Produktdetails
- Anzahl: 1 Audio CD
- Erscheinungstermin: 27. September 2013
- Hersteller: 375 Media GmbH / Trikont/Indigo,
- EAN: 4015698045420
- Artikelnr.: 39286514
- Herstellerkennzeichnung
- Trikont "Unsere Stimme"
- Postfach 901055
- 81510 München
- http://www.trikont.de
CD | |||
1 | Drachentöter | 00:04:07 | |
2 | Reproduktion | 00:02:18 | |
3 | Die Liebe kennt den Weg | 00:03:51 | |
4 | Lieblingszahl | 00:04:55 | |
5 | Süden | 00:04:36 | |
6 | Arena | 00:03:41 | |
7 | Müde Marie | 00:01:39 | |
8 | Soul (Für Lucio Battisti) | 00:03:34 | |
9 | Leider nur Liebe | 00:02:32 | |
10 | Der Mann, der Venedig hieß | 00:06:10 | |
11 | Feiertagsfrau No. 35 & 36 | 00:03:56 | |
12 | Cowboys auf dem Mond | 00:03:36 | |
13 | Antibiotika | 00:02:53 |
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.10.2013Geteert, gefedert
Ein schöner Tag: Der Fanzine-Redakteur und Kritiker Eric Pfeil musiziert jetzt selbst
Auf Youtube ist ein Beitrag aus der "Legendary Interview" Series Rockstars hautnah" zu sehen: Vor einer vertäfelten Wand steht ein Tischchen. An dessen einer Seite nimmt Eric Pfeil Platz. An der anderen auch. Rechts als Fanzine-Redakteur, in schon länger getragenen Jeans und ausgewaschenem T-Shirt, mit Mütze auf dem Kopf. Er beugt sich nach vorn, duckt sich fast, schaut hektisch zur Seite, sucht nach der Kamera, lacht unsicher und drückt zur Selbstversicherung mit einem Finger auf seine Brille. Dann versucht er mit ungeschickten Fingern, einen Stoß Zettel mit Stichworten darauf zu bändigen. Nach diesen Verrichtungen will er wissen, wie es zu dem Album "Ich hab mir noch nie viel aus dem Tag gemacht" kam. Der, der darauf antworten soll, sitzt links vom Tisch, in einem Anzug und mit einer dunklen Sonnenbrille auf der Nase. Bevor er auf diese erste Frage eingeht, nimmt er sich Zeit, um noch etwas in einer italienischen Sportzeitung zu lesen. Vor ihm auf dem Tisch stehen eine Flasche Eierlikör und ein Glas, das er während der nächsten Minuten mehrfach füllen und manches Mal wie zum Kommentar leeren wird. Später ragt ein Becher oder Aschenbecher von seinem Kopf. Schließlich trägt er noch eine Maske der Schauspieler aus der Commedia dell'arte im Gesicht. Wie in vielen seiner Texte zeigt der Publizist und Musiker Pfeil auch in diesem Dramolett, dass Klischee und Charme, Parodie und Esprit nicht nur zueinanderfinden, sondern sich gegenseitig sogar ganz gut gebrauchen können.
Das galt schon für die Musiksendung "Fast Forward", die Pfeil mit Charlotte Roche prägte, und die Sarah-Kuttner-Show, die er konzipierte und für die er ebenfalls Texte schrieb. Für diese Zeitung erfand er ein "Pop-Tagebuch", um vom Drei-Buchstaben-Wort zu weiteren Themen abzuheben. Dass Pfeil sich überhaupt für Musik interessiert, liegt nicht zuletzt an seinen Eltern. Die nahmen ihren gerade aus der Grundschule rausgewachsenen Sohn über mehrere Sommerferien nach Italien mit. Seitdem tut es ihm Italo-Pop an. Das Stück "Soul" ist Lucio Battisti gewidmet. Ein Song dreht sich um den "Mann, der Venedig hieß" . Und der Ort, wo jemand beginnen kann, sich "ganz neu zu verlieben", ist "Tonios Bar" oder "Tonios Haus" , welche beide in einem Lied mit dem Titel "Süden" liegen. Deren Geschichten erzählt Pfeil genauso wie die von Särgen, die Kinder haben wollen, vom Mond, der ertrinkt, oder vom weltallermildesten Tier. Von Steinhirnen und Hammerherzen, von dem Leben, das nur noch ein Museum ist, oder von Menschen, die schon dabei sind, für andere zu sterben. Sie alle werden von einem Poprock-Troubadour beschrieben, der eigentlich Filme in Songform bringt. Er tut das voller Hoffnung, mit seinen Hörern ins Gespräch zu kommen, als Sänger, der ein Vertrauensverhältnis zu ihnen herstellen kann.
Aber was sind noch mal Sänger? Nun, Leute, die etwa exaltiert, romantisch oder vom Berg herunter davon berichten, was sie tun. Manchmal auch Leute, für die sich das Leben schon einiges geleistet hat, bevor sie damit begannen, Worte dafür zu finden. In Pfeils Fall klingt das immer wieder raffiniert unterschiedlich. An manchen Stellen nach einem zickig funkigen Rio Reiser; an anderen gar, als wäre dieser Reiser in das Harmoniegesangs-Trio Crosby, Stills & Pfeil eingestiegen. Doch immer wieder hört es sich auch an, als hätte ihn das Leben mit vielen Wassern gewaschen, mit etwas Teer übergossen, mit einigen Federn beworfen; seitdem hat er die Ruhe weg. Sie gehört zu dem Ereignis auf dieser Platte. In jedem Aspekt, in jedem Atom der Musik auf "Ich hab mir noch nie viel aus dem Tag gemacht" ist eine edle Gelassenheit zu spüren, ein langer Atem, der in eine lebensfrohe Weite haucht, die sich verbindlich, aber sanft ausstreckt. Dreizehn Lieder tönen als Gruß schon mal in sie hinein. Sie alle handeln (mindestens auch) von der Liebe. Die lässt sich, wie so vieles andere, nicht in den Griff kriegen, lädt dich aber mit dem Drive, der Lust und der Laune auf, in die Welt auszuschwärmen und mit einem Befund zurückzukehren, der es in sich hat: Musik, die viel will, drückt der Kommunikation die Luft ab. Will sie in etwas eingreifen, in die Gesellschaft oder so was, dann ergibt das aufdringlich angestrengte Töne. Mit denen wird es kein Gespräch geben, zu denen lässt sich kein Vertrauensverhältnis aufbauen. Stattdessen enthalten sie nur die eine Mitteilung: Du sollst uns mögen, nicht obwohl, sondern weil wir dir auf die Nerven gehen. Gegen solche Töne hat Eric Pfeil eine Platte gemacht, die einbeziehen will. Sie handelt davon, dass Gedanken nur dann gut sind oder überhaupt erst werden können, wenn sie von mindestens zwei Leuten kommen: dem, der singt, und dem, der ihm zuhört - schon, weil sich die beiden schon immer viel aus sich gemacht haben.
KRISTOF SCHREUF
Der Autor ist selbst Musiker, von ihm erschien zuletzt das Album "Bourgeois With Guitar" (2010).
Eric Pfeil: Ich hab mir noch nie viel aus dem Tag gemacht.
Trikont 2829840 (Indigo)
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Ein schöner Tag: Der Fanzine-Redakteur und Kritiker Eric Pfeil musiziert jetzt selbst
Auf Youtube ist ein Beitrag aus der "Legendary Interview" Series Rockstars hautnah" zu sehen: Vor einer vertäfelten Wand steht ein Tischchen. An dessen einer Seite nimmt Eric Pfeil Platz. An der anderen auch. Rechts als Fanzine-Redakteur, in schon länger getragenen Jeans und ausgewaschenem T-Shirt, mit Mütze auf dem Kopf. Er beugt sich nach vorn, duckt sich fast, schaut hektisch zur Seite, sucht nach der Kamera, lacht unsicher und drückt zur Selbstversicherung mit einem Finger auf seine Brille. Dann versucht er mit ungeschickten Fingern, einen Stoß Zettel mit Stichworten darauf zu bändigen. Nach diesen Verrichtungen will er wissen, wie es zu dem Album "Ich hab mir noch nie viel aus dem Tag gemacht" kam. Der, der darauf antworten soll, sitzt links vom Tisch, in einem Anzug und mit einer dunklen Sonnenbrille auf der Nase. Bevor er auf diese erste Frage eingeht, nimmt er sich Zeit, um noch etwas in einer italienischen Sportzeitung zu lesen. Vor ihm auf dem Tisch stehen eine Flasche Eierlikör und ein Glas, das er während der nächsten Minuten mehrfach füllen und manches Mal wie zum Kommentar leeren wird. Später ragt ein Becher oder Aschenbecher von seinem Kopf. Schließlich trägt er noch eine Maske der Schauspieler aus der Commedia dell'arte im Gesicht. Wie in vielen seiner Texte zeigt der Publizist und Musiker Pfeil auch in diesem Dramolett, dass Klischee und Charme, Parodie und Esprit nicht nur zueinanderfinden, sondern sich gegenseitig sogar ganz gut gebrauchen können.
Das galt schon für die Musiksendung "Fast Forward", die Pfeil mit Charlotte Roche prägte, und die Sarah-Kuttner-Show, die er konzipierte und für die er ebenfalls Texte schrieb. Für diese Zeitung erfand er ein "Pop-Tagebuch", um vom Drei-Buchstaben-Wort zu weiteren Themen abzuheben. Dass Pfeil sich überhaupt für Musik interessiert, liegt nicht zuletzt an seinen Eltern. Die nahmen ihren gerade aus der Grundschule rausgewachsenen Sohn über mehrere Sommerferien nach Italien mit. Seitdem tut es ihm Italo-Pop an. Das Stück "Soul" ist Lucio Battisti gewidmet. Ein Song dreht sich um den "Mann, der Venedig hieß" . Und der Ort, wo jemand beginnen kann, sich "ganz neu zu verlieben", ist "Tonios Bar" oder "Tonios Haus" , welche beide in einem Lied mit dem Titel "Süden" liegen. Deren Geschichten erzählt Pfeil genauso wie die von Särgen, die Kinder haben wollen, vom Mond, der ertrinkt, oder vom weltallermildesten Tier. Von Steinhirnen und Hammerherzen, von dem Leben, das nur noch ein Museum ist, oder von Menschen, die schon dabei sind, für andere zu sterben. Sie alle werden von einem Poprock-Troubadour beschrieben, der eigentlich Filme in Songform bringt. Er tut das voller Hoffnung, mit seinen Hörern ins Gespräch zu kommen, als Sänger, der ein Vertrauensverhältnis zu ihnen herstellen kann.
Aber was sind noch mal Sänger? Nun, Leute, die etwa exaltiert, romantisch oder vom Berg herunter davon berichten, was sie tun. Manchmal auch Leute, für die sich das Leben schon einiges geleistet hat, bevor sie damit begannen, Worte dafür zu finden. In Pfeils Fall klingt das immer wieder raffiniert unterschiedlich. An manchen Stellen nach einem zickig funkigen Rio Reiser; an anderen gar, als wäre dieser Reiser in das Harmoniegesangs-Trio Crosby, Stills & Pfeil eingestiegen. Doch immer wieder hört es sich auch an, als hätte ihn das Leben mit vielen Wassern gewaschen, mit etwas Teer übergossen, mit einigen Federn beworfen; seitdem hat er die Ruhe weg. Sie gehört zu dem Ereignis auf dieser Platte. In jedem Aspekt, in jedem Atom der Musik auf "Ich hab mir noch nie viel aus dem Tag gemacht" ist eine edle Gelassenheit zu spüren, ein langer Atem, der in eine lebensfrohe Weite haucht, die sich verbindlich, aber sanft ausstreckt. Dreizehn Lieder tönen als Gruß schon mal in sie hinein. Sie alle handeln (mindestens auch) von der Liebe. Die lässt sich, wie so vieles andere, nicht in den Griff kriegen, lädt dich aber mit dem Drive, der Lust und der Laune auf, in die Welt auszuschwärmen und mit einem Befund zurückzukehren, der es in sich hat: Musik, die viel will, drückt der Kommunikation die Luft ab. Will sie in etwas eingreifen, in die Gesellschaft oder so was, dann ergibt das aufdringlich angestrengte Töne. Mit denen wird es kein Gespräch geben, zu denen lässt sich kein Vertrauensverhältnis aufbauen. Stattdessen enthalten sie nur die eine Mitteilung: Du sollst uns mögen, nicht obwohl, sondern weil wir dir auf die Nerven gehen. Gegen solche Töne hat Eric Pfeil eine Platte gemacht, die einbeziehen will. Sie handelt davon, dass Gedanken nur dann gut sind oder überhaupt erst werden können, wenn sie von mindestens zwei Leuten kommen: dem, der singt, und dem, der ihm zuhört - schon, weil sich die beiden schon immer viel aus sich gemacht haben.
KRISTOF SCHREUF
Der Autor ist selbst Musiker, von ihm erschien zuletzt das Album "Bourgeois With Guitar" (2010).
Eric Pfeil: Ich hab mir noch nie viel aus dem Tag gemacht.
Trikont 2829840 (Indigo)
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main