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Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 10.07.2010

Gisbert sieht grau
Knyphausen zum Zweiten

Dann nennt ihn halt einen Liedermacher. Aber mal ehrlich, wer braucht solche Eingrenzungen? Gisbert zu Knyphausen wohl nicht. Auf seinem namenlosen Debüt borgte er für den Refrain von "Gute Nachrichten" einen Plattentitel von Modest Mouse, "Kleine Ballade" endete mit einem trunkenen Bright-Eyes-Chor. Voller Chuzpe, Charme und Schwung verdichteten einzelne Songs Ideen, auf die andere ihr Gesamtwerk bauen. So kriegte er alle, Kritiker wie Konzertgänger - und die Mädchen sowieso.

Mit dem Quartett, das ihn damals begleitete, nahm Knyphausen den Nachfolger "Hurra! Hurra! So nicht." in Hamburg auf, wo er länger lebte. Der Hafen hat ihn gepackt, vor allem beim düsterschönen "Kräne", in dem ein Einsamer ans Ufer geht, den Blick "auf die gewaltigen Tiere mit metallenen Krallen, mit Neonlicht-Augen, und die Container, die fallen". Von der Einsicht in verlorene Liebe wächst "Morsches Holz" zu einem wahnwitzigen Wortgewitter, aus dem alles niederprasselt, was einem das Leben vergällt, von Netzwerkkabeln bis Leuchtreklamen. Es sind die besten Lieder hier, vielleicht seine besten überhaupt. "Grau, grau, grau" ist dagegen derart, tja, farblos, dass die Band sich in einen aufgesetzten Ausbruch rettet und der Sänger wieder und wieder nach einem "neuen Anfang" ruft. Bei "Hey" wechselt Gesumme zur Gitarre mit Schlagzeugwüten; der Effekt ist schnell erschöpft. Wenn Knyphausen an "Melancholie" denkt, reimt er sie auf "fick dich ins Knie". Hurra, hurra? So nicht.

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Gisbert zu Knyphausen, Hurra! Hurra! So nicht. Pias 4790 (Rough Trade)

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