklebens. Es weist kein Pendant zur britischen Tradition auf, die in den Fünfzigern durch das Deller-Consort und später durch Gruppen wie Pro Cantione Antiqua auch auf dem Kontinent bekannt wurde und dadurch sowie durch jüngere Ensembles wie The King's Singers oder das Hilliard Ensemble das Repertoire über altenglische und barocke Musik bis zur Gegenwart fortentwickelte. So behauptete hierzulande das 1966 gegründete Collegium Vocale Köln lange Zeit ziemlich einsam seinen Rang.
Dies scheint sich zu ändern, seit fünf ehemalige Regensburger Domspatzen sich im Jahre 1991 zum Gesangsensemble "Singer Pur" zusammentaten und die höhensichere Sopranistin Claudia Reinhard für die Oberstimme gewannen. Der erste Preis beim Deutschen Bundeswettbewerb 1994 war der Anfang einer Karriere, die sich in weiteren Auszeichnungen sowie Auftritten in mehr als dreißig Länden und bei internationalen Festivals spiegelt. Und natürlich in diversen Tonaufzeichnungen. Die jüngsten Alben des Ensembles dokumentieren sein interpretatorisches Weltformat, die stilistische Bandbreite. "Herztöne" (Love Songs) zeigt Singer Pur im populären Bereich arrangierter Liebesbekenntnisse aus Volks- und Kunstlied. Angloamerikanische Einflüsse sind dabei dominant. Das irische "Londonderry Air", Erroll Garners "Misty", Gershwins "Our love is here to stay" oder Chick Coreas "Crystal silence" verströmen jenen Schmelz, der mit Blue notes und sogar Glissandi dem Eingänglichen leichte Verruchtheit beimischt.
Andererseits weisen Volksliedbearbeitungen von Johannes Brahms und Robert Schumanns "Sommerlied" nach Rückert oder Felix Mendelssohn-Bartholdy Chorlieder "Königskinder" und "Wasserfahrt" durch geschliffenen Vortrag jeden Verdacht biederer Liedertafelei ab. Rückzüge in die Renaissance wie das von Jacques Chailley arrangierte "J'ay vu la beauté m'amie" oder in den Frühbarock wie Thomas Ravenscrofts "The three ravens" wirken allerdings trotz aller Kunstfertigkeit des Vortrags leicht geglättet. Die grenzenlos trostlose Interpretation des Liebestods im Lied von den drei Raben durch Pro Cantione Antiqua bleibt unerreicht.
Atemraubend gelungen ist dagegen das Album "Singer Pur featuring The Hilliard Ensemble": Es enthält ausschließlich für Singer Pur komponierte Werke, und der Titel bezieht sich auf die Vertonung eines Teils aus dem Canto XXIII von Dantes "Paradiso" durch die Amerikanerin Joanne Metcalfe "Il nome del bel fior". Nachdem sie 1994 für das Hilliard-Ensemble eine Marien-Motette über "Ave Maris Stella" geschrieben hatte, nutzte sie vier Jahre später die Dantesche ebenfalls auf die Mutter des Christengottes bezogene Meersternsymbolik für einen antiphonisch angelegten Vierteiler. In diesem sollten die auftraggebenden Singer Pur und die Hilliards ihre unterschiedliche Klangästhetik in ein anregendes Wechselspiel bringen - und sie tun es.
Der Verzicht von Singer Pur auf einen Countertenor zugunsten eines Frauensoprans sichert ihrem Klangbild größere Rundung, mehr Sinnlichkeit, triumphal vorgeführt in Ivan Moodys "Lamentation of the Virgin". Der englische Komponist, mit seinem Lehrer John Tavener Speerspitze des neoromantischen Sakralstils auf der Insel, konfrontiert den für Solosopran gesetzten Klageruf Mariens vor dem gekreuzigten Christus in einer mittelhochdeutschen Version aus Benediktbeuren (Carmina Burana) mit dem ritornellartig in drei Sprachen erklingenden Erbarmensruf der Orthodoxen Kirche (Trisagion). Dieser Gegensatz zwischen solistischem Leidensschrei und kollektiver Besänftigung erzeugt einen durch die kirchenräumliche Akustik unterstrichenen Schönklang von transzendierender Sogkraft. Dem Wechsel zwischen zeitgenössischer Expressivität und ritueller Rückbindung an eine kirchliche Tradition folgt auch Salvatore Sciarrino mit seinem "Responsorio delle tenebre". Es handelt sich um eine spannungsreiche Vertonung des 53. Psalms, in der das Gregorianische Responsorium auf heutige Möglichkeiten des Vokalstils fortgeschrieben wird.
Auch Wolfgang Rihm kennt in seinen Paßionsmotetten I-IV - entstanden im Umfeld seiner Lukas-Passion "Deus Paßus" - den Rückgriff auf alte Stilmittel. Aber bei ihm sind Quart-Quint-Intervalle und konsonante Akkorde nur Durchgangsstationen auf einem Weg zum Todesschmerz des sich von Gottvater verlassen fühlenden Christus. Für Rihm ist der leidende Gott das von allen anderen Weltreligionen unterschiedene Spezifikum des Christentums. Und in ihrer extremen Ausdruckssprache werden seine im lateinischen Wortlaut der Vulgata gefaßten Motetten zum Gefäß des Leidens in und an der Welt. Von Singer Pur wird die pausendurchsetzt im Bodenlosen versinkende Frage "Warum hast du mich verlassen?" wie die Übersteigerung im Aufschrei "Vater, in deine Hände befehle ich meinen Geist" mit gleichermaßen staunenswerter Souveränität gestaltet. Ein solches Niveau vokaler Consort-Musik ist keine ästhetische Glaubensfrage, sondern reine Offenbarung.
ULRICH SCHREIBER
Singer Pur featuring The Hilliard Ensemble. Werke von Wolfgang Rihm, Salvatore Sciarrino, Ivan Moody und Joanne Metcalf. Singer Pur, The Hilliard-Ensemble. Oehms Classics OC 354 (Codaex)
"Herztöne" (Love Songs). Werke von Felix Mendelssohn-Bartholdy, Robert Schumann, Johannes Brahms, George Gershwin und anderen. Singer Pur. Oehms Classics OC 516 (Codaex)
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main